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„Man nid) bange, Kleene, id; tu Dir idjoti
n.ifri)t. Steck Deine Blumen uff'n Stock, denn so
kannste anreichen!"

Sie schüttelte den Kopf.

„Na warum denn nich?"

„Denn wird der liebe Jesus bange,"

„Ach wat — fällt'n jar nid) in. Da merkt
der ja dod) nifdjt davon."

Sie stand unsd)Iüssig. Dann tat sie ein paar
Sd)ritte gegen den Liegenden.

„Du, Mann, rcid) ihn rauf!" bat sie und hielt
den Kranz hoch."

„Nee Du, wat zu viel is, !s zu viel! Det
kannste nid> von meinen Vater seinen Sohn oer-
langen. Id; lieg hier jrad zu scheeneken. Aber
wejcn weswejen soll denn dat Dings da ruff?"

„Mutter ist krank!" sagte die Kleine.

„Denn so müßt Ihr nad> 'n Doktor schicken,
un denn nad) 'r Aptheke, un denn Mild) un But-
ter un en Hähneken. Det hilft mehr als Dein
Kranz. Denn so soll se woll wieder werden."

Die Kleine stand trübselig vor dem Bildstock.

„Komm hier mal ran!" rief er.

Sie kam langsam naher. Ihre sdiönen, braunen
Augen waren feud>t. Er sah das Kind an und
wußte, daß es zu armen Leuten gehörte.

„Nu wer 'k Dir mal wat sagen. Wat kost't
en Liter Mild) bei Euren Bauern? En Groschen?"

Sie fdjiittcltc den Kopf.

„Na denn fufzehn Fennje?"

Sie bejahte.

„Nu sieh mal, weil 'k jcrade so jut bei Kasse
bin, un weil der Iinster so fdjccrt riecht, un die
janze Welt heut morjen iebcrhaupt wie 'n übcr-
jclaufcncr Honigpott is, so will 'k mal wat an-
wenden. Hier haste fufzehn Fennje. Na nimm
et man hin! So, un mt Holste Muttern en Liter
Mild). Der soll ihr woll jut tun, vastehste?"

Die Kleine nickte und trollte s!d> mit dem Gelbe
davon. Kehrte aber nod> einmal zu dem Mutter-
gottcsbilde zurück, schlug ihr Kreuzlein und ver-
suchte nod>mals, den Kranz hinaufzureichen. Es
gelang md)t. Da ging sie heimwärts.

„So wat!" brummte der Stromer. „Mit die
Bildung un Uffklärung is et hier nid) allzuweit
her, det ha' k schon lange jemerkt."

Dann streckte er sid> wieder aus. Seine Pfeife
war ausgegangen. Er lehnte firi) in den Ginster-
busch und kniff die Augen so weit zu, daß er
durd, den Wimpcrnfpalt nur nod) ein Wogen von
Gold und Blau spürte. Richtig Gold und Blau
wie an dem Bildstod; da drüben. In sdiönen
warmen Wellen floß es dahin — Gold und Bla»,
Blau und Gold. Bon dem goldenen Heiligen-
fd)ein und dem blauen Himmelshintergrunde schien
cs zu kommen. Da klang das Sumsen einer
Hummel wie Geläute. Oder
war cs die Turmuhr, die
unten im Städtd)en die Mit-
tagsstunde verkündete? Er
wollte lansdicn, war aber zu
faul dazu, viel zu faul. lind
der Ginster rod> zu herr-
lich süß.

Selbst der Wind hielt
den 'fitem an »nd kostete
die Süße der Blüten, fiel
müde am Waldsaume nie-
der und entschlief. Die Blu-
men standen aufred)t, öffne-
ten die Kcld)e breit und
strömten allen Duft aus,
den sie besaßen.

llnd plötzlich war eine
zarte Bewegung in dem
Duft, ein Wiegen in den
stäubenden Blütengräsern.

Ein zarter Sdiritt kam in
die Wiese. Ein Kinder-
stimmlcin jauchzte fein und
silbern darein. Die Mutter
Gottes stieg aus dem Bilde
hernieder, mitten zwisd)cn
roten Klee, blatte Glocken-
blumen und Skabiosen,
zwisd>en Vergißmeinnicht

Jane Gray

Als man ihr Englands Königskrone bot,
Erbleichte Lady Gray bis in den Tod.

Borahnend ihres Glückes Scheidefinnd,

Ihr Herz schlug sterbensmatt und todeStvunö.
Hoch sieht des Landes Adel um den Thron
lind schwört den LehenSeid. Wie blitt'ger Hohn
Gellt ihr des Volkes Jubelschrei ins Ohr,

Sein Beisalltoseu tönt wie Höllenchor:

„Heil Königin! Dich kurte unsre Wahl!"

„find Guilsord, meinen Gatten?" „Dein Gemahl
Kann fürder nur Vasall der Krone sein."

Der Lordprotektor spricht. Ihr Herz

schluchzt „Nein".

Vor ihren Augen ivallt und tvvgt es rot —

Im Wachkraum schaut sie, loag die Zukunft droht:
Ein Blutgerüste sieht sie schauernd ragen
Und Totenglocken hört sie wimmern — klagen —
Jiiöeß die Peers in feierlichem Reigen
Vor ihrem Hochsitz hösisch sich verneigen.

