Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Abendsonne

Wilhelm Lehmann (München)

Unt ein Garten die Lrde-

3d) weiß nicht, wer dies Wort mir ließ,
wann cs mir in die Stirne stieß.

Doch weiß ich, daß ich manche Rächt
An dieses süße Wort gedacht:

Und ein Garten die Lrde!

Hoch über Krieg und Schlachtenqualm
Schwang's sich empor, ein frommer Psalm,
Und wohl in den Himmel fort
Als eines Menschen Glaubenswort:

Und ein Garten die Lrde!

Bei der Geschütze grimmem Schrei,

2n der Zerstörung Wüstenei,

Durch allen Schmerz sprach wundersam
Dies Wort, das alle Zagheit nahm:

Und ein Garten die Lrde!

Auf eines Toten Angesicht
Lag eines letzten Lächelns Licht,
vielleicht sah er im Sterbeblick
Dies längst verheißene Geschick:

Und ein Garten die Lrde!

Lin Träumer träumte dieses Wort
Und Träumer fegnet's immerfort.

Doch einst, wenn sie erfüllt, die Zeit,

Dann wird der Traum zur Wirklichkeit

Und ein Garten die Lrde!

Dann gehen Menschen wie im Tanz
Durch 8rühlingspracht und Morgenglanz,
Dann spricht die Stimme, die uns schwieg:
Gewonnen ist der letzte Sieg

Und ein Garten die Lrde!

Max Hapek

*

Das Abenteuer

Bon Eva Julian

Wir lebten, und die Sonne schien. Glassplitter
Krachten unter unseren Tritten, aus leeren Augen-
höhlen grinsten uns verwüstete Schauläden an,
hie und da Kramte noch ein Soldat unter den
Trümmern, Uber unseren Köpfen hing ein Stück
Gesims vom Dache, gegenüber am ersten Stock
bog sich eine umgeworfene Kommode durch das
klaffende Loch der Fassade weit in die Gasse

hinaus, In gleichmäßigen Zeiträumen rollte dumpfes
Dröhnen durch die mild-herbstliche Luft, Das
kam von den Geschützen auf der Avala. Wir
hatten nichts mehr damit zu tun.

Wir waren die ersten gewesen, hatten in Kähnen
über die Donau gesetzt unter den prasselnden Ge-
schossen englischer Schiffskanonen, waren vierund-
zwanzig Stunden auf dem Damme gelegen, viele
standen nicht mehr auf. Wir hatten gestürmt,
in den Straßen gekämpft, Mann gegen Mann,
jedes Tor ein Hinterhalt, von den Fenstern knat-
terten Maschinengewehre, wir hatten den Feind
verfolgt in pechdunkler Nacht, Feuer blitzten auf,
rechts, links, hinter unserm Rücken verräterische
Flammen, die den feindlichen Kugeln die Richtung
wiesen, Fabriken loderten im Brand, Munition
explodierte, aus den Lüften hagelte der Tod, viele
starben, ich nicht. Ich lebte, und nun war's vor-
bei. Die Sonne schien.

Wir schliefen jetzt in Betten, um uns die tiefe
sichere Stille der entvölkerten Stadt, wir speisten
reichlich an gedeckten Tischen und standen sorglos
auf dem Corso herum im glitzernden Mittags-
Uchte, wie zu Hause auf dem Ring, Wir sehnten
uns nach Frauen. Man sehnt sich immer nach
Frauen, wenn man den Heldentod der andern
überlebt hat.

Aber Frauen gab es in der serbischen Haupt-
stadt nicht, wenigstens nicht für uns. Wohl
schlichen manche die Häuser entlang, doch näherten
wir uns, so sprühte uns aus den verweinten

583
Register
Max Hayek: Und ein Garten die Erde...
Wilhelm Ludwig Lehmann: Abendsonne
Eva Julian: Das Abenteuer
 
Annotationen