Nächtliche Scheinwerfer in Flandern
Erlebnis
Einsam stand noch ein Bannt im öden Land,
Das, wilkzerwühlt, kaum seine Wurzeln hielt;
Er aber, angeklammert, und wie schmerzdurchfühlt,
Mit letztem Atem lebenskampsend, stand 1
Und jeden Abend hat ein Rot gespielt
Um seinen Leib, wie Abschiednehmen.
Er aber stand! — und wehrte sich! — und stand!
Wann willst du, Kämpfer, dich zur Ruh bequemen
Entsagend nicht! und müde nicht! nein trinkend
Zum letzten Mal die Schauern deines Seins,
Als Sieger sterbend — als Fanale sinkend,
Im roten Glanz des Opferfeuerscheins . ..
Geh heim. Einsamer! stolzer ist's: zu sterben
In Wirbelglut — denn zitternd zu verderben!
Geh heim! bleib du!
Und schanderheulend ritt der Tod ihn an.
Es barst das Land. Die Hölle span»
Den Einsamen in ihre Schrecken ein.
Da reckt er sich »och einmal. In den Zweigen
Ich hab's gehört! — klang Siegerlachen . . .
Er fiel! doch noch im letzten Niedernetgen,
Fast schon verschlungen von dem Höllenrachei,
Ward er noch einmal stolzer Flammenscheu', ^
Verging in Glut uud Trotz, verging: "> ecm’
Im Sterben noch von wilder Lnst durchbe t.
Das war das Schönste, das ich je erlebt.
4- flfnvvittth
Glockenseesen
Von Joseph Ai, Metzler
Jeder Dreikäsehoch weiß, das; die kleinen
Kinder in eine», groben Teiche iin ftimmd wohnen,
bevor sie der Storch bringt. Oft sprechen die
Glocken helljubelnd, oft tiefklagend zu den Men-
schen, Das weiß auch jeder. Woher die Glocken
aber ihre Seelen, ihr Leben habe», darnach hat
noch keiner gefragt.
Die kleine» Glockenseelen sind ebenfalls im
Himmel zu Hause. So oft ein kunstreicher Gießer
eine neue Glocke formt, schickt der liebe Gott so
ein klingendes singendes Seelchen auf die Erde,
auf daß es die Glocke belebe.
Einmal trug sich eine wunderliche Geschichle
zu. Die schlechten Menschen hatten den lieben
Gott just wieder einmal recht gründlich geärgert
und er “■"* >>'»eii dafür mit einem heftigen
Colombo Josef Max (im Felde)
in seinem eigenen Herzen beginnt heller zu singen
und zu klingen. — Auf das heinilirl>e Läuten in
seinem Immer» klang die Glocke in des Freundes
Brust mit. Jede einzelne Glockcnseele ist nämlich
ans einen ganz gewissen Ton abgestimmt und nut
genau gleiche Töne br.ngen sich zum Mitklingen.
So gehen die Menschen suchend, irrend durrl, die
Welt. Das G.öcklein eines jeden ruht. Meist
öd und leer alles. — Es sind alles frenrde Töne
ringsuni. — Manchmal ein greller Mißklang
manchmal verwandtere Klänge, eine Terz, eine
Quinte, eine Oktave; wohlklingende Akkorde,
Septime, Kontrapunkt, Dar und Moll, Dissonan-
zen. Manchmal — doch das sind ganz seltene
Fälle — kliiigt sogar ebenderselbe Ton wider:
Dann haben sich zwei treue Freunde gefunden
oder ein Paar in wahrer, echter Liebe ....
wieder einmal rcaji yumw.», ..
„nd er war ihnen dafür mit einem heftigen
Donnerweiter darein gefahren. Eben hatte er
sich langsam beruhigt — noch eine» bunte» Regen-
bogen gespannt — und, nur mehr unverständlich
in seinen großen, weißen Goltvalerbart hinein
brummend, schlafen gelegt.
Kling! — klang! — klungl —klong! — tönte
es nebenan hoch und tief, hell und dumpf durch-
einander. Die Glockenseelche» waren unten und
brachten mit ihrem fröhlichen Spektakel den lieben
Gott neuerdings ans der kaum gefundenen Ruhe.
