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Auszug der Wikinger

Sie blickte auf den Grund ihrer Tasse, wo
der Zucker langsam zerging. Also, wenn er ganz
aufgelöst ist, sage ich es, dachte sie und starrte
unentwegt in die Tasse. So, — jetzt — — Da
begann Stephan etwas zu erzählen, eine Geschichte
von der Frau seines Chefs, von der schönen
Königstein, der man nie etwas nachsagen gekonnt
und die nun doch — — — Io, cs war zum
Staunen, aber Tatsache, unbestreitbare Tatsache.
Der Gatte wußte natürlich nichts davon, aber im
Amt wußten sie cs alle. Liane hörte zerstreut
zu — wie hätte sie dies pikante Geschichtchen
sonst interessiert, aber heute — heute wollte sie
es ihn, doch sagen, unbedingt sagen. Er sollte
nur vorerst sich seine Zigarette angezündet haben,
dann gab es keine Unterbrechung mehr und dann —

in fünf Minuten war es ja gesagt!-Stephan

lehnte sich behaglich in die weichen, bunten Seiden-
kissen des Sofas, rieb mit der Spitze seines
Chevrcauschuhes das weiße Fell des schlafenden
Barsoi, der darob zufrieden leise knurrte und
zündete sich endlich die Zigarette an. Liane stellte
die Tassen weg, ließ sich in den tiefen Fauteuil
sinken, faltete die Hände im Schoße des dunklen

Seidenkleides, drehte noch ein bißchen an ihren
blitzenden Ringen, merkte, daß ihr Herz ein ganz
klein wenig rascher klopfte — und begann, ganz,
wie sie es sich vorgenommen, mit weicher, [eilet
Stimme: „Stephan, weißt Du noch, was Du
sagtest, als wir im vorigen Zahre mitsammen in
Hollberg waren?" Stephan streifte die Asche in
die schimmernde Onizxschale und blickte etwas
verwundert auf.

„Nein, Kind, keine Ahnung, ich kann mich
doch nicht an alles erinnern, was ich so im
Laufe der Zeit zusammengeredet habe. Das
wäre übrigens entsetzlich!" Und er lachte belustigt
auf. Liane war ein bißchen aus der Fassung
gebracht. Nach ihrem Programm hätte er sich
erinnern müssen, dann wäre es einfacher gewesen.
Nun mußte sie nochmal beginnen, das war schon
schwieriger. Nachdenklich blickte sie vor sich hin.
Nein, wie die Bilder schief an der Wand hingen,
daß Berta dies nie merkte. Und sie stand auf,
ging im leise rauschenden Seidenkleid durchs
Zimmer und rückte die Bilder gerade. Stephans
Blicke folgten ihr, seine Lippen verzogen sich
spöttisch.

„Muß das gerade jetzt geschehen?" — Aber
Liane, die vor einer Radierung Ungers stand,
merkte den Spott und die Ungeduld in Stephans
Frage gar nicht, ihr war ein Gedanke gekommen.
Sich halb umwendend, lächelte sie Stephan
freundlich zu.

„Als Du mir dieses Bild schenktest, im März
war es, an meinem Geburtstage, da dachte ich
nicht, daß Du — — —"

Nun hatte sie es eben geradeheraus sagen
wollen, aber da sprang Stephan auf, lebhafter,
als es sonst seine Art war.

„Za, denk' nur, beinahe hätte ich es vergessen,
gestern traf ich meinen alten Freund Ruttner,
den ich seit Zähren nicht mehr gesehen habe. Der
Mann ist auf dem besten Wege, ein berühmter
Maler zu werden. Soll ich ihn Dir mal bringen?"

„Ja," sagte Liane langsam, „es wäre sehr
hübsch, aber es wird nicht gehen, denn — —“
Eie wollte sagen: „Denn Du bist heute zum
letzten Male hier", — aber Stephan ließ sie nicht
zu Ende reden.

