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Der neue Plutarcb

Der neue Plutarcb

Geriebene „Runden" haben bekanntlich ihre
besondere Ausdruckswcise.

„Unter uns gesagt, Japs," fragte John
Bull, „wirst Du, wie Du versprochen, Tsingtau
— an Lhina zurückgeben 7" — „Auf Ehren-
wort, Rollege!" — „Ves, ich verstehe."

Fjilf, Scanne d’Hrc!

Maurice Barrds brachte am 22. Dezember in
der französischen Kammer einen Geietzcnnvurf über
die jährliche Abhaltnng eines Naiionalfeicrtags zn
Ehren der Jungfrau von Orleans ein.

L'esl ?a! Das wird nun endlich flecken
Und Frankreichs frohe Rettung bezwecken —
Wo keine irdische Aussicht mehr,

Da hält noch immer der Himmel her!

Erweist ihr der seligen Ieanne euch galant,
Nimmt sicher sie wieder das Schwert in die Hand
Und steigt zu euch nieder, juheirasfasa,

Als reizende Generalissima!

Sie lehrt euch wieder beten und fasten,

Sie wird nicht ruhen und wird nicht rasten,

Bis sie, genau wie in alte» Tagen,

Die — Engländer aus dem Land geschlagen!

Sassafras»

*

Mieder Einer!

Wie die Blätter melden, hat nun auch der
Schweizer Schriftsteller Karl Spitteler sich auf
die Seite unserer Feinde gestellt und einen von
Hnh, Verkennung und Verleumdung triefenden
Bortrag gehalten, in dem es u. a. heißt:

„Wenn ein Mörder Sie mit dem Messer be-
droht, so rufen Sie unbedenklich Ihren Haushund
zu Hilfe." Der Haushund, das ist nämlich die
bunthäutige Bande, die unsere Feinde zu ihrer
ewigen Schmach gegen uns gehetzt haben. Der
Mörder — das ist Deutschland, das gleich-
zeitig gegen fünf große und etliche kleine Staaten
einen schweren Heldenkampf um sein Dasein führt!

Roch schöner ist aber, was der geschwätzige
Herr über die Frage der „verletzten belgischen
Neutralität" sagt, eine Angelegenheit, über die
nachgerade auch der letzte Insasse einer Anstalt
für Schwachsinnige genügend unterrichtet ist. Er
nennt die Feststellung von Belgiens heimlichem
Bündnis mit England re. durch aufgefundene
Papiere einen „Dokumenten-Fischzug in den
Taschen des zuckenden Opfers" und sagt: „Das
Opfer zu erwürgen, war reichlich genug. Es
noch verlästern, ist zu viel!"

Der diese niederträchtige Albernheit zum besten
gegeben hat, ist deutscher Abstammung, schreibt
seine Bücher in deutscher Sprache, führt einen
deutschen Namen!

Und trotzdem schimpft er den Deutschen, der
Belgiens Verrat an den Tag brachte, einen —
Kain, der den Abel „schwärzt", um weißer aus-
zusehen —

Uns ist in der biblischen Geschichte der Kain
allerdings immer sympathischer gewesen, als der
Judas!

Rriegsberlcbte

XVII.

Wladimir Lausikoff an seinen Freund
Francois Grandebouche

Brudderherz, in Libbe fürr mich geschlaggendes
Brudderherz,

Prost Neujahr! Sind wirr glicklich in neues
Iahrr hineingefallen. Das heißt: nach europäischem
Kalenderr. Nach russischem Kalenderr fallen
wirr errst n ä ch siens hinein. Sind wirr nämlich
immerr vierzehn Tagge zurick, — bloß mit Sigges-
meldung wirr sind immerr vierzehn Tagge voraus.

Is sich Nikolaj Nikolajewitfch terr strenges
Feldherr: hat gesaggt zu Beamten: „Werr stiehlt,
wird gehenkt!" Hoffentlich stiehlt err bald selbst
was!

Is Krigg komisches Sach: Deutscher schrreit,
wenn vordrringt „Hurrah", russischer General-
stabb schreit, wenn davonläuft, „Sieg!" Habben
wirr neulich gemeldet „hundert Gefangene", abber
warren nicht Deutsche, sondern nurr Duma-
Mi t g l i d d e r. Wissen ibberhaupt nurr noch die
russischen Juden, wie Krigg eigentlich steht: so oft
Pogrom is, habben wirr widder einmal „gesiggt."
Habben wirr eingeladden als Zuschauer zu Po-
grom Mister Grey und Poincars, daniit sie sehen,
wie sie unterstitzen durch Bindnis die Kulturr.
Sind abber nicht gekommen, — kommt Eng-
länder ibberhaupt nie, wenn man auf ihn
wartet.

