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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 23.1918, Band 1 (Nr. 1-26)

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Nr. 1
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https://doi.org/10.11588/diglit.4341#0025
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Die jungen Mädchen . . .

Die jungen Mädchen, die in diesen Jahren
Bor ihrer Blüte Maienwunder waren.

Wie tun mir, ach, die jungen Mädchen leid!
Sie wurden um ihr bestes Teil betrogen
Und ihre schönsten Hoffnungen verflogen
In einem Sturm von Bitterkeit und Leid.

Sie traten, aufgeschlossen allem Glücke,

Mit leichten Sohlen auf die Rosenbrücke,

Die aus der Kindheit nach der Jugend führt,
Und sahn die Liebe schon Herübergrützen
Und tausend Jünglinge zu ihren Füßen,

Die ihrer Schönheit Zauberstab berührt. . . .

Da fiel vor ihrem Blick mit einenr Male
Ein Blitz herab in grellem Feuerstrahle
Auf jenes andre, holde Uferland,

Und schweren Fußes statt dem leichten Glücke
Betrat der Krieg die rote Rosenbrücke
Und schritt hinüber, wo die Liebe stand.

Und mähte klirrend all die tausend Zungen
Mit ihrer Huld und ihren Huldigungen,

Mit ihrer Wählbarkeit und ihrer Wahl,

Und ließ die Mädchen statt durch Blumenbeete,
An Gräber wandern und durch Lazarete,

Und lächelte, daß er ihr Lächeln stahl.

Verlorne Frühlinge! Dem Glück verloren!
Denn keine Stunde wird zurückgeboren,

Die niedersank zum Ozean der Zeit.

Die jungen Mädchen, die in diesen Jahren
Bor ihrer Blüte Maienwunder waren,

Wie tun mir, ach, die jungen Mädchen leid!

A. I>e Aora



Russisch-Englische Freundschaft

Als an einem Novembernachmittage bei
einbrechender Dunkelheit an der Ostfront von
einer deutschen Pionierkompagnie die Ablö-
sung in die Stellung eingerückt war, erschie-
nen kurz darauf vor dem Drahtverhau drei
Russen und legten dort behutsam einen schwe-
ren, zugeschnürten Sack nieder. Sobald sie
sich wieder entfernt hatten, wurden vom
diensttuenden Pionicroffizier ein Unteroffizier
und zwei Mann vor das Verhau geschickt,
um den von den Russen dorthin gelegten Sack
abzuholen.

Indessen tauschten nun unsere wackeren
Pioniere ihre Meinungen aus, was Pnnje
Ruski ihnen wohl dorthin gelegt haben könnte?

Die einen meinten, es sei Dynamit in dein
Sacke, andere wieder glaubten wieder bei der
anwachsenden Verbrüderung sogar an Speck
oder sonstige Nahrungsmittel. Doch das Er-
staunen war groß, als im Graben der Pio-
niere der Sack geöffnet wurde und ein von
den Russen verbläuter, erbärmlich ausschauen-
der LnZlisbman ans Tageslicht gefördert
wurde. nr. K.

Das Album

Es ist nicht wahr, daß Lloyd George ein Mann
ohne Seele sei; im Gegenteil: er hat sogar ein
Poesiealbum, in das er sich von Freunden
und Bekannten Erinnerungsworte einschreiben
läßt. Wie die liebe Schuljugend, so bevorzugen
auch die Erwachsenen bei solchen Eintragungen
Sprichwörter und Zitate.

Wir sind in der Lage, einige Proben aus
Lloyd Georges Album mitzuteilen:

Der japanische Botschafter:

„Der Japs läßt sich entschuldigen; er kommt
nicht zu Schiff nach Frankreich!"

Sehr charmant verewigte sich Poinrare:
„Arm in Arm mit Dir . .. fällt selbst hinein."

Wilson schrieb:

„lind wer's erst zum Schuldner des

Pankees gebracht,
Der dient ihm als Leiter zur höchsten Macht."

Sehr überlegen, aber ein wenig zwei-
deutig k r i tz e l t e V i t t o r i o E m a n u e l e:
„Hindenburg ist ein Schlagwort!"

Und schniunzelnd trug Lenin ein:

„Wenn Zwei Frieden machen, ärgert sich der
Dritte!" Kartellen



Liebe Lugend!

