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heit vergangener Tage wiedergefundcn
zu haben und rief, kaum das; er in seine
Wohnung zuruckgekehrt war, nach
Grabmeier, deni Hauszerberus. Wenn
er diesmal nichi käme, dann wollte er
ihm schon zeigen, wer hier ....

Doch als Grabmeier dann kam, ward
jäh der militärische Geist in Fittich leben-
dig, und er stand stramm . . . obwohl
er, wie stets nach dem Dienst, den Cut-
away angezogen hatte. Grabmeier aber
trug das feldgraue Ehrengewand, und
Helm und Gurt waren ihm mit Elstern
geschmückt. Und er stellte sich vor den
andern und hielt eine Rede:

„Ich wollte Eahna nur sag’n, daß
heint bei der Nacht ausgruckt wird,

Mann! Und wann's Eahna interes-
siert, so mögen ö’ wissen, daß i mi'
freiwillig nausgmeld' Hab. . . . Mir is
dös nämli z' dumm, mit am Balerlands-
verteidinga wie Eahna unter oam Dach
z' wohnen. Reißen 8’ si’ doch a bisserl
z'samm und werd'n S' no' a g'scheiter
Soldat! Vorderhand san S' nämli no’
a Jammerlappen, a miserabliger. Dös
Hab i Eahna no' sag'n mög’n, bevor
daß i ausruck. Und nacha geh i jetzt!"

Nicht sehr gescheit sah der Fittich
aus, als er hinter der geschlossenen
Flurtür allein geblieben war. Langsam
ging er, schweren Blutes, in sein Arbeits-
zimmer. Erfroren war ihm seine Über-
legenheit. Er fingerte in den Zeitungen,
die alle, auf seinem Schreibtisch gehäuft,

„unterm Strich" voti feiner Kriegsbe-
geisterung und seinem literarischen Hel-
dentum erfüllt waren. Und als er die Überschriften
seiner Artikel sah: „Die große Zeit" und „Die
schwere Zeit" und „Die ernste Zeit", da formten
seine Lippen, in jäh gewonnener Erkenntnis, fast
erstaunt, die trockenen Worte:

„Za, wir leben in einer ernsten Zeit . . . ."

Liebe Jugenci!

Zwei Austauschverwundete waren nach mebr
als einjähriger Abwesenheit aus Rußland in die
pcimat zurückgekehrt. In Leipzig tremiteti sich
ihre Wege. Der eine wollte nach Bayern, der
andere nach einem Vorort von Leipzig. Die beiden
tranken am Bahnhof noch einen Abschiedsschoppen,
— bis zur Abfahrt des bayrischen Zuges war noch
Zeit, — und sprachen com gemeinsam durchlebten
Leid. Der Bayer wollte seinen Kameraden noch
zu einem neuen Glase einladen, der aber erwiderte:

„Deirer Griechsgenosse. nu hört der Schbas uff.
Ich muß pinktlich zum Abendbrods daheeme sein,
mei Alde is' nämlich sehre borschtig."

Sah nach der Uhr und verschwand.

„Utaria Stuart" bei Reinhardt, 4. Aufzug,
U- Szene.

Elisabeth hat das Urteil unterzeichnet inid nach
Davison geklingelt. Nun, ehe der Schreiber cin-
tritt, ist sie nach vorn rechts geeilt, wo neben dem
Kamin ihr Betpult steht, und scheint eifrig im
Brevier zu blättern.

Da ertönt im Parkett die Stimme eines Feld
grauen, der, so deutlich wie man es wahrscheinlich
im Schützengraben tun muß, seinem Nachbarn
zuflüsteit:

„Komisch, erst klingelt se, und dann schaut
se im Tclexhonbuch nach?"

Der (Urkauöer am Fakrikkor

Ach, ich habe doch vermutet,

Daß um sechs Uhr die Sirene tutet,

Und ich habe mich gesputet,

Um zu rechter Zeit bei euch zu sein —

Mädchen kommen her in Hellen Reih'n,

Lebhaft schwankt der Busen
In den dünnen Blusen,

Und die Wangen glüh'n wie Wein.

Der Fabrik massives Tor,

Das euch heimwärts läßt
Für des Abends kargen Rest,

Kommt mir wie ein Unhold vor.

Doch ihr geht so froh und leicht,

Mit den pänden nach den Schatten schlagend
Und ein stolzes Lachen wagend,

Daß der Spuk entseelt von hinnen weicht.

Blätter streut auf euren put
Sanft der mütterliche Wind,

Und die hohen Pappeln sind
Brüderlich zu euch und gut.

Schwach in euren Ghren dröhnt
Nock das harte pämmern der Maschinen,

Denen ihr am Tag müßt dienen —

Doch ihr seid mit eurem Los versöhnt!

Und ich schau die frohe Schar
An als ein Soldat,

Der vorm Feind gelegen hat
Länger als ein ganzes Jahr.

