Dank
für einen Fliederstock von Freundeshand
Ein Fliederstock in vollem Schmuck
Und weissem Doldensegen
Gab mir nach dumpfem Winterdruck
Frohheimlich Herzerregen.
Viel duftige Kelchlein läuten mir
In leisen Feiertönen,
Sie läuten und bedeuten mir
Ein lieblich Weltversöhnen:
„Lausch auf den reinen Geisterklang
In Erdenlärm und -Wüten,
Ein Himmel lebt — o sei nicht bang! —
Der Dichtung Licht zu hüten.
Ein Himmel lebt im Schönheitssinn
Werkfreudiger Gefährten,
Sie tragen durch den Hass dahin
Die Botschaft der Verklärten.
Sie tragen durch den Rauch und Brand
Zermalmender Gewalten
Den Stern der Menschheit in das Land
Unsterblicher Gestalten.
Das ist der stille Geisterzug,
Der deinen Weg umzittert.
Und ob die Faust der Zeit dich schlug.
Dich aufhebt unerschüttert."
So klingt ein zart und stark Geläut
Hier aus den Fliedertrauben,
Das Herz sich alter Hoffnung freut
Und glüht in neuem Glauben.
Die Kunst, die wahr um Liebe wirbt.
Braucht nimmer zu verzichten.
Durch Treue, die im Sturm nicht stirbt.
Wird sie ihr Reich errichten.
KARL HENCKELL
mit utigeblenbet wachsamem Blicke das ganze
Schachbrett beherrscht. -
Scheut man sich. Hindenburg ohne weiteres
neben Napoleon zu stellen, so bezieht sich diese
Scheu nur auf das Quantitative, da er vorerst
nur einen Feldzug leitete, jedoch von allergrößten
Dimensionen, und qualitativ warf noch Keiner
solche Massen (in der ersten Masurenschlacht etwa
250000) mit so zermalmender Wucht hin und
her. Die Mantua- und Regensburgmanöver Na-
poleons. denen die gewaltige Kriegshandlung vom
23. August bis 14. September gleicht, verblassen
daneben.
Daß Deutschland in seiner höchsten Not gleich
einen solchen Kolossus hervorbrachte in Gestalt
eines gütigen, wohlwollenden, gottgläubigen alten
Herrn, das erfüllt die Seele eines echten Deut-
schen, der auch die seelischen Laste» seiner Nation
kennt, mit Begeisterung und mit Dank für die
utierforschlichen Machte, die es doch mit uns ab-
sonderlich gut meinen. Der Ewig Gerechte, der
„Herrgott von Dennewitz", der Allmächtige und
Allweise, hat keine Launen. Er selber ist die
unerbittliche lohnende und strafende Kausalität
und reinen Zufall gibt es nicht. Wer weiß, ob
nicht noch andere inartikulierte unb unberufene
Hindenburgs in unserer großen Rasse schlum-
niern! Zoffre und Kitchener sind in ihrer Weise
tüchtige Leute, ihr Feldherrnruhm ist aber bloße
Legende, gar nichts dahinter, und wenn Groß-
fürst Nikolaus den Krieg mit dem Naturinstinkt
eines Dschengis-Chan führt, so tritt ihni die über-
legene deutsche Geistigkeit entgegen, die Gott
allein die Ehre gibt. So dachten Cromwell und
Bisnmrck, so Napoleon, er nannte es ,Schick-
sale Als der große Hindenburg nach deui größten
Tannenbergsieg Gott in der Kirche dankte, da
rauschte es in den Lüften : Deutschland über Alles!
Die ewige Fat)rt
Bon Erich Sieghaft
Der Krieg war für mich ein großes Wan-
dern. Wie ein Zigeuner zog id) von einem zum
andern Orte, nionatelang wohnte ich in einem
Bauernwagen, sah kein Dach über mir. Zm Flug
glitten Dorf und Stadt, Berg und Fluß vorbei
und ich war schon wieder weit, weit fort, ehe es
mir zur Besinnung kam.
