Am Umsturz vorbei
Von Julius Kreis
Der Veteranen- und Kriegerverein Walzling
hat sich kurz »or der Revolution eine neue, schön
gestickte Fahne zugelegt: Jur weihblauen Rauten-
feld gold-, silber- und rotgestickt das buijeriche
Wappen mit der Krone und darunter „In Treue
feit"-! es war eine rechte Freude, Da kommt
die damische Revoluzion!
„Was tuan ma seht mit da Fahna?" Der
rote Schuster Kurzbichler wühle Rat, Er nahm
das Tuch mit in die Stadt zur Stickerin, und an
Neujahr las man darauf:
„In Treue fest
lebe die Republik!!"
In der Wahlversammlung der Unabhängigen.
Ein kleiner, dicker, eleganter Herr, ein wenig hänge-
backig, steht unter einer Gruppe Genossen. Die
Neugier hat ihn Hineingetrieben, und seht hat er
ein bißchen Angst, Um seine Stubenreinheit zu
beweisen, k atscht er den kühnsten Radikalismen
am Rednerpult heftigen Beifall, Sein Nachbar
mustert ihn von oben bis unten. „Sie," sagt er
mißtrauisch, „dö Wamp'n Ham Sie Eahna aa net
unter der roten Fahne g'holt! —"
Der alte, geizige Simmerwastl hört im Wirts-
haus davon reden: Die Kirchen- imti Klostergüter
sollen an die Kleinhäusler verteilt werden. Das
kann ihni schon so passen. — „Heilig Muatter vo'
Otting," sagt er und nimmt einen Schluck aus dem
Krug, ,,'as Broatackerl hinterm Kloster wenn i'
kriag, na' versprich' i’ mi’ zon Wallfahr'n."
*
Stachus, abends 6 Uhr, Pennälerbummel
um das Trambahnhäusl, — „Weißt du, den
Müller Ham sie in den Schülerrat gewählt! und
dabei kann der Kerl nicht einmal eine Sport non
einer Memphis iintctfdjeiben , , ,!"
*
Max, der Stift, kommt ins Geschäft, im Knopf-
lod) eine brennend rote Papiernelhe, „Max," sagt
der Chef und lächelt wohlwollend, „stecken Se
doch dasBlümche h nter'sOhr! Da hat's Feuchtig-
keit'und Schatten,"
*
Der gekränkte Rubel
Die Trennung
Eine lausige Geschichte
Es hatte ein Hltnd, mit Namen Staat,
Eine schwarze Laus im Pelze,
(Eine schwarze Laus! Wie delikat!)
Doch was er immer dagegen tat,
Die Laus hielt fest wie Stacheldraht,
Trog allem Gekrätz und Gewälze,
Da sprach der Hund eitles Tags zur Laus
Und srliüttelte sie massiver:
„Jetzt bin ich frei von Allen! hinaus
Aus meinem Haus und meinem Flaus!
Du sogst mich lange genug schon aus,
Verfluchtes Ungeziefer!"
Die Laus erwiderte sanft: „Es sei!
Ich stell mich auf diesen Boden!
Doch wenn jetzt Freiheit herrscht, ei ei,
Dann bin ich ebenfalls gleich so frei
Zu wählen als Sitz und Siedelei
Mir Deinen Pelz, den roten, ,
Mir scheint, der Hund ist schön geschlenkt
Mit seiner Laus im Pelze!
Die Herren-Kette hat er gesprengt,
Die schwarze Laus dagegen hängt
An ihm viel zäher als wie er denkt —
Die hat er — und behält se .. ,?
A. D. N.
*
Goldkörner
Unmittelbar vor dem Slaatsbankett im Buk-
kingham- Palast gelang einem unserer Londoner
Freunde nachstehende wertvolle Unterredung mit
Wilson, welcher soeben in einem ungestörten
Nebenraume seine Tischrede präpariert hatte.
Der Freund: „Darf ich fragen, Herr Prä-
sident, welches Wetter Sie bei der Europafahrt
hatten?"
Wilson: „Recht und Gerechtigkeit!"
Der Freutid: „Wie ist der geehrten Frau
Gemahlin die Reise bekommen?"
Wilson: „Recht und Gerechtigkeit!!"
Der Freund: „Und wie hat den Herrschaften
Paris gefallen?"
Wilson: „Recht und Gerechtigkeit!!!"
Der Freund: „Was darf also Deutschland
hoffen . , ,?"