„Potz. Blitz! ich kann doch nicht im Himmel
selbst auch noch ein Donnerwetter loslassen!" rief
der geplagte Schöpfer und er tat mit der Faust
eine» kräftigen Stoß an die Slubenwand der
Glockenseelchen. Da rissen die Wolken ausei-
nander — kopfüber und kopfuuter purzelten die
Glockenseelche» auf die Erde herab — und fuhren
schnurstracks in die Menschen hinein.
Das gab sonderbare Menschen. Und keiner
wußte vom andern, daß er eine Glockcnseele habe!
Geht da einer seines Weges — er merkt gar
nichts I Mischt sich unter andere Menschen —
merkt noch niä,ts. Er kommt zu einem Dritten —
horäpf—ein lieblicher Klang tönt ihm aus des an-
<■. >>»d mirli die verborgene Glocke
Es ist sä>on lange, lange her, daß sich diese
Gesäiichte mit dem lieben Gott und den kleinen
Glockenseelche» im Himmel zugeiragen hat, und
doch spukt es noch immer in den Menschen, sei es
nun Vererbung oder wie man es sonst nennen mag.
Daheim habe ich eine Bildermuppe. Innige
altdeutsche Meister, glühende Spanier, sinnlich-
sromme Italiener, leichtlebig-kokette Rokoko-
Franzosen , blutrünstige Märtyrer- und wilde
Schlachtenbilder, pompöse Barockmaler, Ludwig
Richter nebst dem gemütlich-deutschen Humor
Moritz v. Schwinds uud Spitzwegs, Peter Cor-
nelius, Hans Thoma, Defregger, Egger-Lienz —
wie cs gerade kommt. Auch Schund ist dabei;
recht elender, miserabler Schund.
Wenn mich jemand besucht, sehen wir zusammen
diese Bilder an. Und sprechen darüber. Nicht
jedem gefällt das gleiche. „Der Geschmack ist ver-
schieden" sagt man, und „es lasse sich darüber nicht
streiten". Nicht jede Glocke stimmt zur anderen,
mir gleich gestimmte klingen mit, nur ähnliche,
verwandle geben eine Harmonie. Ost klingen
sonderbare Akkorde, überraschende Dissonanzen ...
Meine Büderitiappe ließ mich oft einen tiefe-
ren Blick in die Seele des Nächste!' tun, als ich
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Erlebnis
Einsam stand noch ein Bannt im öden Land,
Das, wilkzerwühlt, kaum seine Wurzeln hielt;
Er aber, angeklammert, und wie schmerzdurchfühlt,
Mit letztem Atem lebenskampsend, stand 1
Und jeden Abend hat ein Rot gespielt
Um seinen Leib, wie Abschiednehmen.
Er aber stand! — und wehrte sich! — und stand!
Wann willst du, Kämpfer, dich zur Ruh bequemen
Entsagend nicht! und müde nicht! nein trinkend
Zum letzten Mal die Schauern deines Seins,
Als Sieger sterbend — als Fanale sinkend,
Im roten Glanz des Opferfeuerscheins . ..
Geh heim. Einsamer! stolzer ist's: zu sterben
In Wirbelglut — denn zitternd zu verderben!
Geh heim! bleib du!
Und schanderheulend ritt der Tod ihn an.
Es barst das Land. Die Hölle span»
Den Einsamen in ihre Schrecken ein.
Da reckt er sich »och einmal. In den Zweigen
Ich hab's gehört! — klang Siegerlachen . . .
Er fiel! doch noch im letzten Niedernetgen,
Fast schon verschlungen von dem Höllenrachei,
Ward er noch einmal stolzer Flammenscheu', ^
Verging in Glut uud Trotz, verging: "> ecm’
Im Sterben noch von wilder Lnst durchbe t.
Das war das Schönste, das ich je erlebt.
4- flfnvvittth
Glockenseesen
Von Joseph Ai, Metzler
Jeder Dreikäsehoch weiß, das; die kleinen
Kinder in eine», groben Teiche iin ftimmd wohnen,
bevor sie der Storch bringt. Oft sprechen die
Glocken helljubelnd, oft tiefklagend zu den Men-
schen, Das weiß auch jeder. Woher die Glocken
aber ihre Seelen, ihr Leben habe», darnach hat
noch keiner gefragt.
Die kleine» Glockenseelen sind ebenfalls im
Himmel zu Hause. So oft ein kunstreicher Gießer
eine neue Glocke formt, schickt der liebe Gott so
ein klingendes singendes Seelchen auf die Erde,
auf daß es die Glocke belebe.
