Der „koste (Sottu
Ein Superintendent, der als Emeritus in
einem Berliner Vorort lebt, beröffcntlichte im dortigen
Lokalblättchen ein Poem, worin der deutsche Kaiser
als „bester Gott und Vater" verherrlicht wird.
Wie schwarz der Höllenschlund gegähnt,
Nun muß es lichter werden —
Wir haben, was man längst ersehnt,
Den Himniel schon auf Erden!
Das liebe heil'ge Himmelreich
Ist jetzt „Berlin" geheißen —
Man ahnt' cs stets, man dacht' cs gleich:
Es liegt gewiß in Preußen!
Und da nun auf dem Kaiser thron
Gott-Vater schon zu schauen,
So braucht die neue Religion
Man bloß noch auszubauen!
Gott-Sohn ist — kann man zweifeln da?
Der Kronprinz selbstverständlich!
Trotz Differenzen mit Papa
Ist er auch Herrgott endlich.
Und Heil'ger Geist, mit diesen zwei'»
Dreieinigkeit zu halten,
Das kann nur Bet hm an» Hollweg sein
Im wundersamen Walten!
So braucht man weder Phantasie
Noch schwierige Doktrinen —
Ein jeder weiß nun wo und wie,
Will seinem Gott er dienen!
Der fordert kein Halleluja,
Nur eine forsche Geste
Und als Choral „Hurra, hurra —"
Der Herrgott ist der b e st e!
Sassafrass
*
^riftan in flßantua
Die Theaterabonnenten in Mantua veröffent-
lichten einen Protest gegen die Theaterdirektion,
in dem sie den Intendanten auf-
sordern, den „Tristan" nicht zu
geben, sondern „auf dieses unfrucht-
bare und unerträgliche öffentliche
Schlasmiltel" zu verzichten. An-
dernfalls werde es zu Kundgebun-
gen bei offener Szene komnien. Der
Intendant solle lieber „Othello" und
„Traviata" spielen lassen.
Wie wir hören, ist zwischen
dem Theaterdirektor, der schon alle
Tristan - Dekorationen angeschafft
hatte, und dem Mantuaner Publi-
kum erfreulicherweise doch noch ei»
Kompromiß zustande gekommen:
König Marke singt im zweiten Akt,
nach der Entdeckung von Isoldens
Untreue, als Einlage : „O wie so
trügerisch sind Weiberherzen," —
das lange Liebesduett ist gestrichen
und durch einen Koloratur-Wett-
kampf ersetzt, — und natürlich geht
die Sache g u t aus. Aus der Kritik
über die Mantuaner Tristan-Pre-
miere zitieren wir: „Besonders ge-
fiel das komische Bedientenduett
zwischen dem Liebespärchen Bran-
gäne-Kurwenal. Hingegen sang der
Chor der Hirtenmädchen int dritten
Akt wieder unrein. Die Furlana
im zweiten Aufzug mußte wiederholt
werden. Der stürmische Beifall am
Schluß bewies, daß die hiesigen Thea-
terabonnenten ein immer intimeres
Verhältnis zu Wagner gewinnen."
Karlchen
Der Möbel-Leutnant
Eine höchst erbauliche Geschichte
Tat sich sozusagen jüngst vollzieh»
Bor dem würdigen Kaufmannsgerichte
In der allbekannten Stadt Berlin.
Edgar hieß der Held, den ich besinge,
Einstmals war er flotter Leutenant,
Doch der wechselvolle Lauf der Dinge
Warf ihn in den biedren Kaufmannsstand.
Ganz als wie ein schlichter Sohn des Pöbels
Ging er jetzt als Zivilist daher,
Und er handelte fortan mit Möbels
Sozusagen als Akquisiteur.
Aber auch als Möbelfritze blieb er
Der verflossnen Würde sich bewußt,
„Leutenant a. D." nannt' er sich lieber,
Werfend sich in seine Heldenbrust.
Nun geschah es, daß ein Disponente,
Der im selb'gen Laden hat gedient,
Sich in seinem forschen Temp'ramente
Edgarn zu beleid'gen hat erkühnt.
Edgar, der in edlem Zorn entbrannte,
Griff zu Tinte, Feder und Papier,
Und es schrieb sofort der Bielgewandte
Seinem Prinzipale dieses hier:
„Daß besagter Mensch mich tat beleid'gen,
Ignoriere ich natürlich glatt;
Gegen ihn kann ich mich nicht verteidigen,
Da er niemals keine Charge hntt'.
Doch von Euch, Herr Lazarett-Inspektor,
Zum Reserveleutnant qual'fiziert
Und zur Zeit Möbelfabriksdirektor,
Hoff' ich, daß man mich rehab'litiert!