* * *
Es war auf der Eisenbahnfahrt nach Galizien,
jener einzigen und unvergeßlichen, nie wieder-
kehrenden Fahrt durch Ungarn, im August bei
Sotmenglut und strahlendem Himmel, dieser Fahrt
durch die unernießliche Pußta in ihrer ewigeti
Einsamkeit.
Zelj weiß nicht mehr, durch welche Orte wir
kamen, durch welche unzähligen Stationen, die
oft nur aus dem Bahngebäude selbst bestanden.
Wir waren in Komorn, sahen die Festung
von feine und aßen zu Mittag, danti gingen
wir zum Zug, der noch lange zu warten hatte.
Zn der Nähe drei Zigeuner in Infanteristen-
uniform. Aber die Geigen hatten sie behalten
und den Kontrabaß. Wir winkten ihnen und
sie spielten — spielten bis der Zug wegfuhr ins
blaue Unbekannte. Was sitid doch diese Zigeuner
für Menschen! Da stehen drei, bloß drei, mit
alten, zerflickten Geigen und spielen dir die Seele
in dunkle Träume und wühlen alles in dir auf,
Trauer uud Jubel, wildes Rasen und siegendeti
Heldenmut.
Und so ging's nun fort. Auf der kleinsten
Haltestelle wurde der Zug von be» schwebenden,
zitternden Klängen der Zigeunerkapellen empfan-
gen, Blumen und Obst ward uns zugeworfen,
eljen a haza-9ütfe.
An eines kann ich mich tioch lebhaft erinnern:
da hielten wir in einer winzigen Station. Die
Zigeuner spielten, ergreifender als sonst, wollte
es mich dünken, eine unendliche Wehniut taute wie Tränen aus den Geigen
und zitternden Zimbalfaiten, in denen der Pußtawind schläft. Die Kinder
balgten sich uni die Zigaretten, die wir hinabwarfen, die Frauen und Mädchen
scherzten und lachteir Aber vor dem Bahnhofgebäude laß anr Boden ein
uraltes, gebücktes Weib, den Kopf gesenkt, die runzeligen braunen Hände uni
die Knie gelegt. Saß rmbeweglich und starr, teilnahmslos. Was kümnierle
sie »och diese Welt, in der jeßt Krieg ist? Was kümmert sie Lachen utid
Weinen der Geigen, was Tollen und Scherzen der Kinder? Das war für
die Urmutter dort längst vorbei! — Weiter rückwärts, an den Zaun des
Im eroberten Kohlen-Revier
Constantin Meunier f
Ltationsgartens gelehnt, stand ein junges, schönes Zigeunerweib, den Kopf
in die Arme gepreßt, und weinte, weinte, daß es den üppigschnreidigen
Körper durchschütterte.
Und während das klagende Steppenlied in wilde, rasende Tanzrhythmik
ausartet, während der Csardas wie schäumender Wein aus übervollen Krügen
stürzt und sich in rasenden Taumel überschlägt, kein Halten und Ziel mehr
kennt, kauert die Uralte reglos im Sonnenbrand und starrt vor sich hin ins
Nichts, weint das junge Weib am Gartenzaun, und der Zug rollt langsam,
wie ein Traum, in die flimniernde müde Pußta hinein.
Wenn die Nacht gekommen war, dann wurde es noch märchenhafter.
Uber der Pußta lag leichter Monddunst und Schinuner, die Sümpfe glitzerten
bleich herüber, dann kam die Station, Lichter, Masken, Blumen, Zigeune-
rinnen, rasender Csardas, imb wir waren wieder weit fort.
Damals trank ich das schäumende Leben in vollen Zügen und wußte
nicht, ob ich wieder heimkehren werde.