„Wilson: „Aber bitte, mein Herr, — bleiben
Sie doch bei der Sache!" I. n. Sowas
Versammlungs-Kn'gge
Zehn Gebote
!, Du sollst an das größte Maul in der Versamm-
lung glauben und edes andere niederschreien,
2, Du sollst bidj auf die Zehen des Nächsten stellen
und ihn ruhig den Namen Gottes eitel nennen
lassen,,
3, Du sollst während des Referats wenigstens ein-
mal vom Saal aus eine Gegenrede halten,
4, Du sollst niemals an die Vernunft appellieren,
auf daß es dir wohl ergehe und du lange lebest
auf Erden,
5, Du sollst nidjt töten und nicht von vornherein
mit Handgranaten rede», sondern die gegneri-
schen Ausführungen in vornehmer und sach-
lidjer Weise mit Stuhlbeinen bekämpfen,
6, Du sollst den Maßkrug mandpnal auf den Tisd>
und nid)t immer auf den Köpf des Gegners
fetze»,
7, Du sollst bei Mißfallenskundgebungen nid)!
auch noch die Zehen in den Mund stecken. Die
Finger genügen.
8, Du sollst als Diskussionsredner nidjt länger
als zwei Stunden Verbalinjurien gebrauchen,
9, Dil sollst det» Nächsten, weil er eine Krawatte
trägt, nidjt ohne weiteres in die Fresse schlagen.
Es könnte dodj ein Gesinnungsgenosse sein.
10, Du sollst dir immer vor Augen halten: Ruhe
ist des verrudjten Bourgeois erste Pflidjl!
Jks
*
Glossen zur Revolution
Wer im Unglück die Würde verliert, war
keines Gllldtes würdig.
Die Bemühungen unserer humanistischen Gijm-
nasien unt edle Mensdjlidjkeit nadj antikem Muster
waren nidjt vergebens! oder hätte man sidj sonst
für den alten Spartakus begeistern können?
„Fort mit dem Militarismus!" zürnten die
Angelfadjsen, und — schafften sidj zu seiner Be-
seitigung soviel Militär an, daß die deutschen
Soldaten nicht mehr dagegen aufkonunen konnten.
Daher schrieen nun diese empört: „Schluß mit
dem Militarismus!" und — vergewaltigten mit
Schießprügeln und Handgranaten ihre Mitbürger,
Pancraz
Ein Rubel stak in der Tasdje
Bon einem Spartakusmann
Und sah eine Künuuelflasdje
Mit bill'rer.W.ehmut an,
„O Flache mit köstlidjem Stoffe,
Wie kränkt man mich sdjauerlich!
Midi sdjickte nach Deutschland Herr Joffe
Und hier verleugnet man mid>!
Ich, der he-rübergeschwommen,
Idj, her dem Staatsschatz entstamm',
— Ntin will mid> Keiner bekommen
Und Keiner.gesehen Ham!
Ich kriege vor Aerger den Schimmel,
Id> finde es einfach frivol!
O könnt' id> in Dir, o Kümmel,
Ersaufen, — wie wäre mir wohl!
Wer weiß, wo ich noch am Edjluß land',
Fern, fern dem russischen Bär!
O daß id) dod, schon in Rußland
Gestohlen worden wär'I!" ^js,,
*
Zeitgemäß
Es läutet.
Ein Bettler,
Idj gebe ihm 10 Pfennige,
„Nu, und die Teuerungszulage?" G.-E.
Gespräch ln öer Lhausseestrahc
„vu, Cdc, aus öle Republik mach' ick Mia so jut
wie jarnischt/ öie eenzige ÄtaatSform, wo man Wat
öabei vaüiencn kann, iS die Revolution."
*
Spartakus-Freiheit
(In Berlin zwangen Spartakusleute Arbcit r mit
vorgehaltencm Revolver zur Arbcitsnnstellung,)
Freiheit, die id) meine,
Die mein Herz erfüllt,
So wie Du ist keine,
So mit Zwäng gedrillt!
Bürger sind nur Kncdjte,
Stinkig, fred) und faul,
Id> nur habe Redjte,
Alles sonst hält's Maul!
Geht aud, Deutchland baden,
Pah, id, lädjle dreist.
In den Handgranaten
Steckt mein ganzer Geist,
Auf die freie Presse
Hetze id, mein Corps,
Meine Riesenfresse
Gleidjt dem Scheunentor,
Rosadjen, die feine,
Ist mein Lieblingsheld,
Komm mit deineni Sdjeitie,
Süßes Russengeld!
