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Der Bauer

Vor seinem Haus am Abend,

Allein, ein harter Mann,

Sieht er, am Krug sich labend.

Die frühen Felder an.

Er läßt an seiner Linken,

Nach Bauern-Brauch und -Recht,
Den breiten Denk-Reif blinken,

Aus Silber, alt und echt.

Zwei rote in der Mitten,

Zwei grüne nebenan.

Hat auch ihr Glanz gelitten.

Vier Steine schimmern dran.

Und zwischen zweien roten
Ein HangschloJ?, fein und klein, —
Ein Herzsehlol? seiner Toten.

Das trägt zwei Schlüsselein.

Das eine führt die kalte.

Das andre seine Hand, —

Ins ^Veite blickt der Alte,

Ins dunkle Saatenland.

Oswald Schmidt

Das Schweinchen

Herr und Frau Sekretär Müller saßen auf dem
Lande, oder — besser gesagt — in der Sommerfrische.

Denn wegen der paar Wochen Urlaub, die man als
Gerichtssekrctär zu genießen das Vergnügen hatte, konnte
man sich doch nicht die Umstände machen, richtig auf's
Land zu gehen, etwa so wie die Familie des Herrn
Präsidenten oder des Regierungsrats!

Da ging man eben nur ein wenig in die Sommer-
frische: und zwar trat; des geringschätzigen Lächelns der
Frau Funktionär und der Frau Kanzleirat bloß nach
Sindelhofen in Bayern.

Allerdings hätte die Frau Sekretär Müller lieber
den Nachbarsort Schönau gewählt, schon des mannig-
fachen Vorkommens dieses Namens halber. Denn: wem
braucht man cs auf die Nase zu binden, ob man in
Schönau bei Wien, — bei Linz, — bei Berchtesgaden
oder bloß bei Sindelhofen in der Sommerfrische war!

Doll> Herr Müller entschied sich für Sindelhofen.
Zwar durfte nieniand den eigentlichen Grund dieses
Wahlergebnisses erfahren, daß nämlich eine Schwester
des Herrn Sekretärs in Sindelhofen an einen armseligen
Hauslmann und Leinweber verheiratet war: aber der
und die Notwendigkeit, sein durch nicht allzureichliche
Stadtkost ziemlich unscheinbar gewordenes Ich bei Kühen
und Schweinen, Hühnern und Tauben wieder ein wenig
auf die normale Friedenshöhe zu bringen, niachten den
Aufenthalt ,n einem solll,en Bauernnest ganz hinten in
irgend einem Winkel Bayerns entschuldbar'und begreiflich
in den Augen aller, die da glaubten, ein Recht zu haben
die Gewohnheiten ihres lieben Nächsten zu bekritteln —
Also, Müllers waren in der Sommerfrische beim
Weber in Sindelhofen. -

Und sie saßen gemütlich unter einem schattigen Apfel-
baum, hatten eben den Nachmittagskaffee getrunken,
die letzten Kriegsberichte und die Stadtneuigkeiten gelesen
und sahen zufrieden und behaglich blinzelnd hinein in
den warmen Spütsommertag.

Da kam die kleine Tochter der Weberin, nahm das
Geschirr vom Tisch und sagte: „Heut sticht der Bata
drei Süu ab: beim Alberer oane, beim Karpfinger oane
und bei der Riedlin oane. Da kriagn mir nachher überall
a Fleisch und a Wurscht." —

Natürlich!

Die Frau Sekretär seufzte.

„Ja, ja, - die Bauern!-Die haben s halt gut! —
W«m sie gern Küchlein essen, fahren sie in die Mühle
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Max Hagen: Die Schnitterin
Lena Christ: Das Schweinchen
Oswald Schmidt: Der Bauer
 
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