Das Zepter zuckt und zittert in der Hand
Der jungen Königin von Engelland.

2j,tt Tower tut sich auf ein Tor von Stein —
Dott mauern sie den Königsgatten ein,

Judeß auf ihres Prunkbetts kalter Pracht
Sein leiögekröutes Weib durchweint die Nacht.

Ziska Lilife Schember

und Blulnelken, Ehrenpreis, Löwenzahn und
Wud)crblumcn, Natternkopf und Königskerzen.
Golden leuditete der Heiligensd>ein in dem hohen
Grase. Sie legte das Knäblein mitten in die
Blumen, lind das griff eniziidü nad) red>ts und
links. lind die heilige Frau pflückte Blumen,
wand ein Kränzlein und wollte es dem Knäblein
auf das lockige Haupt drücken.

Da fuhr der Stromer in die Höhe. Ein Zucken
von Blau und Gold. Ein Schwanken in den
Gräsern. Hod) in der Sonne stand wieder die
Mutter Gottes und lächelte süß auf ihren Jesus-
Knaben herab.

Der Stromer blickte verstört um sid). Ein
leiser Klang lag in seinem Ohre, als wenn ein
Fingerknöchcl gegen eine Goldsd)eibe klingt. War

das der Heiligensd>ein? Nein, es war gewiß die
Ilhr im Städtchen, die just eins gcsdilagcn hatte.
Aber — immerhin — war sie nicht eben auf der
Wiese gewesen, hatte dem Kinde ein Kränzlein
gewttndeti? Er fuhr sid) durd) die lcid)t ergrauten
Haare, griff nad) der Pfeife, legte sie wieder weg.
Band den Rucksadr auf, um Brot und Wurst vor-
zunehmen. Tat es wieder hinein.

Die Hummeln summten. Der Ginster roch.
Aber auf der Wiese quoll ein Duft, so süß, so
köstlid), wie er ihn nie zuvor verspürt hatte, lind
lauter bunte Flämmchen zuckten aus den Keld)en.

Da hob er sich zögernd — wider Willen — wie
von einer geheimen Kraft getrieben. Stand auf-
red)! und starrte de» Bildstock an. Dann sd)üttelte
er energisch den Kopf.

„Nee!" sagte er, „dat paßt denn dod) nid) zu
meine werte Weltanschauung!"

Und wollte sid, wieder hinwerfcn. Allein da
lag ein sd)Lner, frisdicr Kranz von Wiesenblumen.
Er stutzte. Wie kam der dahin? Die Kleine hatte
dod) den ihrigen am Arme wieder heimgetragen.
Er meinte, es bestimmt gesehen zu haben.

Und wieder trieb ihn die geheime Kraft, daß
er den Kranz aufhob und ihn einfältig zwisd)en den
Händen drehte. Ein Bauer kam vorüber, schlug
sein Kreuz vor dem Bilde und stolperte seinen
Weg weiter. Der Stromer drückte sid) hinter einen
Busch, um uid)t mit dem Kranze gesehen zu wer-
den. Aber dann sd)lid, er zögernd durd) die Wiese
an das Bild und legte dem Knäblein den Kranz
aufs Haupt.

Süß und innig lächelte die heilige Mutter.

Der Stromer aber ging kopfschüttelnd nach
seinem Rucksack, warf ihn Über, senkte die Pfeife
in den Hosensack und fdjritt eilig davon.

Aus dem Walde jauchzte ein goldener Vogel
tönend hinter ihm drein.

*

Madelei 11 e

Von A. Trumpf

„Was sagen Sie nun, liebe Claire?"

„Daß Madame froh sein kann, daß dieses
auch vorüber ist, id) glaube, der Vicomte war der
letzte Besud)."

„Was fragte er eben nod), als er ging? Ob
Bertrand mein Gatte wäre. Wie man nur so
etwas fragen kann, zu komisch. Als ob dadurd,
die Sad)e schrecklicher würde, »nd fd)rcd;lid> ist
cs, ganz unfaßbar.

Bertrand eingezogen, an der Front, diesen
barbarisdien Bod>cs gegenüber, die ihn in ihrer
Mordlust fid)cr löten wer-
den.

O es ist sd)recklid), —

sehr schrecklich.-Lesen

Sie mir doch etwas vor,
Liebste."

.Prosper ist nun auch
fort, — dieser entsetzliche
Krieg."

„Wann ist er denn zu
seinem Cadrc, Frau Nach-
barin?"

„Gestern abend. — Id>
glaube, er war froh. Seit
der Gesd)id)te mit Made-
leine war mit ihm nid)t
mehr auszukommen."

„Ja, es war and) furcht-
bar, so jung und ins Wasser.
— Hu. — — Das Kind
wäre and) groß geworden
und hätte immer satt ge-
habt. Prosper hätte sid)
nid)t so zu benehmen brau-
chen."

„Er sagte, als er erfuhr,
daß sie sidi mitMr.Bertrand,
dem jungen Gutsherrn ein-
gelassen hatte: Darüber

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Register
Ziska Luise Dresler geb. Schember: Jane Gray
Ferdinand Staeger: Selige Nacht
A. Trumpf: Madeleine
 
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