Stedjet ab wie Sdjweine,
Wer nidjt mit mir brüllt:
Freiheit, die id> meine,
Die mein Herz erfüllt! Karlche»
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Von Julius Kreis
Der Veteranen- und Kriegerverein Walzling
hat sich kurz »or der Revolution eine neue, schön
gestickte Fahne zugelegt: Jur weihblauen Rauten-
feld gold-, silber- und rotgestickt das buijeriche
Wappen mit der Krone und darunter „In Treue
feit"-! es war eine rechte Freude, Da kommt
die damische Revoluzion!
„Was tuan ma seht mit da Fahna?" Der
rote Schuster Kurzbichler wühle Rat, Er nahm
das Tuch mit in die Stadt zur Stickerin, und an
Neujahr las man darauf:
„In Treue fest
lebe die Republik!!"
In der Wahlversammlung der Unabhängigen.
Ein kleiner, dicker, eleganter Herr, ein wenig hänge-
backig, steht unter einer Gruppe Genossen. Die
Neugier hat ihn Hineingetrieben, und seht hat er
ein bißchen Angst, Um seine Stubenreinheit zu
beweisen, k atscht er den kühnsten Radikalismen
am Rednerpult heftigen Beifall, Sein Nachbar
mustert ihn von oben bis unten. „Sie," sagt er
mißtrauisch, „dö Wamp'n Ham Sie Eahna aa net
unter der roten Fahne g'holt! —"
Der alte, geizige Simmerwastl hört im Wirts-
haus davon reden: Die Kirchen- imti Klostergüter
sollen an die Kleinhäusler verteilt werden. Das
kann ihni schon so passen. — „Heilig Muatter vo'
Otting," sagt er und nimmt einen Schluck aus dem
Krug, ,,'as Broatackerl hinterm Kloster wenn i'
kriag, na' versprich' i’ mi’ zon Wallfahr'n."
*
Stachus, abends 6 Uhr, Pennälerbummel
um das Trambahnhäusl, — „Weißt du, den
Müller Ham sie in den Schülerrat gewählt! und
dabei kann der Kerl nicht einmal eine Sport non
einer Memphis iintctfdjeiben , , ,!"
*
Max, der Stift, kommt ins Geschäft, im Knopf-
lod) eine brennend rote Papiernelhe, „Max," sagt
der Chef und lächelt wohlwollend, „stecken Se
doch dasBlümche h nter'sOhr! Da hat's Feuchtig-
keit'und Schatten,"
*
Der gekränkte Rubel
Die Trennung
Eine lausige Geschichte
Es hatte ein Hltnd, mit Namen Staat,
Eine schwarze Laus im Pelze,
(Eine schwarze Laus! Wie delikat!)
Doch was er immer dagegen tat,
Die Laus hielt fest wie Stacheldraht,
Trog allem Gekrätz und Gewälze,
Da sprach der Hund eitles Tags zur Laus
Und srliüttelte sie massiver:
„Jetzt bin ich frei von Allen! hinaus
Aus meinem Haus und meinem Flaus!
Du sogst mich lange genug schon aus,
Verfluchtes Ungeziefer!"
Die Laus erwiderte sanft: „Es sei!
Ich stell mich auf diesen Boden!
Doch wenn jetzt Freiheit herrscht, ei ei,
Dann bin ich ebenfalls gleich so frei
Zu wählen als Sitz und Siedelei
Mir Deinen Pelz, den roten, ,
Mir scheint, der Hund ist schön geschlenkt
Mit seiner Laus im Pelze!
Die Herren-Kette hat er gesprengt,
Die schwarze Laus dagegen hängt
An ihm viel zäher als wie er denkt —
Die hat er — und behält se .. ,?
A. D. N.
*
Goldkörner
Unmittelbar vor dem Slaatsbankett im Buk-
kingham- Palast gelang einem unserer Londoner
Freunde nachstehende wertvolle Unterredung mit
Wilson, welcher soeben in einem ungestörten
Nebenraume seine Tischrede präpariert hatte.
Der Freund: „Darf ich fragen, Herr Prä-
sident, welches Wetter Sie bei der Europafahrt
hatten?"
Wilson: „Recht und Gerechtigkeit!"
Der Freutid: „Wie ist der geehrten Frau
Gemahlin die Reise bekommen?"
Wilson: „Recht und Gerechtigkeit!!"
Der Freund: „Und wie hat den Herrschaften
Paris gefallen?"
Wilson: „Recht und Gerechtigkeit!!!"
Der Freund: „Was darf also Deutschland
hoffen . , ,?"
