- _■ - —
-Der sterbende Wald
Bon Magdalene Kind
Die Rosen hängen blütenlastend
über der Gartenmauer/ die hälbver-
sunken ini Hollundergebüsch steht. Das
lohende Gelb endloser Kornfelder wogt
bis zum tiefblauen Waldsaum unter
dem Horizont.
Herta Matcrne stand vor dem Forst-
hof am Manschcvrosee und schaute über
die Kornfelder, nach dein fernen, dunk-
len Streifen, der sich unter dem Hori-
zont hinzog — Hunderte von Meilen.
Die Romintener Heide. — —
Endlos dehnt sich die Weite nach
Rußland hinein.
Grosz schauen ihre Augen in die
verflimmernde Endlosigkeit. . .
Herta Matcrne kannte nichts von
der großen Welt draußen. Sie würde
sterben, wenn man sie aus ihren Wäl-
dern nähme. Sie ist ausgewachsen wie
ein schönes, großes Tier mit tiefen
Traumaugen, auf deren Grund etwas
schläft — schwer zu wecken unb ge-
waltig im Erwachen Es war die
Seele der weiten liefen Wälder — in der
die Urkräfte der Menschheit schlafen.
Ringsum in der Buchenforst schla-
gen die Amseln. . .
Die Ferne ist ganz blau und grün
von Himmel Und Wiesen und Wald. —
Herta Matcrne geht durch den Forst-
hof. Schwer schreitet ihr Fuß. Bor
den grünverwachsenen, tiefnischigen
Fenstern wehen die weißen Vorhänge
im heißen Sommcrwind. — — Ein
Winseln aus der Flurecke. Die Diana
in ihrem Nest voll Zunge. Eine rast-
lose.Angst ist in dem Tier. Herta greift
liebkosend in das weiche, warme Ge-
wimmel — die Tiermutter drängt Hilfe--.
suchend den Kopf an sie. .
(Sin Tritt auf dem Hof draußen.
„Vater?"
„Ich bin da, mein Kind.'
Schweigend stehen beide in der Fenstcrnißhc.
Der Oberförster umfaßt den jungen Körper seines
Kindes, in dem das Leben pocht. ---
„Ich muß wieder gehen, Herta.-" Er griff
nach seinem Gewehr.
„Lebewohl, Vater."
„Geh mit mir,- Kind." Eine bange Sorge ist
in den Äugen des alten Mannes. „Du weißt
nid)t/ was in bch nächsten Stunden hier geschehen
kann."
„Nein, Vater. . Ich bleibe hier."
Der Mann reicht ihr die Hand. „Es ist noch
früh am Morgen Den Nachmittag bin id) wieder
bä." Er strich der Diana über die Behänge Und
ging.. .
Wieder steht die junge Frau am Fenster.
Rauchschwaden stehen über den endlosen Wäl-
de'rwögen:
Die brennenden Forsthöse der Röminjcner
Heide . . .
— Um den Forslhof brütet die Mittngsglut.
Alles flammt vor Sonne. Es rierlit mich Heu und
Stockrosen und all den binnen Bauernblumen,
die sich hinter bcm gp'mcn Gartenzaun drängen.
Heiß rinnt-das harz aus bcn Kiefern. - ■
Herta ficht am Zaun, wo die spanische Kresse
blüht..
An'gsüiöll lauscht sie in die Stille, durch die
das Köln raunt durrl> die der-Wald brandet
wie pieltätisendstimmige Orgeln. —
Wie still es ist! Gestern gingen alle Glocken
im Hand — angstvoll schlugen sie von den Holz-
-tükmeiri Krieg!
Sie senkt äufftöhnend den Kopf iti die Hände.
«DeHKcöb-.MÄÄne äst ihr Mann seit Geörgitag.
Er ist sclzon draußen. — Herrgott, wenn der Feind
Vom Elirenfriedhof des Bayer. Jäger-Bai. 3
N^orgenläuten
Heute trieb der Mvrgenglvrke erster Ton
Breituud mächtig, tvie ein grüueö Paluienl'lattda-
llnd tvie langsam Hall um Hall erguvll, von,
Wär's, als ob die Lust oou Blättern schivvll,
Blätter, die sich zueiiiändersanden.
Wie ein einziger Wipfel sich verbanden.
Bis, beim stets erneuten vollen Tone
, Einer Palme lichte Ridfeukrbne
Herrlich über unser Land sich spannte. —
lind ich fühlte, wie mein Herz entbranntes
/.Schönster," sprach ich, „unter allen Bäumen,
Bari,u des Friedens- .schau ich dich in Träumen?
Oder, wenn der Glvckeüton verklungen,
Bleibst du siegreich iiEch emporgeschwuugen?
