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einmal notwendig wäre, um selber so eine Sau..,
gesetzt den Fall natürlich ... daß man überhaupt
eine hätte...

„Wia lang habts jelz die gfüttert?", fragte er
plötzlich so mitten aus seinem Gedanken heraus.

Der Alberer zählte es an den Fingern ab.
„Wia lang, sagst? - No, auf Ostern Ham nürs
eingstellt. Dees is also «mal: April—Mai—Juni
—Juli—August. No ja. Der April grnd halbert
— und der August grab halbert. — Nachher
sands vier Monat so beiläufi."

„Donnerwetter!"

Der Herr Sekretär war verblüfft!

„Was! bloß vier Monat?! — Ja — die wiegt
aber dorlz gut ihre anderthalb Zentner?"

„Freist wiegts dees! Muaß s' ja wiegn, bal
s' gsund is!", meinte sein Schwager, der Weber.

Und der Alberer sagte: „Mei, ma' muaß halt
auf a vier bis fünf Sau im Fahr trachten: oane
sticht ma z' Ostern, oane nach der Amt, oane
oder zwoa am Kirta — und oane z' Weihnachten.
Ma' muaf; halt allemal glei wieder wissen, wo
ma Fakerl herkriagt."

Nun wurde die Sau gcpuht und gewaschen,
aufgehangen und ausgenommen.

Der Herr Sekretär sah mit fieberhaftem Inter-
esse zu.

Zn seinem Hirn aber bildete sich langsam eine
Idee, — ein Plan, — und wurde fest und fester,
bis er zur eisenharten Absicht reifte: „Ein Schwein
muß her! — Gleich auf der Stell!"

Und der Weber bestärkte ihn norl) darin.

„Verstehst, Frißl, alleweil a Kraut und Erd-
äpfel und dazu« gar nia an Brocka Fleisch —
dccs is loadi'. A Fleisch ghört her."

Weiß der Teufel! Sein Schwager hatte rcd)t!

Aber — was würde die Frau Sekretärin
dazu sagen? — Sie, die geborene Adele Schön-
haupt, gewesene Kammerfrau bei Exzellenzen und
gräflichen Familien! —

Doch Frau Adele zerstreute jedes Bedenken —
sie wollte.

Na also.

Und so bekamen Müllers ihr Schweinchen.

Es war ein ganz ansehnliches Ferkel, kugel-
rund und zeckerlfett und dazu ganz rosig vom
Rüssel bis zum Schwänzlein; etwa fünfunddreißig
Pfund schwer und zu den schönsten Hoffnungen
berechtigend.

Herr Müller holte es selber aus dem Verschlag
des Bauern, fleckte es in de» Eierkorb der Weberin
und schwang sich beglückt auf sein Rad, von Stolz
erfüllt wie ein ostelbischer Junker.

Freilich wurde schon eine ziemliche Hetzjagd
aus dieser Fahrt, denn der Sekretär hatte in
seiner Besitzesfreude vergessen, de» Korbdeckel gut
zu verschließen; und so tat das Schweinchen plötz-
liri) — schwupp — einen Satz, — das Rad ver-
lor die Richtung, und auf ja und »ein lag er
im Straßengraben.

Als erstes erholte sich das Ferkel.

Es schlüpfte aus dem Korb, stieß einen ver-
wunderten Laut aus und lief davon, immer den
Straßengraben entlang, den Sekretär schier zur
Salzsäule erstarrt hinter sich lassend.

Doch nicht lange spielte dieser die Rolle von
Lots Weib: er erkannte richtig die Gefahr des
Augenblicks und war alsbald hinter dem Flücht-
ling her, wie der Scherge hinter dem Dieb.

Ja ja. Bon der Bosheit mancher Tiere kann
man des öfter» lesen: von Affen zum Beispiel —
oder von Eseln...

Aber daß ein junges Schwein...

Herr Müller konnte kaum mehr.

Und er hätte sicherlich nie mehr sagen können :
mein Schwein, wenn nicht zum Glück eine
Horde Bauernbuben gekommen wären, die es
einstngen. —

Also. Müllers hatten doch ihr Schwein.

Und sie brachten es zur Stadt — in ihr
Heim, — mit Zermonien und Umständlichkeiten,
als wür's ein Erbprinz oder Thronfolger.

Freilich war nun die Geschichte nicht mehr so
einfach; denn erstens ist eine vornehm ausgestattete
Dreizimmerwohnung kein Scliweinestall, — und

V. Güttner

So ’n Windhund!

wenn mir 's Herrle erst wieder da war' aus 'm Uriegl
Die Gnädige inacht mich ganz mefchnggeN

— und wollen sie Fleisch, so stechen sie sich ein
Schwein! — Aber unsereiner . ."

Der Herr Sekretär blies ein paar dichte Rauch-
wolken in die Luft und streifte gedankenvoll seine
Zigarre in das Strickkörbchen seiner Frau.

„Freist ham sie's guat, unserne Bauern,"
meinte er; „aber, wenn maus richtig betracht'»,
könntcns ja mir aa ein bißl besser Halm! — Ver-
steh'» sollt man's halt, versteh'» ..."

Seine Frau nickte.

„Und am Land leben sollte man, Fritz, weißtDu,
und selber sollte man eben solche Dingelchen haben!"

„Was für Dingelchen?"

Der Herr Sekretär fragte es ein wenig nervös.

„Nun — so ein Schweinchen vielleicht... und
ein paar Hühner..."

„Ja no. Freist waar dees recht! — Aber bei
uns — da drinn — in der Stadt — über drei
Stieg»..."

Ein langgezogener Schrei durchschnitt in diesem
Augenblick die Stille des Nachmittags: gleich
darauf ein zweiter — und ein dritter.

Damast) wurde wieder alles ruhig.

Die Frau Sekretär seufzte abermals.

„Nun hat er's wohl...", sagte sic und machte
die Bewegung des Gurgelabschneidens; „Nun
hat's wohl ausgeschrieen..."

„Wahrscheinli," meinte er; „Wahrscheinli hat's
auspfiffen."

Er blätterte ein wenig in der Zeitung herum.

„Wannst halt Du aa oane waarst!" fuhr's
ihm dann plötzlich heraus; „wann ma Di aa z»
was brauch« kunnt! — Nachher wllßt' i schon ...
was i lat...!"

Und damit stand er mit einem Ruck auf und
ging hinüber zum Alberer, wo eben die Bäuerin
und die Dirn einen Zuber kochenden Wassers
nach der Tenne schleppten.

Da drinnen stand der Weber mit dem Albc-
rer vor einem Tisch, darauf die tote Sau lag,
sie bestreuten das ganze Vieh mit gestoßenem Schü-
sterpech und warfen es darnach in die Brotteig-
mulde, wo es aufgebrüht und mit Stricken ab-
gerieben wurde.

Der Herr Sekretär kam näher.

„Aha, seid's scho bei der Arbat?!"

„Wern ma's glei hab'n," erwiderte ihm der
'Alberer.

Und der Weber fügte bei: „Da is nix dahinter.
Da stich i Dir alle Tag zehne ab, wenn's sei muaß!"

Sein Schwager, der Herr Sekretär lachte.

„Ja no. Du konnst hall umgeh' mit so was.—"

Im Stillen aber prüfte er seine Kräfte und
das Maß seiner Kaltblütigkeit, welches vielleicht
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Vittorio Güttner: So'n Windhund!
 
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