Ich liege im Zimmer bei offnen, Fenster,
das nach dem kjofe geht, plötzlich höre ich den
immer ängstlicher werdenden Ruf: „Marthel, ®)
Marthel! — kn epp mir mal die bjosen uff!" —
Immerzu — und jetzt in den Tönen allerhöchster

Not: „Marthel! — Marthel!-" Ruhe —

doch dann mit fast tränenerstickter Stimme ganz
ruhig, nichts weiter als: „Na, siehste."

*) sprich Mattll.

Richard Rost

Der Optimist

„Heut mag i scho' glef gor net recht anfanga;
bat derweil der Friede» kam', na hält i d' Arbal
umasunst »'macht I"

Winterntt durch Flandern

Ich reite durch Wiesen und Wasser
Und Knirschenden Morgenreif.

Von Osten begrüßt mich ein blasser,
Verschlafener Sonnenstreif.

Es tauchen auf träumenden Matten
Durch brauenden Nebelflor
Gespenstisch wie spukende Schatten
Entblätterte Weiden empor.

Es wirbelt der Wind von Westen
In Hecke und Busch und Strauch.

Es weht aus den frierenden Asten
Wie eisiger Todeshauch.

Und krächzende Raben umschwirren
Uns beide, erstaunt und erschreckt.

Der Hufe lockendes Klirren
Hat jäh ihren Schlummer geweckt.

Und ferne Kanonen dröhnen

Wie brandende Meeresflut-

Ich höre die Erde stöhnen
In Weh und verbissener Wut:

Ich sehe sie barmen und lechzen
Nach Mitleid und Schonung und Ruh',

Ich fühle sie zittern und ächzen —

Und hungrige Raben krächzen
Ihr lüsternes Lied dazu! —

— Ich reite durch Wiesen und Wasser
Und knirschenden Morgenreif. —

O Krieg, du verderbender Hasser,

Was blickst du so grausam und steif?

O Krieg, du begehrliclier Prasser,

Wann bist du zur Reue reif? —

Ich reite durch Wiesen und Wasser:

Bon Osten begrüßt mich ein blasser,
Verheißender Sonnenstreif.

Rodericli l.ey

*

Die Eousine

(Es gibt noch immer Ahnungslose, vom
Geist der Zeit und dem, was er aufwühlt, Un-
berükrte.

Jüngst war ich auf der Durchreise in der
Residenz nach langer Zeit wieder einmal bei
meiner verheirateten Tousine zu Gaste. (Im
August batte ich meuchlings dazu über-
gehen wollen, sie fortan statt Tousine „Base"
anzureden. Doch sie hatte sich das arg gekränkt
verbeten. „Base" klinge so „ordinär" ..) wäh-
rend wir so vot, Familiendingen, vonAarloffeln,
Äriegsmus, Friedensaussichten und anderen
schönen Dingen sprachen, fiel mir auf, daß sie
ihr iweijähriges Töchterchen, das foi.ft auf öen
Namen Marie hörte, hartnäckig und mit einer
gewissen, betonten Absichtlickkeit „Mirjam"
nannte, wobei sie stets ihr Gesicht in besonders
vornehme Falten legte.

Tin schrecklicher 'verdacht stieg in mir auf.
Endlich fragte ich sie, innerlich lauernd,
äußerlich mit vollendeter Unschuldsmiene, wes-
halb sie denn statt des aut dent ch-einqebürgerten
Namens Marie stets jene altbiblisch-hebräische
Namensform gebrauche?

Und nun kam's!

„kjebräisch? Altbiblisch?" meinte sie, etwas
gedehnt und unsicher nnd ein Schatten der
Enttäuschung hu'chte über ihr hübsches, aber
unbedeutendes Gesichtchen, „ach ... so ..! Aber,
weißt Du, „Mirjam" klingt doch viel besser...
so ... ich weiß nicht... eigentlich ... so ganz
wie amerikanisch ...!"

Da wandte sich der Gast mit Grausen und
brach alle diplomatischen Beziehungen zur
„Tousine" endgültig ab.
Index
Dr. K.: Russisch-englische Freundschaft
[nicht signierter Beitrag]: Liebe Jugend!
[nicht signierter Beitrag]: Die Cousine
Roderich Ley: Winterritt durch Flandern
A. De Nora: Die jungen Mädchen...
Richard Rost: Der Optimist
Karlchen: Das Album
 
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