Solltet Ihr Euch meinem Wunsch nicht beugen
(Eurer Antwort ich entgegenseh'),
Schick' ich Euch — äh! — morgen meine Zeugen
Achtend: Edgar, Leutenant a. D."
Doch der Chef in maßloser Verblendung
Lachte den Herrn Leutnant schlankweg aus,
Und das Drama nahm 'ne andre Wendung,
Denn die Möbelfirma schmiß ihn raus.
Gutgeheißen hat der Kaufmannsrichter
Dieses was die Möbelfirma tat.
'3Ilfo frage ich als Mensch und Dichter:
Wo bleibt in besagtem Fall der Staat.
Was sagt Ihr dazu, Herr Kriegsminister,
Daß ein Lazarett-Reservemann
Einen Leutnant, wenn „a. D." auch ist er,
An die frische Luft befördern kann?
Ist das nicht ein gänzlich neuerlicher
Fall von Insubordination,
Ist es nicht ein ungeheuerlicher
Eingriff in die Höchsten Rechte schon?
Franze aus Berlin
*
iMiotiärrifrfjes aus dem dunkelsten öapern
Das Kulturministerium hat einen Erlaß her-
ausgegeben, wonach ein konfessionsloses Kind
konfessioneller Eltern nicht mehr das Gi>mnasium
besuchen darf. Die Zentrunispresse ist davon be-
geistert und ein Blatt schreibt dazu: „... Ob man
mit Rücksicht auf die Sicherheit der mensch-
lichen Gesellschaft Atheisten unbehelligt
heranwachsen lassen muß, ist noch nicht so
sicher zu ihren Gunsten zu entscheiden, als die Athe-
isten und ihre Protektoren zu glauben scheinen ..."
„Im Gegenteil!" bemerkt dazu unser Redak-
tionsbekehrungspater Aujust, „es ist sogar absolut
unsicher! Die Atheisten sind Heiden und daher
nicht mehr wert als Wilde und Men sch en-
fresscr! Es wäre schon bei der Geburt für
solche Heidenkinder am besten, wenn sie durch
einen kräftigen Missionär solange mit dem Weih-
brunnbesen auf den Kopf geschlagen würden, bis
sie Engerln wären. Da jedoch die Eltern sehr
häufig gut gewachsen sind, ist dies Verfahren
für einen einzelnen ° zu gefährlich und die Mit-
nahnie eines Polizeidieners verbietet sich aus
Gründen der Keuschheit. So bleibt häufig
nichts übrig, als diese Mißgeburten am
Leben zu lassen. Sobald sie zu gehen be-
ginnen, müssen sie aber sofort unschädlich gemacht
werden. Sei es, daß man sie in eiserne Käfige
sperrt oder an den Barren anbindet, in denen
sie Futter bekommen, sei es, daß man die Heiden-
familien im Ganzen aus hebt und auf der
Oktoberwiese in gut mnzäuntenRäu-
men gegen Entree sehen läßt. Das
letztere hätte den Porteil, daß von
den Eintrittsgeldern Zentrumsblätter
errichtet werden könnten. Mit 6 Jah-
ren müßten die Heidenkinder natür-
lich zum Schuluntericht gebracht wer-
den, die Aufnahme würde je-
doch von der Beibringung des
Taufscheines abhängig sein.
Ungetanste hätten demnach zuvor
Missionsunterricht zu erhalten und
hier müßte unter Beiziehung des
gedörrten Ochsenschwanzcs (oder der
Nilpferdpeitsche) den Wilden klar
gemacht werden, daß die Ge-
wissensfreiheit ein unver-
ä u ß e r l i ch e s G u t des moder-
n c n M e n s ch c n sei. Wir sind
sicher, daß sich daraufhin tausend?
dieser Heiden freiwillig taufen
ließen!
Diese kleinen Maßregeln wür-
den wohl vorläufig genügen, um
unsere menschliche Gesellschaft
gegen das Hera »wachsen von
Atheisten zu schützen. Sollte
trotzdem noch der eine oder andere
unbemerkt zur Entwicklung kommen,
so könnten ja energischere Schritte
getan werden, und möchten wir viel-
leicht nur nn den berühmten Hero-
des erinnern, der sich der Rettung
des jüdischen Staates vor unan-
genehmen Kindern in einer so gründ-
lichen Weise angenommen hat. Aller-
dings ist ihm doch einer dabei aus-
gekommen. Aber bei unfern mo-
dernen Verhältnissen würde uns
dies kaum mehr passieren!
