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Unsere Hausmusik

Paul Segieth (Bayr. Inf.-Regt.)

zerrten, sondern ihrer jngendfrischen Kruftentfal-
tung dienten!

Mein Molerfreund unterbrach erst sein Be-
niiihen, mir jetzt „das Allerschönste zu zeigen",
als seine Frau, über sein schwerfälliges Begriffs-
verniögen belästigt, auslachte: „Hör doch aus!"
Nun sah er mich drollig von der Seite an, und
alle lachten ein glückliches Lachen, weil sie mich
ertappt hatten.

Auch Thea stimmte hell und unbefangen ein.
lind der reiche Strom ließ seine kleinen Silber-
wellen hüpfen und teilte einen solch leuchtenden
Überfluß aus, daß wir uns von Helligkeit gerade-
zu überschüttet und gebadet fühlten. Und das
ganze Fest war Thea geschenkt, damit sie es
gebe, wem sie wolle.

Ich spürte bis in die Fingerspitzen eine
prickelnde Ungeduld. Heut fiel die Entscheidung
über meine Zukunst, ob etwas wunderbar Neues
in niein Leben »och eintrete und es seiner Er-
füllung entgegenwallen lasse wie den Strom, der
uns trug. Der Wald drüben am untern Ufer
bauschte sich in rotgoldnen Polstern und schrie
in lauiloser Lust. Alles fügte sick, wie cs mußte,
unter einem leisen, leisen Zauberstab. Selbst

wenn ich mich gegen diese gebieterische Erkenntnis
mit Vernunftgründen hätte wehren wollen, hätte
ich nichts gegen die Macht der Stunde vermocht.
Ich wollte aber gar nicht.

Als wir landeten, hatten mein Malerfreund
und seine Frau doch nicht die besonderen all-
täglicken Folgen der Kriegszeit in der Heimat
vergessen. Sie wollten einen leeren Milchtopf
auf einem nahen Gutshof füllen lassen

„Wir überlassen euch eurem Schicksal," lächelte
die Gütige. „Ihr werdet euch gewiß langweilen."

Jetzt saß die Iunqschöne auf dem Teppich
einer grünen Wiese, lichtblond das reiche Haar;
wie Sonnengold floß das seidene Gewand um
ihre schlanken Glieder, deren Weiß die zurück-
sallenden Ärmel enthüllten. Weiß und lichtgold
war sie wie hinter ihr die Birkengruppe.

Als wir allein waren, Huben wir an zu
schweigen und mit plötzlich erwecktem Eifer das
vernachlässigte Bilderbuch unserer Gastfreunde zu
beschauen. Denn Thea wagte ich zuerst nicht an-
zublicken. Man hat doch so vielem hier draußen
kaltblütig ins Auge geschaut und hal's gekonnt.
Der Tod gar war mit seinem Zähnegeklapper
uns zur alltäglichen Grimasse geworden und

konnte uns nicht mehr zum Augen-Niederschlagen
zwingen. Aber dies junge werdende Weib zwang
mir mühelos die Scheu des Unterlegenen auf.
Nicht, daß Thea im mindesten kokettiert hätte.
Bo» ihr ging eine unerhört sieghafte und dabei
kindliche Selbstverständlichkeit aus, daß es ihr
natürliches Recht sei, so unwiderstehlich zu sein.

Wenn ich sie jetzt anblickte und dabei ihrem
Auge begegnete, war id) wehrlos gefangen. Denn
mein Blick hätte ihr alles verraten. Sie schien
aber die völlig Unbefangene zu sein, während
ich mühsam, mit eingezwängter Stimme, ein gleich-
giltiges oder überflüssiges Gespräch führte, wie
schön der Tag und wie lieb „Professors" seien.

Derweil hatte sie begonnen, aus dem Gras
gelbe und rote Blätter aufzunehnien, wie sie dem
goldnen Überfluß des Herbstes entfallen waren.
Und während ich mich dem letzten Entweder —
Oder gegenüber fand, fädelte sie mit flinken
weißen Fingern einen bunten Kranz.

Ich weiß nicht, wie in mir plötzlich ein häß-
liches Mißtrauen aufstieg, sie wisse es längst,
was sie über uiich vermöge, »iid fädele niich ein
wie das biegsame Laub. Aus unbekannter Tiefe
stieg in mir ein Trotz auf. Ich wurde einsilbig

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Paul Segieth: Unsere Hausmusik
 
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