Einmal trug sich eine wunderliche Geschichle
zu. Die schlechten Menschen hatten den lieben
Gott just wieder einmal recht gründlich geärgert
und er “■"* >>'»eii dafür mit einem heftigen
Colombo Josef Max (im Felde)
in seinem eigenen Herzen beginnt heller zu singen
und zu klingen. — Auf das heinilirl>e Läuten in
seinem Immer» klang die Glocke in des Freundes
Brust mit. Jede einzelne Glockcnseele ist nämlich
ans einen ganz gewissen Ton abgestimmt und nut
genau gleiche Töne br.ngen sich zum Mitklingen.
So gehen die Menschen suchend, irrend durrl, die
Welt. Das G.öcklein eines jeden ruht. Meist
öd und leer alles. — Es sind alles frenrde Töne
ringsuni. — Manchmal ein greller Mißklang
manchmal verwandtere Klänge, eine Terz, eine
Quinte, eine Oktave; wohlklingende Akkorde,
Septime, Kontrapunkt, Dar und Moll, Dissonan-
zen. Manchmal — doch das sind ganz seltene
Fälle — kliiigt sogar ebenderselbe Ton wider:
Dann haben sich zwei treue Freunde gefunden
oder ein Paar in wahrer, echter Liebe ....
wieder einmal rcaji yumw.», ..
„nd er war ihnen dafür mit einem heftigen
Donnerweiter darein gefahren. Eben hatte er
sich langsam beruhigt — noch eine» bunte» Regen-
bogen gespannt — und, nur mehr unverständlich
in seinen großen, weißen Goltvalerbart hinein
brummend, schlafen gelegt.
Kling! — klang! — klungl —klong! — tönte
es nebenan hoch und tief, hell und dumpf durch-
einander. Die Glockenseelche» waren unten und
brachten mit ihrem fröhlichen Spektakel den lieben
Gott neuerdings ans der kaum gefundenen Ruhe.
„Potz. Blitz! ich kann doch nicht im Himmel
selbst auch noch ein Donnerwetter loslassen!" rief
der geplagte Schöpfer und er tat mit der Faust
eine» kräftigen Stoß an die Slubenwand der
Glockenseelchen. Da rissen die Wolken ausei-
nander — kopfüber und kopfuuter purzelten die
Glockenseelche» auf die Erde herab — und fuhren
schnurstracks in die Menschen hinein.
Das gab sonderbare Menschen. Und keiner
wußte vom andern, daß er eine Glockcnseele habe!
Geht da einer seines Weges — er merkt gar
nichts I Mischt sich unter andere Menschen —
merkt noch niä,ts. Er kommt zu einem Dritten —
horäpf—ein lieblicher Klang tönt ihm aus des an-
<■. >>»d mirli die verborgene Glocke
Es ist sä>on lange, lange her, daß sich diese
Gesäiichte mit dem lieben Gott und den kleinen
Glockenseelche» im Himmel zugeiragen hat, und
doch spukt es noch immer in den Menschen, sei es
nun Vererbung oder wie man es sonst nennen mag.
Daheim habe ich eine Bildermuppe. Innige
altdeutsche Meister, glühende Spanier, sinnlich-
sromme Italiener, leichtlebig-kokette Rokoko-
Franzosen , blutrünstige Märtyrer- und wilde
Schlachtenbilder, pompöse Barockmaler, Ludwig
Richter nebst dem gemütlich-deutschen Humor
Moritz v. Schwinds uud Spitzwegs, Peter Cor-
nelius, Hans Thoma, Defregger, Egger-Lienz —
wie cs gerade kommt. Auch Schund ist dabei;
recht elender, miserabler Schund.
Wenn mich jemand besucht, sehen wir zusammen
diese Bilder an. Und sprechen darüber. Nicht
jedem gefällt das gleiche. „Der Geschmack ist ver-
schieden" sagt man, und „es lasse sich darüber nicht
streiten". Nicht jede Glocke stimmt zur anderen,
mir gleich gestimmte klingen mit, nur ähnliche,
verwandle geben eine Harmonie. Ost klingen
sonderbare Akkorde, überraschende Dissonanzen ...
Meine Büderitiappe ließ mich oft einen tiefe-
ren Blick in die Seele des Nächste!' tun, als ich
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