Heute noch in Wolken uusichtbär,
' Zeigst" dich morgen in der Bläue klar.
Mit dein goldengrünen Zelt', dem runden,
llnsre-Schmerzen heilend, unsre Wunden?"
^ Lrika Spann-StjeiTifd)'
Abend
Laternen brennen in den Abend
Gelbe Male ein.
Schienen, die durchs Dünkel zischen,
Leuchten ungewiffen Schein.
Platane, die im Schwarz des Himmels
Fast ertrinkt,
Wölbt sich, will die Schale sein,
Die die Tränen Gottes sammelt,
Wenn der Tau der Rächte sinkt.
Georg vritting
bis hierher käme! Rur wenige Kilo-
meter trennen sie von der Romintener
Heide — was dort ist, kann leicht bis
hierher kommen. Aber nod> liegt die
Stille schwer über der Weite. Nichts
Wissen und alles Fürchten ist grauenvoll.
Ruhelos raunt das reife Korn . . .
wer wird es fdjneiben und heimfah-
ren — oder wird es in wenig Tagen
zertreten sein, vernichtet all das reifende
Leben — sie sind draußen, Blutsaat ge-
worden über Nacht — die, die das
Korn säten.
Herta geht ins Haus. Sie steht
am Herd und kocht Beeren ein. Sie
tut ihr Tagewerk weiter. Stunde um
Stunde.
Der Tag steigt.
Der Vater ist noch nicht zurück, Wa-
rum kommt er nid)t? Sein Revier
liegt kaum eine Stunde weit. Herta
sihaut immer wieder aus. Sie geht
ein paar Sdzritte den Pfad nad) dem
Walde zu. Glühend ist der Boden,
wie Zunder sprühen trockene Nadeln.
und Heidekraut unter ihren Füßen. —
Die Sonne steht hoch im Mittag!
Es ist, als sei die Welt mit eiuem-
mal gestorben. —
Das grenzenlose Schweigen der
Zeit steht über der Weite — in der die
Gingst sdzauert — die Angst vor dem
ersten Laut, der aus dieser Stille empor-
schrcicn wird — qualvoll aus der reifen-
den Frucht vor aller Zerstörung. Ein
Schrei, so furchtbar, daß die ganze Erde
auf ihn lauscht.
Fernhin ringsum am Horizont die
Wälder der Angerapp — die Romin-
tener Heide — Seen und wogendes
Korn.
— Ein Ozean von wogendem
Korn. —
Ein wilder, heißer Duft strömt in
vollen'Wogen . . .
Kornfelder, unabsehbar von Hori-
zont zu Horizont. Ich wachse und
schaffe das Brod — ich bleibe und werde — .
Wie Herta so in tiefem Sinnen über das reife
Korn hinsihaut, da werden die alten, mächtigen
Bibelwahrheiten in ihr lebendig. Das Weizen -
körn — das Urbild, das Symbol alles Lebens.
Das in der Erde stirbt und tausendfaches Leben
zeugt. Das Korn, das wächst und blüht und zur
Reife schreitet wie eine Frau. —
— Den Weg aus dem Wald schlittert und
stolpert noch ein letzter Bauernkarren, das Pferd
angepeitscht von schreienden Frauen. Bunte Bün-
del und weinende Kinder auf dem Wagen. Sie
fuhren zwischen den Kornfeldern hin nad) der
nächsten Stadt.
Die Stadt ist weit. —
Der Lärm entfernt (TH) — die Stille frißt ihn auf.
Herta lehnt am Türftock — hinter dem Wald
ist der Feind gesehen worden — die Frauen
schrien es ihr im Borüberfahren zu.
Der Wald I Sic '.dürfen nicht durch den Wald!!
3n die Küche läuft die Herta, zieht den eisernen
Beercntopf vom Herd — reißt einen Holzbrand
ätls dem Feuer und rennt hinten durch den Hof
über die Heide in den Wald. — —
Heißer Brandgeruch erfüllt die staubige Land-
straße. Das Wild setzt in wilder Flucht aus dem
Wald über die Felder. — Zwischen dürrem Gras
und Heidebüschcn laufen die Flammen am Boden
her — blitzschnell . . . jenes unheimliche Knistern,
das schauriger ist als das hohe Lodern der Flam-
men, wird immer stärker — das Feuer rennt die
Stämme hinauf, frißt prasselnd die Kronen-
ein Lohen, ein Bersten und Krachen ist im Wald
— höllische Glut fauclzt blauraudzig — der ganze
Wald ist ein Feuerriegel!
Herta starrt nad> dem rotdurchlodcrten Brand»
qualm hin — wie der Wald im Todeskampfc
ringt —!
