Arpad Schmidbammer (Münct'en)
Räumung in den Gerinaniasälen
„Räume nur aus, dann gibt's mehr Play zum Tanzen!"
Der Schatten
Gestern Abend sitze id) in meinem Zimmer und
arbeite; da klopft es — „Herein!" Eine lange,
hagere, schwarze Gestalt öffnet die Türe, verbeugt
sid> und spricht: „Sie verzeihen, wenn id, so spät
noch störe. Sie gestatten übrigens: von Groß!" —
„Ah," ich springe auf, „Sie sind wohl ein unbe-
kannter Verwandter, der mir die Ehre eines Be-
suches erweist! Ein Vetter etwa?" — „Oh nein,
durdiaus n cht," und er wehrt mit einer ruhigen
Handbewegung ab, „id, bin Ihr Schatten Im
Schattenreiche nennt man fid, stets nad, seinem
Dienstherrn, Schalten von Soundso, Id, heiße
also Sd,allen von Groß, kurz von Groß,"
Ach so! Id, begreife dieses billige Adelsprädi-
kat und nötige mein Gegenüber, Platz zu nehmen.
„Es ist nett von Ihnen," sage ich, „daß Sie ge-
kommen sind, ein Stündd,en mit mir zu ver-
plaudern." — „Zu verplaudern," meint der
sd,warze Geselle, — „oh. durdiaus nid,t! Ich
bin in einer überaus wichtigen Angelegenheit hier.
Jetzt, im Zeitalter der Revolution und der Arbeiter-
und Soldatenräte haben wir Sd,alten uns zu-
sammengeschlosten und haben einen Schattenrat
gebildet,' der untere Interessen vertreten soll. Und
id, bin nun gekommen, um Sie mit einem Ent-
schlüsse bekannt zu machen, den wir gefaßt haben.
Allenthalben ist der Adststundentag eingeführt.
Nur wir sind gezwungen, von Morgens Früh
bis Abends spät zu arbeiten. Und manchmal
nod, die Nadst hindurch. Wie sd,wier!g die Arbeit
eines Sd,attens ist, wissen Sie selbst. Bald muß
er klein werden wie ein Gummiball, bald groß
wie ein Riete; hier muß er seinem Herren im
Laufschritt vorauseilen, dort muß er an Bäumen
und Häustern emporklettern. Und trotz dieser
schweren Arbeit sollen wir es sdstedster haben als
alle übrigen? Nein! Und da haben wir eben be-
sä,losten, unsere Arbeitszeit auf adit Stunden fest-
zusetzen. In der Bestimmung heißt es," und er
zieht ein kleines Heftd,en aus der Tasd,e: „Den-
jenigen Arbeitgebern, die diese Stundenzahl über-
fd,reiten, wird die Konzession, fid, einen Schatten
zu halten, entzogen." —
Ja! — Soll id, nun wie Peter Sd,lemil,l
ohne 6d,atten herumlaufen? Id, weiß keinen Rat
und bitte um Bedenkzeit, Mein Sd,atlen verab-
sdiiedet fid, höflich und versichert, er werde wieder-
kommen, um meinen Entidiluß entgegenzunehmen.
Und wenn id, Ihnen nun einmal ohne Sdiatten
begegnen sollte, so wundern Sie sich nid,t; id,
habe ihm den Ad,tstundentag gewähren müssen.
Martin Groß
83
Räumung in den Gerinaniasälen
„Räume nur aus, dann gibt's mehr Play zum Tanzen!"
Der Schatten
Gestern Abend sitze id) in meinem Zimmer und
arbeite; da klopft es — „Herein!" Eine lange,
hagere, schwarze Gestalt öffnet die Türe, verbeugt
sid> und spricht: „Sie verzeihen, wenn id, so spät
noch störe. Sie gestatten übrigens: von Groß!" —
„Ah," ich springe auf, „Sie sind wohl ein unbe-
kannter Verwandter, der mir die Ehre eines Be-
suches erweist! Ein Vetter etwa?" — „Oh nein,
durdiaus n cht," und er wehrt mit einer ruhigen
Handbewegung ab, „id, bin Ihr Schatten Im
Schattenreiche nennt man fid, stets nad, seinem
Dienstherrn, Schalten von Soundso, Id, heiße
also Sd,allen von Groß, kurz von Groß,"
Ach so! Id, begreife dieses billige Adelsprädi-
kat und nötige mein Gegenüber, Platz zu nehmen.
„Es ist nett von Ihnen," sage ich, „daß Sie ge-
kommen sind, ein Stündd,en mit mir zu ver-
plaudern." — „Zu verplaudern," meint der
sd,warze Geselle, — „oh. durdiaus nid,t! Ich
bin in einer überaus wichtigen Angelegenheit hier.
Jetzt, im Zeitalter der Revolution und der Arbeiter-
und Soldatenräte haben wir Sd,alten uns zu-
sammengeschlosten und haben einen Schattenrat
gebildet,' der untere Interessen vertreten soll. Und
id, bin nun gekommen, um Sie mit einem Ent-
schlüsse bekannt zu machen, den wir gefaßt haben.
Allenthalben ist der Adststundentag eingeführt.
Nur wir sind gezwungen, von Morgens Früh
bis Abends spät zu arbeiten. Und manchmal
nod, die Nadst hindurch. Wie sd,wier!g die Arbeit
eines Sd,attens ist, wissen Sie selbst. Bald muß
er klein werden wie ein Gummiball, bald groß
wie ein Riete; hier muß er seinem Herren im
Laufschritt vorauseilen, dort muß er an Bäumen
und Häustern emporklettern. Und trotz dieser
schweren Arbeit sollen wir es sdstedster haben als
alle übrigen? Nein! Und da haben wir eben be-
sä,losten, unsere Arbeitszeit auf adit Stunden fest-
zusetzen. In der Bestimmung heißt es," und er
zieht ein kleines Heftd,en aus der Tasd,e: „Den-
jenigen Arbeitgebern, die diese Stundenzahl über-
fd,reiten, wird die Konzession, fid, einen Schatten
zu halten, entzogen." —
Ja! — Soll id, nun wie Peter Sd,lemil,l
ohne 6d,atten herumlaufen? Id, weiß keinen Rat
und bitte um Bedenkzeit, Mein Sd,atlen verab-
sdiiedet fid, höflich und versichert, er werde wieder-
kommen, um meinen Entidiluß entgegenzunehmen.
Und wenn id, Ihnen nun einmal ohne Sdiatten
begegnen sollte, so wundern Sie sich nid,t; id,
habe ihm den Ad,tstundentag gewähren müssen.
Martin Groß
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