Brudderherz, strebbt Nikolaj nicht nurr nach
Zarenkrone, sonderen auch nach Sultanswirde;
eignet err sich serr fürr Harem, versteht err das
Verschleiern ausgezeichnet. Abber wehrt sich
Türke: empfiehlt sich nicht auf englisch, drickt sich
nicht sranzeesisch, redet deutsch mit uns! Is nix
mit Bosporußland! Wie ist das: Türke hat
den Koran, und wirr machen die Sprüche?

Habb ich gelesen Taggesbefehl von Ioffre.
War groffartigger Vorstoß — geggen die Loggik.
Muß sein Mund sein die reinste Luftschffshalle.
Kann sich garr nicht genugg tun mit Siggen:
nimmt jedden Schützengrabbe» breimal, — dann
hat err genugg und läßt ihn widerr den Deutschen.
Hat die Marne bestiegen, hat die Vogesen auf
Flößen ibberquert, kurz: siegt wie gedruckt!

Gute Nacht, Brudderherz! Bin ich mied!
Gute Nacht! Kann ich beruhigt schlaffen Schlaf
des Gerechten: unsriger Unterosfizirr wird mich
schon wecken, wenn Zeit is zum Ibbergebben.
Grüß nurr Gurkhas, Indier, Turkos, grüß mirr
alle, bloß nicht die Engländer,

und sei selbst gegrißt von Deinigem
Wladimir Lausikoff, offensiver Flichtling.

Karl cli en

A. Schmidhammer

Die

russische Niederlage und die Verbündeten

„Tcr NikoUstcwillch macht »ns kolossale Arbeit,
Jolm! Eh' wir vas wieder in einen.Sieg' umgc-
modclt haben l"

„Iwan Jwanowitsch, HimmclKund vcrfluch-
tcr!" fuhr der Zar seinen lbetbkosaken an.
„warum kommt meine russische Dampf-
walze nid)t vorwärts?"

„Majestät werden wohl nicht genügend ge-
schmiert baden", meinte Iwan, der „den
Rummel" kennt.

-i-

Erwartung

Sie liegen oben fest in Flandern,

Sie sind gebannt an einen Ort,

Und an Marschieren und an Wandern
Denkt niemand von den Kämpfern dort.

Allein das wird jetzt anders werden!

Ganz Frankreich spitzt gespannt das Ohr,
Und alle Sterblichen auf Erden,

Die stecken jäh ihr Haupt empor.

Vom Meer bis zu den Alpenfirnen
Steht in Erwartung jedermann,

Und auf den fernsten Fixgestirnen
Hält man erregt den Atem all.

Wie alle Telegraphen melden,

Begab zur Front gar hoch geehrt,

Sich jetzt der herrlichste der Helden,
Beppino Garibaldi, — hört!

l'rido

*

Der Schlaumeier!

Der Lehrer bespricht mit den Schülern die Räu-
mung Belgrads. Alle sind etwas traurig; nur
einer macht eine lustige Uliene. Der Lehrer fragt:
„wie kannst du da fröhlich sein?" Schüler: „weil
wir dann noch einmal frei bekommen, wenn es
wieder eingenommen wird."

*

franjöfiTcbe Heldentaten

Wieder hat ein französisches Kriegsgericht in
Reims gefangene deutsche Krankenpfleger zu Ge-
fängnis verurteilt, weil sie — Leinenwäsche aus
einem Scl>rank genommen hatten, um Verwundete
zu verbinden.

Die Verurteilung unschuldiger gefangener Sani-
täter gehört nun einmal zum Kriegsprogramm
der „Grrrande Nation“ und entspricht deren
Begriffen von Ritterlichkeit und Menschlichkeit.
Sie wollen für das Gesindel von der Hetzpresse
jetzt schon Stoff schaffen zur künftigen Beschimp-
fung Deutschlands. Und sie werden, wenn die
deutschen Sanitäter, die sie zur Erhöhung ihrer
„Gloire“ fangen, kein Leinen und keinen Wein
für die Verwundeten „entwendet" haben, jene
halt wegen Diebstahls französischen Wassers, mit
mit dem sie die Schmachtenden tränkten, oder
wegen Atmens französischer Luft verurteilen.

So lange wirs uns gefallen lassen!

Herr Karl Spitteler wird auch das vollkommen
in Ordnung finden, denn die Gemeinheit geschieht
ja — deutschen Mördern!

— O

— o
Register
[nicht signierter Beitrag]: Der Schlaumeier!
Sassafrass: Hilf, Jeanne d'Arc!
Plutarch [Pseud.]: Der neue Plutarch
Monogrammist Frosch: Der neue Plutarch
-o-: Französische Heldentaten
-o-: Wieder Einer!
Frido: Erwartung
Karlchen: Kriegsberichte
 
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