„Wilson: „Aber bitte, mein Herr, — bleiben
Sie doch bei der Sache!" I. n. Sowas
Versammlungs-Kn'gge
Zehn Gebote
!, Du sollst an das größte Maul in der Versamm-
lung glauben und edes andere niederschreien,
2, Du sollst bidj auf die Zehen des Nächsten stellen
und ihn ruhig den Namen Gottes eitel nennen
lassen,,
3, Du sollst während des Referats wenigstens ein-
mal vom Saal aus eine Gegenrede halten,
4, Du sollst niemals an die Vernunft appellieren,
auf daß es dir wohl ergehe und du lange lebest
auf Erden,
5, Du sollst nidjt töten und nicht von vornherein
mit Handgranaten rede», sondern die gegneri-
schen Ausführungen in vornehmer und sach-
lidjer Weise mit Stuhlbeinen bekämpfen,
6, Du sollst den Maßkrug mandpnal auf den Tisd>
und nid)t immer auf den Köpf des Gegners
fetze»,
7, Du sollst bei Mißfallenskundgebungen nid)!
auch noch die Zehen in den Mund stecken. Die
Finger genügen.
8, Du sollst als Diskussionsredner nidjt länger
als zwei Stunden Verbalinjurien gebrauchen,
9, Dil sollst det» Nächsten, weil er eine Krawatte
trägt, nidjt ohne weiteres in die Fresse schlagen.
Es könnte dodj ein Gesinnungsgenosse sein.
10, Du sollst dir immer vor Augen halten: Ruhe
ist des verrudjten Bourgeois erste Pflidjl!
Jks
*
Glossen zur Revolution
Wer im Unglück die Würde verliert, war
keines Gllldtes würdig.
Die Bemühungen unserer humanistischen Gijm-
nasien unt edle Mensdjlidjkeit nadj antikem Muster
waren nidjt vergebens! oder hätte man sidj sonst
für den alten Spartakus begeistern können?
„Fort mit dem Militarismus!" zürnten die
Angelfadjsen, und — schafften sidj zu seiner Be-
seitigung soviel Militär an, daß die deutschen
Soldaten nicht mehr dagegen aufkonunen konnten.
Daher schrieen nun diese empört: „Schluß mit
dem Militarismus!" und — vergewaltigten mit
Schießprügeln und Handgranaten ihre Mitbürger,
Pancraz
Ein Rubel stak in der Tasdje
Bon einem Spartakusmann
Und sah eine Künuuelflasdje
Mit bill'rer.W.ehmut an,
„O Flache mit köstlidjem Stoffe,
Wie kränkt man mich sdjauerlich!
Midi sdjickte nach Deutschland Herr Joffe
Und hier verleugnet man mid>!
Ich, der he-rübergeschwommen,
Idj, her dem Staatsschatz entstamm',
— Ntin will mid> Keiner bekommen
Und Keiner.gesehen Ham!
Ich kriege vor Aerger den Schimmel,
Id> finde es einfach frivol!
O könnt' id> in Dir, o Kümmel,
Ersaufen, — wie wäre mir wohl!
Wer weiß, wo ich noch am Edjluß land',
Fern, fern dem russischen Bär!
O daß id) dod, schon in Rußland
Gestohlen worden wär'I!" ^js,,
*
Zeitgemäß
Es läutet.
Ein Bettler,
Idj gebe ihm 10 Pfennige,
„Nu, und die Teuerungszulage?" G.-E.
Gespräch ln öer Lhausseestrahc
„vu, Cdc, aus öle Republik mach' ick Mia so jut
wie jarnischt/ öie eenzige ÄtaatSform, wo man Wat
öabei vaüiencn kann, iS die Revolution."
*
Spartakus-Freiheit
(In Berlin zwangen Spartakusleute Arbcit r mit
vorgehaltencm Revolver zur Arbcitsnnstellung,)
Freiheit, die id) meine,
Die mein Herz erfüllt,
So wie Du ist keine,
So mit Zwäng gedrillt!
Bürger sind nur Kncdjte,
Stinkig, fred) und faul,
Id> nur habe Redjte,
Alles sonst hält's Maul!
Geht aud, Deutchland baden,
Pah, id, lädjle dreist.
In den Handgranaten
Steckt mein ganzer Geist,
Auf die freie Presse
Hetze id, mein Corps,
Meine Riesenfresse
Gleidjt dem Scheunentor,
Rosadjen, die feine,
Ist mein Lieblingsheld,
Komm mit deineni Sdjeitie,
Süßes Russengeld!
Stedjet ab wie Sdjweine,
Wer nidjt mit mir brüllt:
Freiheit, die id> meine,
Die mein Herz erfüllt! Karlche»
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