Faun und Nymphe
Albert von Keller (München)
wußten, dich die Wunderkur schon im besten
Gang war.
Nach cittifler Zeit kam der Zauberer Käscbicr
mit dem Anton wieder zum Vorschein. Anton
rieb sich seinen Allerwertesten, sodast die Eltern
annehmen mußten, der böse Geist sei wohl an
dieser Stelle von ihm gewichen. Der Zauberer
sagte sodann zu dem Herrn Oberamtsrichter:
„Wertgeschätzter Herr Kollege, ich ersuche Sie er-
gebenst, mir den Anton noch auf eine kleine
Stunde anzuvcrtrauen. Ich will noch ein wenig
mit ihm lustwandeln und ihm mancherlei Dinge
zeigen, die ihm nützlich sein können." Hierauf
nahm er den Anton an der Hand und ging mit
ihm vor die Stadt. Sie wunderten zusammen
in den Wald auf Wegen, die der brave Anton
früher noch niemals betreten hatte. Immer tiefer
und dunkler wurde das Gehölz, die Bäume
standen immer dichter, oftmals hinderte das Ge-
büsch ihren Schritt, sodaß sie nur mit Mühe
und Anstrengung vorwärts kamen. Endlich ge-
langten sie an ein sonderbares Haus mit ver-
gitterten Fenstern. Der Zauberer Käscbicr ließ
den Klopfer auf die eiscnbeschlagene Tür fallen,
worauf sofort im Innern eine alte Dame zu
schimpfen und ein Hund wütend zu bellen begann.
Der Schlüssel wurde gedreht, und die Tür öffnete
sich mit lautem Knarren und Quietschen. Zugleich
erschien auch ein altes Weib, das wahrhaft
scheußlich anzusehen war, denn cs hatte eine lange,
krumme Nase, auf der eine große haarige Warze
saß. „Guten Abend, gnädige Frau," sagte der
Zauberer. „Hier bringe ich dem Herrn Ober-
amtsrichter feinen Aelteften, der soll sich einmal
Ihre Menagerie ansehen und möchte einmal in
Ihren Zauberspiegel gucken. Komm her, Anton,
gib einmal die Hand. Die alte Tante ist die
Hexe Dementia praecox. Ein hübscher Name,
nicht?"
Anton bekam cs mit der Angst, als er die
harte, knochige Hand der Alten anfaßte und sie
ihn mit ihrem zahnlosen Mund angrinste. Wie
erstaunte er aber erst, als die Hexe einen Besen
zwischen ihre Beine nahm und darauf herum-
galoppierte, wie auf einem Reitpferd! Käsebier
und die Hexe unterhielten sich zunächst vom Wet-
ter, von den hohen Fleischpreisen, dem Kurs der
Kriegsanleihe und der Neuorientierung in der
Politik. Inzwischen hatte Anton die Gelegenheit,
sich in dem Zimmer der alten Dame umzusehen.
An den Wänden hingen grauenhafte Bilder von
Kubisten, sonderbares und krauses Gerät, Re-
torten und Kolben standen umher, an der Decke
baumelte ein ausgestopftcs junges Krokodil. Ein
mächtiger Ofctt mit schwarzem Rauchfang stand
in der Ecke des Zimmers. Ueberall saßen Bügel,
Raben, Elstern, Stare, die einen entsetzlichen
Lärm machten. Die Hexe öffnete nun eine Türe
und schob Anton in einen düsteren Gang. Da
es etwas sonderbar roch, prallte Anton zurück,
die Hexe aber drängte ihn vorwärts und redete
ihm zu, er solle nur keine Furcht haben, es ge-
schehe ihm nichts Böses. Anton, der sich nach
und nach von seinem Schrecken erholte, gewahrte
alsbald, daß er in einer langen, ausgedehnte»
Menagerie war. In Käfigen faßen oder standen
viele Tiere und zwar ohne Ausnahme solche, die
sich in der menschlichen Gesellschaft wegen ihrer
geistigen oder sittlichen Eigenschaften keines großen
Ansehens erfreuen. Da waren Esel, Kamele,
Ochsen, Kälber, Rhinozerosse, Schafe, Gänse,
Faultiere, Srl>wcine und Elfsen mit unappetitlichen
Hinterquartieren.
„Sich Dich gut um," sprach die Hexe zu An-
ton. „Das sind lauter Herrschaften, die in iljre-
übe
Albert von Keller (München)
wußten, dich die Wunderkur schon im besten
Gang war.