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-Der sterbende Wald
Bon Magdalene Kind
Die Rosen hängen blütenlastend
über der Gartenmauer/ die hälbver-
sunken ini Hollundergebüsch steht. Das
lohende Gelb endloser Kornfelder wogt
bis zum tiefblauen Waldsaum unter
dem Horizont.
Herta Matcrne stand vor dem Forst-
hof am Manschcvrosee und schaute über
die Kornfelder, nach dein fernen, dunk-
len Streifen, der sich unter dem Hori-
zont hinzog — Hunderte von Meilen.
Die Romintener Heide. — —
Endlos dehnt sich die Weite nach
Rußland hinein.
Grosz schauen ihre Augen in die
verflimmernde Endlosigkeit. . .
Herta Matcrne kannte nichts von
der großen Welt draußen. Sie würde
sterben, wenn man sie aus ihren Wäl-
dern nähme. Sie ist ausgewachsen wie
ein schönes, großes Tier mit tiefen
Traumaugen, auf deren Grund etwas
schläft — schwer zu wecken unb ge-
waltig im Erwachen Es war die
Seele der weiten liefen Wälder — in der
die Urkräfte der Menschheit schlafen.
Ringsum in der Buchenforst schla-
gen die Amseln. . .
Die Ferne ist ganz blau und grün
von Himmel Und Wiesen und Wald. —
Herta Matcrne geht durch den Forst-
hof. Schwer schreitet ihr Fuß. Bor
den grünverwachsenen, tiefnischigen
Fenstern wehen die weißen Vorhänge
im heißen Sommcrwind. — — Ein
Winseln aus der Flurecke. Die Diana
in ihrem Nest voll Zunge. Eine rast-
lose.Angst ist in dem Tier. Herta greift
liebkosend in das weiche, warme Ge-
wimmel — die Tiermutter drängt Hilfe--.
suchend den Kopf an sie. .
(Sin Tritt auf dem Hof draußen.
„Vater?"
„Ich bin da, mein Kind.'
Schweigend stehen beide in der Fenstcrnißhc.
Der Oberförster umfaßt den jungen Körper seines
Kindes, in dem das Leben pocht. ---
„Ich muß wieder gehen, Herta.-" Er griff
nach seinem Gewehr.
„Lebewohl, Vater."
„Geh mit mir,- Kind." Eine bange Sorge ist
in den Äugen des alten Mannes. „Du weißt
nid)t/ was in bch nächsten Stunden hier geschehen
kann."
„Nein, Vater. . Ich bleibe hier."
Der Mann reicht ihr die Hand. „Es ist noch
früh am Morgen Den Nachmittag bin id) wieder
bä." Er strich der Diana über die Behänge Und
ging.. .
Wieder steht die junge Frau am Fenster.
Rauchschwaden stehen über den endlosen Wäl-
de'rwögen:
Die brennenden Forsthöse der Röminjcner
Heide . . .
— Um den Forslhof brütet die Mittngsglut.
Alles flammt vor Sonne. Es rierlit mich Heu und
Stockrosen und all den binnen Bauernblumen,
die sich hinter bcm gp'mcn Gartenzaun drängen.
Heiß rinnt-das harz aus bcn Kiefern. - ■
Herta ficht am Zaun, wo die spanische Kresse
blüht..
An'gsüiöll lauscht sie in die Stille, durch die
das Köln raunt durrl> die der-Wald brandet
wie pieltätisendstimmige Orgeln. —
Wie still es ist! Gestern gingen alle Glocken
im Hand — angstvoll schlugen sie von den Holz-
-tükmeiri Krieg!
Sie senkt äufftöhnend den Kopf iti die Hände.
«DeHKcöb-.MÄÄne äst ihr Mann seit Geörgitag.
Er ist sclzon draußen. — Herrgott, wenn der Feind
Vom Elirenfriedhof des Bayer. Jäger-Bai. 3
N^orgenläuten
Heute trieb der Mvrgenglvrke erster Ton
Breituud mächtig, tvie ein grüueö Paluienl'lattda-
llnd tvie langsam Hall um Hall erguvll, von,
Wär's, als ob die Lust oou Blättern schivvll,
Blätter, die sich zueiiiändersanden.
Wie ein einziger Wipfel sich verbanden.
Bis, beim stets erneuten vollen Tone
, Einer Palme lichte Ridfeukrbne
Herrlich über unser Land sich spannte. —
lind ich fühlte, wie mein Herz entbranntes
/.Schönster," sprach ich, „unter allen Bäumen,
Bari,u des Friedens- .schau ich dich in Träumen?
Oder, wenn der Glvckeüton verklungen,
Bleibst du siegreich iiEch emporgeschwuugen?