In der sinkenden Dämmerung eines heißen Nachmittags war es, als
sich unsere Bahnfahrt dem Ziel näherte. Stundenlang vorher spürten wir
für einen Fliederstock von Freundeshand
Ein Fliederstock in vollem Schmuck
Und weissem Doldensegen
Gab mir nach dumpfem Winterdruck
Frohheimlich Herzerregen.
Viel duftige Kelchlein läuten mir
In leisen Feiertönen,
Sie läuten und bedeuten mir
Ein lieblich Weltversöhnen:
„Lausch auf den reinen Geisterklang
In Erdenlärm und -Wüten,
Ein Himmel lebt — o sei nicht bang! —
Der Dichtung Licht zu hüten.
Ein Himmel lebt im Schönheitssinn
Werkfreudiger Gefährten,
Sie tragen durch den Hass dahin
Die Botschaft der Verklärten.
Sie tragen durch den Rauch und Brand
Zermalmender Gewalten
Den Stern der Menschheit in das Land
Unsterblicher Gestalten.
Das ist der stille Geisterzug,
Der deinen Weg umzittert.
Und ob die Faust der Zeit dich schlug.
Dich aufhebt unerschüttert."
So klingt ein zart und stark Geläut
Hier aus den Fliedertrauben,
Das Herz sich alter Hoffnung freut
Und glüht in neuem Glauben.
Die Kunst, die wahr um Liebe wirbt.
Braucht nimmer zu verzichten.
Durch Treue, die im Sturm nicht stirbt.
Wird sie ihr Reich errichten.
KARL HENCKELL
mit utigeblenbet wachsamem Blicke das ganze
Schachbrett beherrscht. -
Scheut man sich. Hindenburg ohne weiteres
neben Napoleon zu stellen, so bezieht sich diese
Scheu nur auf das Quantitative, da er vorerst
nur einen Feldzug leitete, jedoch von allergrößten
Dimensionen, und qualitativ warf noch Keiner
solche Massen (in der ersten Masurenschlacht etwa
250000) mit so zermalmender Wucht hin und
her. Die Mantua- und Regensburgmanöver Na-
poleons. denen die gewaltige Kriegshandlung vom
23. August bis 14. September gleicht, verblassen
daneben.
Daß Deutschland in seiner höchsten Not gleich
einen solchen Kolossus hervorbrachte in Gestalt
eines gütigen, wohlwollenden, gottgläubigen alten
Herrn, das erfüllt die Seele eines echten Deut-
schen, der auch die seelischen Laste» seiner Nation
kennt, mit Begeisterung und mit Dank für die
utierforschlichen Machte, die es doch mit uns ab-
sonderlich gut meinen. Der Ewig Gerechte, der
„Herrgott von Dennewitz", der Allmächtige und
Allweise, hat keine Launen. Er selber ist die
unerbittliche lohnende und strafende Kausalität
und reinen Zufall gibt es nicht. Wer weiß, ob
nicht noch andere inartikulierte unb unberufene
Hindenburgs in unserer großen Rasse schlum-
niern! Zoffre und Kitchener sind in ihrer Weise
tüchtige Leute, ihr Feldherrnruhm ist aber bloße
Legende, gar nichts dahinter, und wenn Groß-
fürst Nikolaus den Krieg mit dem Naturinstinkt
eines Dschengis-Chan führt, so tritt ihni die über-
legene deutsche Geistigkeit entgegen, die Gott
allein die Ehre gibt. So dachten Cromwell und
Bisnmrck, so Napoleon, er nannte es ,Schick-
sale Als der große Hindenburg nach deui größten
Tannenbergsieg Gott in der Kirche dankte, da
rauschte es in den Lüften : Deutschland über Alles!
Die ewige Fat)rt
Bon Erich Sieghaft
Der Krieg war für mich ein großes Wan-
dern. Wie ein Zigeuner zog id) von einem zum
andern Orte, nionatelang wohnte ich in einem
Bauernwagen, sah kein Dach über mir. Zm Flug
glitten Dorf und Stadt, Berg und Fluß vorbei
und ich war schon wieder weit, weit fort, ehe es
mir zur Besinnung kam.