Nach cittifler Zeit kam der Zauberer Käscbicr
mit dem Anton wieder zum Vorschein. Anton
rieb sich seinen Allerwertesten, sodast die Eltern
annehmen mußten, der böse Geist sei wohl an
dieser Stelle von ihm gewichen. Der Zauberer
sagte sodann zu dem Herrn Oberamtsrichter:
„Wertgeschätzter Herr Kollege, ich ersuche Sie er-
gebenst, mir den Anton noch auf eine kleine
Stunde anzuvcrtrauen. Ich will noch ein wenig
mit ihm lustwandeln und ihm mancherlei Dinge
zeigen, die ihm nützlich sein können." Hierauf
nahm er den Anton an der Hand und ging mit
ihm vor die Stadt. Sie wunderten zusammen
in den Wald auf Wegen, die der brave Anton
früher noch niemals betreten hatte. Immer tiefer
und dunkler wurde das Gehölz, die Bäume
standen immer dichter, oftmals hinderte das Ge-
büsch ihren Schritt, sodaß sie nur mit Mühe
und Anstrengung vorwärts kamen. Endlich ge-
langten sie an ein sonderbares Haus mit ver-
gitterten Fenstern. Der Zauberer Käscbicr ließ
den Klopfer auf die eiscnbeschlagene Tür fallen,
worauf sofort im Innern eine alte Dame zu
schimpfen und ein Hund wütend zu bellen begann.
Der Schlüssel wurde gedreht, und die Tür öffnete
sich mit lautem Knarren und Quietschen. Zugleich
erschien auch ein altes Weib, das wahrhaft
scheußlich anzusehen war, denn cs hatte eine lange,
krumme Nase, auf der eine große haarige Warze
saß. „Guten Abend, gnädige Frau," sagte der
Zauberer. „Hier bringe ich dem Herrn Ober-
amtsrichter feinen Aelteften, der soll sich einmal
Ihre Menagerie ansehen und möchte einmal in
Ihren Zauberspiegel gucken. Komm her, Anton,
gib einmal die Hand. Die alte Tante ist die
Hexe Dementia praecox. Ein hübscher Name,
nicht?"
Anton bekam cs mit der Angst, als er die
harte, knochige Hand der Alten anfaßte und sie
ihn mit ihrem zahnlosen Mund angrinste. Wie
erstaunte er aber erst, als die Hexe einen Besen
zwischen ihre Beine nahm und darauf herum-
galoppierte, wie auf einem Reitpferd! Käsebier
und die Hexe unterhielten sich zunächst vom Wet-
ter, von den hohen Fleischpreisen, dem Kurs der
Kriegsanleihe und der Neuorientierung in der
Politik. Inzwischen hatte Anton die Gelegenheit,
sich in dem Zimmer der alten Dame umzusehen.
An den Wänden hingen grauenhafte Bilder von
Kubisten, sonderbares und krauses Gerät, Re-
torten und Kolben standen umher, an der Decke
baumelte ein ausgestopftcs junges Krokodil. Ein
mächtiger Ofctt mit schwarzem Rauchfang stand
in der Ecke des Zimmers. Ueberall saßen Bügel,
Raben, Elstern, Stare, die einen entsetzlichen
Lärm machten. Die Hexe öffnete nun eine Türe
und schob Anton in einen düsteren Gang. Da
es etwas sonderbar roch, prallte Anton zurück,
die Hexe aber drängte ihn vorwärts und redete
ihm zu, er solle nur keine Furcht haben, es ge-
schehe ihm nichts Böses. Anton, der sich nach
und nach von seinem Schrecken erholte, gewahrte
alsbald, daß er in einer langen, ausgedehnte»
Menagerie war. In Käfigen faßen oder standen
viele Tiere und zwar ohne Ausnahme solche, die
sich in der menschlichen Gesellschaft wegen ihrer
geistigen oder sittlichen Eigenschaften keines großen
Ansehens erfreuen. Da waren Esel, Kamele,
Ochsen, Kälber, Rhinozerosse, Schafe, Gänse,
Faultiere, Srl>wcine und Elfsen mit unappetitlichen
Hinterquartieren.
„Sich Dich gut um," sprach die Hexe zu An-
ton. „Das sind lauter Herrschaften, die in iljre-
übe