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Arühkingsgkauöe

Nur nicht verzagt und nicht geflennt,
Wenn's Herz auch in der Brust Euch brennt!

Laßt stehn am Wege, wer da greint.

Doch drauf und dran jetzt auf den Feind!

So gut, wie er, verstehn wir's auch!

Bon Mann und Pferd der letzte Hauch

Ist noch nicht nötig! Vorderhand
Sind Stich und Trumpf in unsrer Hand!

Millionen stehn zu grimmem Gruß
2m Heimatland, Gewehr bei Fuß.

Und wenn der Feind den letzten Mann
Herbeischleppt, fangen wir erst an!

Drum nicht so ängstlich rumgeschluckt,

Und schwarz gesehn und schwarz gespuckt!

Wenn wiederum der Lenz ist da,

So schießen wir Viktoria!

Graf Löwenstein

(Gmunden i. Ober Österreich)

Dorfzeilen in Rriegszeiren

Von Max Iungnickel

Der Wintermond Kriecht übers Armenhaus und
verzaubert den schmutzigen Entenpfuhl im Hofe in
einen blanken, funkelnden Silberspiegel. Flim-
mernde Nebel webt er durch die Sparren des
großen Leiterwagens. Und für die Sense, die am
Futterschuppen hängt, holt er aus der Arbeits-
flube des Teufels das Grauen. Dann wird er-
müde, zieht eine weiche Wolkendecke übers Gesicht
und schläft ein Weilchen.

Beim Scheine einer zitternden, schläfrigen Stall-
laterne schreibt im Armenhause eine kleine Mäd-
chenhand auf eine Schiefertafel: „Alle Jahre wieder
kommt das Christuskind."

Nach einer Weile werden im Rechenbuche die
Zahlen müde. Die schönen Sprüche in der Bibel
werden schläfrig. Die Lieder im Gesangbuch nicken
ein. Und die Stalllaterne verlöscht. Zwei Holz-
pantoffeln werden in die Ecke gestellt. Zwei nackte
Füße schleichen vor ein wackliges Bett. Der Stroh-
sack knistert. Nun ist alles ruhig.

Die Weihnachtszeile auf der Schiefertafel aber
fängt all zu schimmern und zu lächeln und zu
singen. Sie stellt um das alte Armenhausbett
vier große Lilien. Sie weckt den Mond. Der
taumelt silberklingend in die Armenhausstübe. Und
sie ruft den Wind. Der wirft die wurmstichige
Armenhaustür in den Erlenbufch. Aber die Weih-
nachtszeile zaubert dafür eine Tür aus Rosen
und ulacht einen Riegel daran aus Vergißmeinnicht.
„Alle — Jahre — wieder — kommt — das —
Christuskind."

* *

Znl Gutshalls klingt's bei Wein und Schinken
und guten Zigarren: „Za, morgen Abend muß
auch der Lehrer in den Krieg."

Zn der Schenke klillgt's bei Kartenspiel und
schlechten Zigarren und Bier und einem alten,
zerkauten Nachtwächterbart: „Io. dr Kaiser, unser
Wilhelm, der holt sich jeden. Morsen muß o dr
Kanter dran jloben. 's hilft äm nischt. Mir missen
alle weg."

Zn der Spinnstube klingt's, bei hurtigen Mäd-
chenhänden und knisternden Reisigruten! „Nu
Hamm mer boole keen Schullehrer mehr. Morchen
muß e fort. Alles jeht in Kriech, zu juterletzt
sin alle Männer weg. Dailll Hamm mer jor keen
mehr." t Und das klingt so vorwurfsvoll.

Eiil junges Mädchen, hübsch, mit dicken Zöpfen
und großeil Augen, klopft iloch spät bei der Groß-
mutter vom Galgenmüller an. Die Alte kaml
richtig weissagen. Das Mädchen fragt schüchtern:
..Großmutter, kannst Du mir sageil. wie lange

Landwohi'nuums Grab UnteroiT. Col. Max

in Flandern Scliw. Munit.-Kolonne

5egen5hort

Ziel Halme wehen so froh im Zeld
Und sterben all, wenn die 5enle fällt,

8ie leben weiter als nährenä Brot
Und fördern Leben und lindern Not.

Ziel Bäume rauschen so frisch im Wald
Und sterben all, wenn die Jtyt erschallt,
8ie leben weiter als warme 6lut
Und hauchen Leben in frierend Blut.

Ziel Krieger wandern auf Feindesland,
Und sinken hin in der 5chlachten Brand,
Sic leben in Deutschlands Herzen fort
Rls kräftefchenkender 8egenshort
Und stählen noch Gnkel mit ihrem Blut
Zu schlichter Treue und tapfrem Mut.

ßbrirtine von Winkler

unser Kantor noch leben wird?" Die Alte streicht
eine schneeschlohweiße Haarsträhne, die ihr ino
Gesicht gefallen ist, in ihr buntes Kopftuch zurück,
mischt die Kartell und sagt: „Unser Lehrer wird
so lange leben, bis aus dem Mühlstein ein Wein-
stock wächst."

Sie haben ihil ja alle so lieb, den Herrn Lehrer
mit dem trauten Dorfkindergemüt.

