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Ländliche Idyllen
I. Literarische Betrachtung

Heute morgen auf dem Heuboden
Sah ich — immer mit Zwischenräumen —
Durch die Luke nach den Lindenbäumen
Und in Klopstocks Oden.

Uber Klopftock war ich leicht betroffen,

Doch ich dachte mir: Was soll man sagen —
Man dichtet eben anders in unfern Tagen ■ . .
Und es stehn jetzt so viel Möglichkeiten offen!

Mein Intellekt, der auf dem trocknen Gras
Etwas verärgert neben mir saß,

Erwähnte, daß sich jetzt den freien Rhythmen
Viele jungen Leute widmen,

Welche zu Klopstocks Tagen nicht durch Dichten,
Sondern dadurch seelische Entlastung fanden:
Daß sie von Eltern oder Verwandten
Manchmal etwas mittelst Klopfstocks knechten . .

Ich habe solches nicht bestritten.

Doch: soll ich's mit den Jüngsten verderben?

Lieber sterben!

Ich sage vielmehr dunkel, klug und klar:

So ist es also wahr —

Andere Zeiten, andere Sitten!

Rindermund

Die kleine Grete sagt zu ihrer Mutter: „Dn,
Mutti, das ist doch eigentlich ganz unpraktisch
eingerichtet in der Nacht scheint der Mond,
der nur so wenig Licht hat, und bei Tag, wo
man doch ohnehin so gut sehen kann, scheint die
große Sonne!"

Väctagogik

F. Heubner

„Mütter, 3br Huf Tat? ,Die flatur, eine
Quelle der Bildung und Erholung*
ilt unter aller Kanone. Sie find wabr-
fcbeinlicb wieder den ganzen Sonntag im
freien berumgeftreunt!“

Das Rnacksen

Man weckt mich — zagend und doch hart-
näckig. Aber da ich mich selber kurz vor dem
Aufwachen befinde, habe ich sogleich genügend
Besinnung,.mich fest schlafend zu stellen. Denn
ich kann mir denken: das Knacksen im Neben-

zimmer geht wieder um. In der nächsten Se-
kunde vernehme ich es auch, und ein Zusammen-
zucken neben mir bestätigtes. Angstvoll werde
ich gezupft und leise bei Namen flehend gerufen.
Doch ich bin der Beteuerungen satt: Der Parkett-
boden oder ein Schrank dehne sich . . . das
Knacksen gehe um . . . kein Einbrecher ....
und ich bin nicht wach zu bekommen. Seufzend
gibt man es auf und kramt sich trotzig tief in
Decke und Kiffen.

Nun horche ich. Begierig horche ich der Dinge,
welche durch die schmalen schiefgestellten Spalten
der Ialousieen hereineilen. Da ist vor allem ein
aus dem Trauni einer Vogelbrust schlüpfender
kleiner Schrei — und der geht in ein herzhaftes
Trillieren über. Dieses übertönt eifernd viel-
stimmiges erstes Rufen aller anderen Vögel, lind
eine Amsel gibt es, die flötet deutlich : „O Königin!
O Königin!" — Gemeint ist die Sonne. Sie
kommt. Nicht golden hereinbrechend; mitten in
die gestaltlose Leere schwebt ein feiner geschichteter
Nebel, und dieser wenige weiße Dunst dehnt die
schwere dickschwarze Hülle, bläst sie gänzlich auf,
bis alles zu Tage tritt: Die Fenster, die Decke
und an den Wänden massige Körper, die das
restliche Dunkel einsaugen. — Vom Schwirren
der Vögel und Flimmern des Lichts eingelullt
schlafe ich wieder ein.

Wie ich dann endgültig aufwache, liegen —
scharf aus den Fächern der Ialousieen geschnitten
— schmale goldgleißende Stufen Sonne mitten
im Raum.

lind man meint: „Du, die Vögel hättest du
heute früh hören sollen .... und den Morgen

kommen sehen. ich Hab' versucht dich zu

wecken .... aber .... du . .. ."

Arthur I.einberg

15ei etwaigen Bestellungen Bittet man auf die TVtvliieliiier „JUGEND“ Bezug zr nehmen.

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[nicht signierter Beitrag]: Kindermund
Eff Ess: Ländliche Idyllen I
Arthur Lemberg: Das Knacksen
Friedrich (Fritz) Heubner: Pädagogik
 
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