A. 1». X.
n. liost
Der patriotische Großvater
„Ich wünscht', ich war' noch 'mal dreißig Jahre alt! Ich wollt' '„
schon aus der weit schaffen, den Geburtenrückgang l"
471
Ein Superintendent, der als Emeritus in
einem Berliner Vorort lebt, beröffcntlichte im dortigen
Lokalblättchen ein Poem, worin der deutsche Kaiser
als „bester Gott und Vater" verherrlicht wird.
Wie schwarz der Höllenschlund gegähnt,
Nun muß es lichter werden —
Wir haben, was man längst ersehnt,
Den Himniel schon auf Erden!
Das liebe heil'ge Himmelreich
Ist jetzt „Berlin" geheißen —
Man ahnt' cs stets, man dacht' cs gleich:
Es liegt gewiß in Preußen!
Und da nun auf dem Kaiser thron
Gott-Vater schon zu schauen,
So braucht die neue Religion
Man bloß noch auszubauen!
Gott-Sohn ist — kann man zweifeln da?
Der Kronprinz selbstverständlich!
Trotz Differenzen mit Papa
Ist er auch Herrgott endlich.
Und Heil'ger Geist, mit diesen zwei'»
Dreieinigkeit zu halten,
Das kann nur Bet hm an» Hollweg sein
Im wundersamen Walten!
So braucht man weder Phantasie
Noch schwierige Doktrinen —
Ein jeder weiß nun wo und wie,
Will seinem Gott er dienen!
Der fordert kein Halleluja,
Nur eine forsche Geste
Und als Choral „Hurra, hurra —"
Der Herrgott ist der b e st e!
Sassafrass
*
^riftan in flßantua
Die Theaterabonnenten in Mantua veröffent-
lichten einen Protest gegen die Theaterdirektion,
in dem sie den Intendanten auf-
sordern, den „Tristan" nicht zu
geben, sondern „auf dieses unfrucht-
bare und unerträgliche öffentliche
Schlasmiltel" zu verzichten. An-
dernfalls werde es zu Kundgebun-
gen bei offener Szene komnien. Der
Intendant solle lieber „Othello" und
„Traviata" spielen lassen.
Wie wir hören, ist zwischen
dem Theaterdirektor, der schon alle
Tristan - Dekorationen angeschafft
hatte, und dem Mantuaner Publi-
kum erfreulicherweise doch noch ei»
Kompromiß zustande gekommen:
König Marke singt im zweiten Akt,
nach der Entdeckung von Isoldens
Untreue, als Einlage : „O wie so
trügerisch sind Weiberherzen," —
das lange Liebesduett ist gestrichen
und durch einen Koloratur-Wett-
kampf ersetzt, — und natürlich geht
die Sache g u t aus. Aus der Kritik
über die Mantuaner Tristan-Pre-
miere zitieren wir: „Besonders ge-
fiel das komische Bedientenduett
zwischen dem Liebespärchen Bran-
gäne-Kurwenal. Hingegen sang der
Chor der Hirtenmädchen int dritten
Akt wieder unrein. Die Furlana
im zweiten Aufzug mußte wiederholt
werden. Der stürmische Beifall am
Schluß bewies, daß die hiesigen Thea-
terabonnenten ein immer intimeres
Verhältnis zu Wagner gewinnen."
Karlchen
Der Möbel-Leutnant
Eine höchst erbauliche Geschichte
Tat sich sozusagen jüngst vollzieh»
Bor dem würdigen Kaufmannsgerichte
In der allbekannten Stadt Berlin.
Edgar hieß der Held, den ich besinge,
Einstmals war er flotter Leutenant,
Doch der wechselvolle Lauf der Dinge
Warf ihn in den biedren Kaufmannsstand.
Ganz als wie ein schlichter Sohn des Pöbels
Ging er jetzt als Zivilist daher,
Und er handelte fortan mit Möbels
Sozusagen als Akquisiteur.
Aber auch als Möbelfritze blieb er
Der verflossnen Würde sich bewußt,
„Leutenant a. D." nannt' er sich lieber,
Werfend sich in seine Heldenbrust.
Nun geschah es, daß ein Disponente,
Der im selb'gen Laden hat gedient,
Sich in seinem forschen Temp'ramente
Edgarn zu beleid'gen hat erkühnt.
Edgar, der in edlem Zorn entbrannte,
Griff zu Tinte, Feder und Papier,
Und es schrieb sofort der Bielgewandte
Seinem Prinzipale dieses hier:
„Daß besagter Mensch mich tat beleid'gen,
Ignoriere ich natürlich glatt;
Gegen ihn kann ich mich nicht verteidigen,
Da er niemals keine Charge hntt'.
Doch von Euch, Herr Lazarett-Inspektor,
Zum Reserveleutnant qual'fiziert
Und zur Zeit Möbelfabriksdirektor,
Hoff' ich, daß man mich rehab'litiert!
