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Deutscher Kolonistenfriedhof in Wolhynien

Otto Flechtner (im Felde)

Krankenhaus

Die Gänge liegen blank und weit? und still,

Aus leisen Türen mit verhaltnen Schritten

Sind Schwestern lächelnd durch das Haus geglitten

Und sind wie Engel sanft und weil? und still . .

Nur manchmal hört man durch die Türen Schrei
Von irrer Qual und aufgeschrecktes V/immern,

Dann ahnt man schmerzlich, wie in kahlen Zimmern
Ein armer Mensch voll Angst und Marter sei.

Dann kommt die Nacht, von Ampellicht gebleicht.
Mit blassen Betten, Blumen, Sternenfunkeln;

Man fühlt, wie tastend unsichtbar im Dunkeln
Unsäglich wehes Leid vorüberschleicht.

Nur manchmal scheint es, dal? ein Antlitz glänzt
Ganz ohne Krampf in glattgestrichnen Kissen,

Die Augen leuchtend wie von tiefem Wissen:

Wenn einer schon an Ewigkeiten grenzt.

EUGEN ROTH

Die Kopeke

Bon I. Förste

Meine schöne Freundin, die sich aus mir noch unbekannten Gründen
Arabeska zu nennen beliebt, kreuzt würdeooll nach türkischer Sitte it,rc
schlanken Beine übereinander, saugt einige Mute an der Zigarette und sagt:

„Wie kommt diese Münze hierher? Es ist ja eine Kopeke, russisch!"

(Das r vor ussisch läßt Arabeska wie einen Harzer Schlager rollen, —
es ist so schön bei uns.)

Nachdem iri) ihr einige Male versichere, daß die Kopeke nicht von
einer Frau herrührt, darf ich erzählen:

Arabeska, sage ich, du weißt, daß ich vier lange Monate im Lazarett
lag, in Posen; in der Turnhalle einer früheren Schule. Ich betrat eines
Morgens den Schulhof, um wie gewöhnlich mit Kameraden zu prome-
nieren.

Akazienbäume, Bänke, Rasen. Hinten lag verträumt ein kleiner
Garten. Verwundete in Gruppen wandelnd, manche einzeln. Sinnend,
Heimweh! Abseits hinter einer Mauer in einem anschließenden Garten
standen zwei bespannte Wagen, beladen.

Wie es schien, waren fünf Arbeiter beschäftigt, Kohlen von den Fuhr-
werken an die Mauerwand zu stapeln.

Auf einem Holzstoß sitzend beobachtete ich sie.

Eie gehen an die Wagen, packen einen schwarzen Klumpen, tragen ihn
zu mir hin, werfen ab, dann geht es wieder von neuem los.

Plötzlich sehe ich: Es sind fünf gefangene Russen! Mich näher mit
ihnen befassend, entdeckte ich einen prachtvollen Burschen darunter. Er ist
wie die andern gekleidet. Blaue Jacken mit Schulternähten, grobe graue Tuch-
hosen, eine runde blaue Tellermütze, derbe preußische Kommißstiefel. Er be-
wegt sich leicht, federnd frei, nur manchmal zögert er und sucht sinnend in
den Akazien.

Allem Anscheine nach ist er ein Weißrusse, er hat blonde, gekräuselte
Haare, seine Gliedermaße erinnern mich an Werke Meuniers.

Unerwartet — er hat gerade einen der riesigen Kohlenklumpen abge-
worfen — biegt er ein Fläschchen an die Lippen, hält es lange unter 45 Grad,
dann setzt er ab und geht zurück.
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Eugen Roth: Krankenhaus
Otto Flechtner: Deutscher Kolonistenfriedhof in Wolhynien
John Förste: Die Kopeke
 
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