„Liebt — ja, liebt mich, und die Welt ist mein —,"
Donk ich schier erschrocken,

Meine Pulse stocken,

Und ich möcht' vor Freude schrein!

Ach, ich habe doch vermutet,

Daß um sechs Uhr die Sirene tutet,

Und ich habe mich gesputet,

Um zu rechter Zeit bei euch zu sein! ,

Hans Harbeck (im Felde)

Oer Manäerer

Von Ulbert von rürentini (Wien)

Um zwei Uhr war Thomas bei der
Isidorkapelle, um drei Uhr bei de»
Höfen, die schon ganz oben auf den,
Rücken des heimatlichen Bergs standen,
und als es drüben in Faragutt vier
Uhr schlug, schritt er, plötzlich noch un-
geduldiger, als bisher, und in einer herz-
beklemmenden Spannung, die er ver-
gebens belächelte, den vollkommen ver-
lassenen Weg am toten See entlang in
den Wald hinein, der hinter diesem See
sich aufbaute.

3» sieben Jahren hatte der Bauer
von Weida gewiß Zeit gehabt, den
Föhrenwald auf der Kuppe hinter die-
sem Wald zu schlagen! dachte Thomas
und rannte. Ganz gewiß!

Aber, siehe da . . . der Föhren-
wald auf der Kuppe stand noch! Und
als Thomas das sah, flog er wie ge-
stochen aufwärts, durch Wachholder,
Heide und Bärlapp, suchte mit Augen,
die in einer ungeheuren Sammlung
funkelten, nach allen Seiten, — und
stand mit einemmal wie gelähmt, stille:
da war der Bannt, an dessen Stamm
sich Sibylle gelehnt hatte, als sic von
einander Abschied nahmen, heute vor
sieben Jahren!

Seit jenem Tag war er in der
Frenide gewesen!

Unbeweglich, völlig unbeweglich
stand er »uit vor dem Baum; besah
ihn, als ob ei» Grab unter ihm wäre;
besah den Boden, dieseit unsäglich
stummen Boden des Herbstes; blickte
den Wald durch nach allen Richtungen
in das Blaugrünblau des sinkenden
Frühnovembertags; und dann empor in den ge-
bärdelosen, bleichen Himmel, — und mit diesem
Blick in diesen Himmel erstand wie auf eilten
Schlag jene Szene wieder, zwischen ihn, und
Sibylle, heute vor sieben Jahren.

Sie hatten sich, auf diesem Fleck, genau aus
diese,» Fleck, nach einem Sommer, der sie nach
Jahren unentschlossenen Sichsuchens einander in
die Arme getrieben hatte, wieder geküßt, tausend-
inal, immer gebender, immer nehmender; waren,
seligkeitsversunken, aneinandergehangen, in den
einander beschwörenden Augen die Glut ihrer ver-
wandten Seelen, in den gedankenlosen Lippen die
ihrer verwandten Geblüte, — plötzlich aber hatte
sich Thomas von Sibylle losgerissen, sich vor sie
hingestellt, und gesagt: „Sibylle, werde meine

Frau!"

Diese Frage war aus den, eutuervendeu Krampf
seiner durch hundert schlaflose Nächte gehetzten Ge-
danken gesprungen. Er empfand sich befreit, als
sie nun ausgesprochen war.

Sibylle hatte nicht geantwortet. Aber wie vor
einer heiß gefürchteten, jedoch jetzt nicht mehr er-
warteten Gefahr das Gesicht gesenkt.

„Sibylle, werde meine Frau!" hatte er darauf-
hin nocheinma! gefragt.

And da, nach einer Pause, die schon ein Nein
war, und die ihm sagte, wie recht er getan, wenn
er von Anfang an Furcht vor dieser süßen Sibylle
gehabt, hatte sich Sibylle, mit einem ungeheuren
Schmerz im weihen Antlitz, mit einer unendlichen
Liebe in den traurig gesenkten Hände», um jenen
Schritt, der sie von einander trennte, ihn, genähert
und gesagt: „Ich wage es nicht!"

„Warum nicht?"

Er erinnerte sich daran, jetzt, während er un
beweglich dastand und schaute, und so genau, als
ob er sieben Jahre lang au nichts anderes als
an diese Szene gedacht hätte, daß alles, was sie
in ihr einander gesagt hatten, aus plötzlich zer-
rissenen Brüsten, aus plötzlich in namenlos un-
sichere Zukunft schauenden Augen einander gesagt
hatten, stoßweise, zwischen Seligkeit und Tränen,
Wildheit und Sanftmut. —

K. Kost

Ein Scharfer

„. . . Und Maderln, sag i Dir, gibt » da droben i» Flandern —
i bin unbedingt für d' Annexion!"
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[nicht signierter Beitrag]: Liebe Jugend!
Hans Harbeck: Der Urlauber am Fabriktor
Albert v. Trentini: Der Wanderer
Richard Rost: Ein Scharfer
 
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