„Unsinn, — Du denkst natürlich gleich an ein
Festessen. Ist ja gar nicht notwendig, ich bring'

Nicolai von Roehrich (Petersburg)

bin einmal zum Tee, so wie heute, ganz un-
gezwungen. Er kommt ja als mein Freund."

.. Und Stephan reckte sich stolz und wohlgefällig,
zündete sich eine neue Zigarette an, summte ver-
fid) hin und glitt wieder in die weichen
. DcnJaÖ Liane alle Borsätze, vergaß
1 woylvorbereitetes Programm, verlor die Geduld
kn„nn » Mühsam erhaltene Beherrschung und
u^asch'AA-'1 bleibend, stieß sie zornig

weiß^das?Ä!,' !ft c.s bitt.rster Ernst, — ich
ein Ende morhil? ^^ügst, und deshalb will ich
5^iTSB1fB Dir und mir. noch

fcku^ ck^ den" d'idien ^ mi-j i5cn’ kkmen Sammt-
djul) m den dicken Teppich, daß es dumpf auf-
klang. Und da war rwch plötzlich ihTtCr
pflogen, nur eine große Neugierde, was Stephan
erwidern werde, war in ihr. Aber die Spannung
war vorbei, ,a, es uberkam sie ein sondert,»//?
Wohlbefinden und eigentlich/ fand 'sie war u
Szenen mitunter ganz interessant. Im'Grunde
liebte sie Emotionen und begriff Stephan nicht
dem jebe Aufregung ein Greuel war. Ra, jetzt

wollte sie mal sehen, ob er diese Sache and) so
nadilässig hinnehmen werde. Es war ihm doch
wohl sehr unerwartet gekommen. — Dod> ihre
Neugierde sollte arg enttäusd)t werden. Stephan
antwortete überhaupt nicht, und in dem großen
Rauine herrsd>te minutenlang tiefstes Sdiweigen.
Draußen klingelte die Elektrisd,e, tuteten die
Autos, ratterten die Wagen. „Ist denn immer
ein soldzer Lärm auf der Straße?" Liane fragte
cs siä> verwundert und hord>te weiter und war
bod) ganz Erwartung, was Stephan cnblid) sagen
würde. Dieser aber blickte gelassen an ihr vorbei,
durd) das ganze Zimmer, als sähe er es zum
ersten Mal, und sdzließlidi blieb sein Auge auf
der großen Stodmhr haften. Da erhob er sid).

„Herrgott, gleidz sieben Uhr. Id) habe noch
eine Sitzung heute. Höchste Zeit! Also vielleidit
auf morgen, Kind! Wenn td) Ruttner treffe,
bringe iri) ihn mit."

Es schien, als wollte er Liane in die Arme
nehmen und küssen, aber dann ließ er es, läd)elte
ein bißdzen, ganz flüd)tig, und griff nad> ihrer
Hand, die kalt und sdiwcr in den Falten ihres
Kleides lag. — Der Barsoi war aufgcstandcn,

schüttelte sich, daß sein Halsband klirrte und gähnte
.laut und vergnügt. Dann sdzlüpfte er mit Stephan
ins Borzimnier. Stodisteif blieb Liane allein
mitten im Zimmer stehen und lausdzte. Jetzt half
ihm Berta in den Mantel, reid)tc ihm Hut und
Stock, jetzt ging die Wohnungstüre, nun schnappte
sie ins Schloß. Da trat Liane zum Schreibtisch
und klingelte nadz Berta und als diese eintrat,
befahl sie kurz und entschlossen:

„3dj_ bin für Herrn von Meerfeldt nie mehr
zu Hause. Verstehen Sie mich?" — Ja, Berta
verstand und bespradz in der Küdze des Langen
und Breiten mit der Köchin das neue Ereignis.

Als Stephan von Meerfeldt und Karl Ruttner
am nädzsten Tage um fünf Uhr das wohldurch-
wärmte, behagliche Zimmer betraten, fanden sie
den Tcetisdz sorgsam gededit und Liane empfing
sie lädiclnd, schön und ging, in dem dunklen
Seidenkleide, das sie so wundervoll kleidete.

Zornig ob des fremden Besuchers bellte der

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