Solltet Ihr Euch meinem Wunsch nicht beugen
(Eurer Antwort ich entgegenseh'),
Schick' ich Euch — äh! — morgen meine Zeugen
Achtend: Edgar, Leutenant a. D."
Doch der Chef in maßloser Verblendung
Lachte den Herrn Leutnant schlankweg aus,
Und das Drama nahm 'ne andre Wendung,
Denn die Möbelfirma schmiß ihn raus.
Gutgeheißen hat der Kaufmannsrichter
Dieses was die Möbelfirma tat.
'3Ilfo frage ich als Mensch und Dichter:
Wo bleibt in besagtem Fall der Staat.
Was sagt Ihr dazu, Herr Kriegsminister,
Daß ein Lazarett-Reservemann
Einen Leutnant, wenn „a. D." auch ist er,
An die frische Luft befördern kann?
Ist das nicht ein gänzlich neuerlicher
Fall von Insubordination,
Ist es nicht ein ungeheuerlicher
Eingriff in die Höchsten Rechte schon?
Franze aus Berlin
*
iMiotiärrifrfjes aus dem dunkelsten öapern
Das Kulturministerium hat einen Erlaß her-
ausgegeben, wonach ein konfessionsloses Kind
konfessioneller Eltern nicht mehr das Gi>mnasium
besuchen darf. Die Zentrunispresse ist davon be-
geistert und ein Blatt schreibt dazu: „... Ob man
mit Rücksicht auf die Sicherheit der mensch-
lichen Gesellschaft Atheisten unbehelligt
heranwachsen lassen muß, ist noch nicht so
sicher zu ihren Gunsten zu entscheiden, als die Athe-
isten und ihre Protektoren zu glauben scheinen ..."
„Im Gegenteil!" bemerkt dazu unser Redak-
tionsbekehrungspater Aujust, „es ist sogar absolut
unsicher! Die Atheisten sind Heiden und daher
nicht mehr wert als Wilde und Men sch en-
fresscr! Es wäre schon bei der Geburt für
solche Heidenkinder am besten, wenn sie durch
einen kräftigen Missionär solange mit dem Weih-
brunnbesen auf den Kopf geschlagen würden, bis
sie Engerln wären. Da jedoch die Eltern sehr
häufig gut gewachsen sind, ist dies Verfahren
für einen einzelnen ° zu gefährlich und die Mit-
nahnie eines Polizeidieners verbietet sich aus
Gründen der Keuschheit. So bleibt häufig
nichts übrig, als diese Mißgeburten am
Leben zu lassen. Sobald sie zu gehen be-
ginnen, müssen sie aber sofort unschädlich gemacht
werden. Sei es, daß man sie in eiserne Käfige
sperrt oder an den Barren anbindet, in denen
sie Futter bekommen, sei es, daß man die Heiden-
familien im Ganzen aus hebt und auf der
Oktoberwiese in gut mnzäuntenRäu-
men gegen Entree sehen läßt. Das
letztere hätte den Porteil, daß von
den Eintrittsgeldern Zentrumsblätter
errichtet werden könnten. Mit 6 Jah-
ren müßten die Heidenkinder natür-
lich zum Schuluntericht gebracht wer-
den, die Aufnahme würde je-
doch von der Beibringung des
Taufscheines abhängig sein.
Ungetanste hätten demnach zuvor
Missionsunterricht zu erhalten und
hier müßte unter Beiziehung des
gedörrten Ochsenschwanzcs (oder der
Nilpferdpeitsche) den Wilden klar
gemacht werden, daß die Ge-
wissensfreiheit ein unver-
ä u ß e r l i ch e s G u t des moder-
n c n M e n s ch c n sei. Wir sind
sicher, daß sich daraufhin tausend?
dieser Heiden freiwillig taufen
ließen!
Diese kleinen Maßregeln wür-
den wohl vorläufig genügen, um
unsere menschliche Gesellschaft
gegen das Hera »wachsen von
Atheisten zu schützen. Sollte
trotzdem noch der eine oder andere
unbemerkt zur Entwicklung kommen,
so könnten ja energischere Schritte
getan werden, und möchten wir viel-
leicht nur nn den berühmten Hero-
des erinnern, der sich der Rettung
des jüdischen Staates vor unan-
genehmen Kindern in einer so gründ-
lichen Weise angenommen hat. Aller-
dings ist ihm doch einer dabei aus-
gekommen. Aber bei unfern mo-
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A. 1». X.
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„Ich wünscht', ich war' noch 'mal dreißig Jahre alt! Ich wollt' '„
schon aus der weit schaffen, den Geburtenrückgang l"
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