* * *
Es war auf der Eisenbahnfahrt nach Galizien,
jener einzigen und unvergeßlichen, nie wieder-
kehrenden Fahrt durch Ungarn, im August bei
Sotmenglut und strahlendem Himmel, dieser Fahrt
durch die unernießliche Pußta in ihrer ewigeti
Einsamkeit.
Zelj weiß nicht mehr, durch welche Orte wir
kamen, durch welche unzähligen Stationen, die
oft nur aus dem Bahngebäude selbst bestanden.
Wir waren in Komorn, sahen die Festung
von feine und aßen zu Mittag, danti gingen
wir zum Zug, der noch lange zu warten hatte.
Zn der Nähe drei Zigeuner in Infanteristen-
uniform. Aber die Geigen hatten sie behalten
und den Kontrabaß. Wir winkten ihnen und
sie spielten — spielten bis der Zug wegfuhr ins
blaue Unbekannte. Was sitid doch diese Zigeuner
für Menschen! Da stehen drei, bloß drei, mit
alten, zerflickten Geigen und spielen dir die Seele
in dunkle Träume und wühlen alles in dir auf,
Trauer uud Jubel, wildes Rasen und siegendeti
Heldenmut.
Und so ging's nun fort. Auf der kleinsten
Haltestelle wurde der Zug von be» schwebenden,
zitternden Klängen der Zigeunerkapellen empfan-
gen, Blumen und Obst ward uns zugeworfen,
eljen a haza-9ütfe.
An eines kann ich mich tioch lebhaft erinnern:
da hielten wir in einer winzigen Station. Die
Zigeuner spielten, ergreifender als sonst, wollte
es mich dünken, eine unendliche Wehniut taute wie Tränen aus den Geigen
und zitternden Zimbalfaiten, in denen der Pußtawind schläft. Die Kinder
balgten sich uni die Zigaretten, die wir hinabwarfen, die Frauen und Mädchen
scherzten und lachteir Aber vor dem Bahnhofgebäude laß anr Boden ein
uraltes, gebücktes Weib, den Kopf gesenkt, die runzeligen braunen Hände uni
die Knie gelegt. Saß rmbeweglich und starr, teilnahmslos. Was kümnierle
sie »och diese Welt, in der jeßt Krieg ist? Was kümmert sie Lachen utid
Weinen der Geigen, was Tollen und Scherzen der Kinder? Das war für
die Urmutter dort längst vorbei! — Weiter rückwärts, an den Zaun des
Im eroberten Kohlen-Revier
Constantin Meunier f
Ltationsgartens gelehnt, stand ein junges, schönes Zigeunerweib, den Kopf
in die Arme gepreßt, und weinte, weinte, daß es den üppigschnreidigen
Körper durchschütterte.
Und während das klagende Steppenlied in wilde, rasende Tanzrhythmik
ausartet, während der Csardas wie schäumender Wein aus übervollen Krügen
stürzt und sich in rasenden Taumel überschlägt, kein Halten und Ziel mehr
kennt, kauert die Uralte reglos im Sonnenbrand und starrt vor sich hin ins
Nichts, weint das junge Weib am Gartenzaun, und der Zug rollt langsam,
wie ein Traum, in die flimniernde müde Pußta hinein.
Wenn die Nacht gekommen war, dann wurde es noch märchenhafter.
Uber der Pußta lag leichter Monddunst und Schinuner, die Sümpfe glitzerten
bleich herüber, dann kam die Station, Lichter, Masken, Blumen, Zigeune-
rinnen, rasender Csardas, imb wir waren wieder weit fort.
Damals trank ich das schäumende Leben in vollen Zügen und wußte
nicht, ob ich wieder heimkehren werde.
In der sinkenden Dämmerung eines heißen Nachmittags war es, als
sich unsere Bahnfahrt dem Ziel näherte. Stundenlang vorher spürten wir