Heute noch in Wolken uusichtbär,
' Zeigst" dich morgen in der Bläue klar.
Mit dein goldengrünen Zelt', dem runden,
llnsre-Schmerzen heilend, unsre Wunden?"
^ Lrika Spann-StjeiTifd)'
Abend
Laternen brennen in den Abend
Gelbe Male ein.
Schienen, die durchs Dünkel zischen,
Leuchten ungewiffen Schein.
Platane, die im Schwarz des Himmels
Fast ertrinkt,
Wölbt sich, will die Schale sein,
Die die Tränen Gottes sammelt,
Wenn der Tau der Rächte sinkt.
Georg vritting
bis hierher käme! Rur wenige Kilo-
meter trennen sie von der Romintener
Heide — was dort ist, kann leicht bis
hierher kommen. Aber nod> liegt die
Stille schwer über der Weite. Nichts
Wissen und alles Fürchten ist grauenvoll.
Ruhelos raunt das reife Korn . . .
wer wird es fdjneiben und heimfah-
ren — oder wird es in wenig Tagen
zertreten sein, vernichtet all das reifende
Leben — sie sind draußen, Blutsaat ge-
worden über Nacht — die, die das
Korn säten.
Herta geht ins Haus. Sie steht
am Herd und kocht Beeren ein. Sie
tut ihr Tagewerk weiter. Stunde um
Stunde.
Der Tag steigt.
Der Vater ist noch nicht zurück, Wa-
rum kommt er nid)t? Sein Revier
liegt kaum eine Stunde weit. Herta
sihaut immer wieder aus. Sie geht
ein paar Sdzritte den Pfad nad) dem
Walde zu. Glühend ist der Boden,
wie Zunder sprühen trockene Nadeln.
und Heidekraut unter ihren Füßen. —
Die Sonne steht hoch im Mittag!
Es ist, als sei die Welt mit eiuem-
mal gestorben. —
Das grenzenlose Schweigen der
Zeit steht über der Weite — in der die
Gingst sdzauert — die Angst vor dem
ersten Laut, der aus dieser Stille empor-
schrcicn wird — qualvoll aus der reifen-
den Frucht vor aller Zerstörung. Ein
Schrei, so furchtbar, daß die ganze Erde
auf ihn lauscht.
Fernhin ringsum am Horizont die
Wälder der Angerapp — die Romin-
tener Heide — Seen und wogendes
Korn.
— Ein Ozean von wogendem
Korn. —
Ein wilder, heißer Duft strömt in
vollen'Wogen . . .
Kornfelder, unabsehbar von Hori-
zont zu Horizont. Ich wachse und
schaffe das Brod — ich bleibe und werde — .
Wie Herta so in tiefem Sinnen über das reife
Korn hinsihaut, da werden die alten, mächtigen
Bibelwahrheiten in ihr lebendig. Das Weizen -
körn — das Urbild, das Symbol alles Lebens.
Das in der Erde stirbt und tausendfaches Leben
zeugt. Das Korn, das wächst und blüht und zur
Reife schreitet wie eine Frau. —
— Den Weg aus dem Wald schlittert und
stolpert noch ein letzter Bauernkarren, das Pferd
angepeitscht von schreienden Frauen. Bunte Bün-
del und weinende Kinder auf dem Wagen. Sie
fuhren zwischen den Kornfeldern hin nad) der
nächsten Stadt.
Die Stadt ist weit. —
Der Lärm entfernt (TH) — die Stille frißt ihn auf.
Herta lehnt am Türftock — hinter dem Wald
ist der Feind gesehen worden — die Frauen
schrien es ihr im Borüberfahren zu.
Der Wald I Sic '.dürfen nicht durch den Wald!!
3n die Küche läuft die Herta, zieht den eisernen
Beercntopf vom Herd — reißt einen Holzbrand
ätls dem Feuer und rennt hinten durch den Hof
über die Heide in den Wald. — —
Heißer Brandgeruch erfüllt die staubige Land-
straße. Das Wild setzt in wilder Flucht aus dem
Wald über die Felder. — Zwischen dürrem Gras
und Heidebüschcn laufen die Flammen am Boden
her — blitzschnell . . . jenes unheimliche Knistern,
das schauriger ist als das hohe Lodern der Flam-
men, wird immer stärker — das Feuer rennt die
Stämme hinauf, frißt prasselnd die Kronen-
ein Lohen, ein Bersten und Krachen ist im Wald
— höllische Glut fauclzt blauraudzig — der ganze
Wald ist ein Feuerriegel!
Herta starrt nad> dem rotdurchlodcrten Brand»
qualm hin — wie der Wald im Todeskampfc
ringt —!
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