* * *

Die Engel im Himmel haben nichts zu tun.

Uiil Mitternacht fängt's an zu schnein und zu
schnein.

Der liebe Gott will nänllich das ganze Dorf
in eine weiße Schachtel packen. Die will er dann
unternl Arm nehnlen uni will sie von den Engeln
wieder auspacken lassen, damit die ein bißchen
Arbeit bekommen.

Herr Cyprian, der Dorfmusiker, der auch int
Armenhause wohnt, wankt aus denl Hause des
Dorfschulzen. Seine Nase glüht im Mondenschein.
Zil seiner Manteltasche wackelt eine Flasche und
ein Stück Geburtstagskuchen. Der Dorfschulze
hat nämlich mit Kuchen und Musik Geburtstag
gefeiert. Auf denl Rücken des Herrn Cyprian

hängt die große Pauke. Der kleine Junge vom
Schulzeil macht einen großen Schneeball, drückt
ihn recht hart und schmeißt mit aller Kraft beit
Schneeball an die Pauke des Herrn Cyprian.
Das ganze Dorf brunlNlt.

— — — Brunlinm — mm! —

Herr Cyprian verliert vor Schreck das Gleich'
gewicht und schreit: „De Russell fin do! Kinner!
Kinner! Zch kann nid) mehr uff! Zch kann nid)
mehr uff! Hat dersch jehert! Enne Kannone!
De Russen sin do!"

Anl andern Morgen, um zehil Uhr. silld die
kleinsten Schulkinder in der Klasse. Sie lacheil
und erzählen sid) wunderlidie Sachen vom Kriege.
Die kleine, frierende Bettel-Christel sieht sid) ihre
Schiefertafel ail. Der Sdinee hat die schimmernde
Weihnadstszeile ausgelöscht. Die nassen, blonben
Haarsträhne hängen über die Tafel. Ratlos, voll
weinender Lieblichkeit, wandern zwei blaue Augen
ill der Sdiule umher.

Der Lehrer kommt. Man sieht es ihm nicht
an. daß er in den Krieg muß. Er sieht sogar sehr-
lustig aus. Da steht die kleine Else vom Guts-
herrn auf, geht ail den Klasseiltisd) und gibt dein
Lehrer ein paar warine Kniewärmer. Seiferts
Wilhelm geht and) vor und gibt dem Lehrer zwei
dicke Schladtwürste. Und das geht die ganze Klasse
durch bis auf die kleine Bettel-Christel. Die bringt
ein Stück Geburtstagskuchen, das ihr Herr Cyp-
rian. der Dorfmusiker, gesdienkt hat.

Die Stimme des Lehrers ist ganz weich ge-
worden. Er fragt: „Aber warum schenkt Ihr
mir deml das alles?"

„Weil de in Kriech mußt," sagt die eine.

„Daß de nich frierst," sagt der aildere.

„Daß de de Russell recht verdreschen kailllst,"
sagt wieder eine.

Verlegen und rot und ganz leise sagt das
kleine Bettelmädchen: „Weil — de — so e —
liewer — Lehrer — bist."

* * *

Auf dem Klassentisch liegt ein ganzer Berg
voll Gaben. Die liegen so gleichgültig da. Die
kleine Bettelmädchen-Antwort singt um die Bücher
des Lehrers, kriecht ill seine Geige, tanzt um
sein Tintenfaß und legt sid) zärtlich in sein Schul-
lehrerherz und singt dort drin und lad)t dort drill
und macht das Herz ganz warm.

Der Kantor steht auf und streidielt zärtlich
über das nasse Bettelmädchenhaar. Und nun
weiß er, daß er all diese Gabeil auf dem Tische,
vergessen wird. Nur das eine wird er nicht ver-
gesseil: „Weil — de — so e — liewer — Leh-
rer — bist."

Der Küster läutet.

Langsam wird die Klasse leer.

* * *

Am Abend, mit den ersten Sterilen, ist der
Lehrer zur Bahn gegangen. Irgendwohin, nach
Frailkreid) oder nad) Rußland, id) weiß es nicht.

Nächlliche 5ahrt

Zon seinem Thron rih er sid) weg,

Lrzengel Michael, und wart sid) in die

8chwingen.

Die Zedern sträuben sid), es klingen
Die hartgetrolfnen Lütte. „Ruf den Tieg,"
5o rutt's ihm nach, „wird did) die

äehnluchl bringen."

Dann strich er durch die siebenfache Dacht,
Bald ausgespannt wie eine Möve sd)webend.
)n dichten 8töhen bald zum Ziele strebend,
Bald willenlos der 8d)were dargebrad)t
Gerefften ?lügelschlags den tiefen Baum erlebend.

Die 8terne ttanden lid)1los um ihn her,

Der selber schien zu stehn im weiterrasen,
Register
Colombo (Columbus Josef) Max: Landwehrmanns Grab In Flandern
Christine v. Winkler: Segenshort
Graf Löwenstein: Frühlingsglaube
Julius Zerzer: Nächtliche Fahrt
Max Jungnickel: Dorfzeilen in Kriegszeiten
 
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