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A. Schmidliammer-M

„Ls gibt zwei Weltanschauungen', perorierte ein
Vielgewanöter, „eine von vorgestern unü eine von
heute/

„„UnS vielleicht noch eine ürittc. Sie von über-
morgen", seufzte ergeben ein Nückstänöiger.

Ein Interview

Wie man uns mittelst, hat General Fach einem
neutralen Bcrichterstalter ein Interview wegen der
Waffenstillstandsbedingungen gewährt.

Der Mann fragte: „Hat die Entente niclit ur-
sprünglich versprochen, von den Deutschen blotz den
Ersatz der au, Privateigentum angerichleten Schäden
zu verlangen?"

„Ja — aber wir haben nicht gesagt, wie oft
— wir verlangen ihn zehnmal!"

„Was wollen Sie eigentlich im Waffenstill-
stand noch von den Deutschen fordern?"

„Alles,"

„Und bei den Fricdensbedingungen?"

„Dann geht es erst an den Ersah der Schäden."

„Was nennen Sie Schäden?"

„Alles, was uns in der Kriegszeit zerstört
worden ist, was wir seit fünf Jahren gewollt,
aber nicht bekommen haben und was wir mög-
licherweise bekommen hatten können,"

„Dürfte ich um einige Beispiele bitten?"

„Gewitz: Da ist z, B. ein junger Mann, der
wollte Chemie studieren — eine Erfindung machen
und ein ungeheures Vermögen verdienen — er
wurde durch den Militärdienst daran gehindert
und verlangt jetzt mit Recht fünfzehn Millionen
Franken Schadenersatz, Ein anderer wollte ein
Theaterstück schreiben, das ihm ein paar Millionen
eingebracht hätte, der Krieg verdarb ihn, die Stim-
mung — die Deutschen müssen bezahlen. Einer
mutzte ins Feld, inzwischen betrog ihn seine Frau
mit einem Engländer — der Gehörnte verlangt
drei Millionen Schmerzensgeld von den Boches,
Dann ist da eine Demimondäne, die vor dem Krieg
von einem deutschen Bankier in Paris ausgehaltcn
wurde. Dieser wurde interniert und sein Vermögen
beschlagnahmt. Die Dame verlangt daher, das; ihr
Deutschland die früher bezogene Rente für fünf
Jahre mit Zinsen nachbezahlt und sie auch noch
bis zum 75. Lebensjahre weiter entrichtet. Ein
Jüngling verlangt den Ersatz von sieben Millionen
Franken, die er von seinem Erbonkel erwartet
hat, der aber durch die Aufregungen des Krieges
nicht dazu kam, zu sterben. Die Anzahl dieser
Forderungen ist unermetzlich,"

„Und das mutz Deutschland alles bezahlen?"

„Natürlich! Wir fordern einen Frieden des
Rechts und der Gerechtigkeit,"

„Wenn die Deutschen aber nichts mehr haben,
um zu bezahlen?"

„Dann werden wir ihnen zur Strafe „och
härtere Bedingungen auferlegen."

„Aber Sie wollten doch nur den preutzischen
Militarismus, nicht das deutsche Volk vernichten,,

„Wir tun doch auch dem deutschen Volk nichts
zuleide I"

„Wenn es aber verhungert?"

„So werden wir das als passive Resistenz be-
trachten und für jeden Deutschen, der sicl, durch den
Hungertod den Pflichten gegen die Entente entzieht,
fünfzigtuusend Franken Entschädigung verlangen,"

„Es wird aber dann niemand mehr da sein,
der diese Entschädigungen bezahlen könnte,"

Fach lächelte freundlich: „Aber mein Lieber, das
ist ja der Zweck der Übung!"

r

wenn ich an meine Gläubiger Senke/ mochte ich mich
auch in Schutzhast nehmen lasten.

Allerlei

Könnte man eigentlich nicht auch gewisse M u „ d -
werke sozialisieren? — Es ist ausgerechnet wor-
den, datz allein das Mundwerk des Herrn Or. Levien
für zehn mittelgrotze Familien ausreicht.

Auch unter den Unabhängigen gibt es sehr
gutmütige Menschen. Gestern sagte mir einer:
„Ich bin keineswegs für Ausschaltung des Bür-
gertums. Im Gegenteil, man sollte das Volk
alle 14 Tage einen neuen Landtag wählen lassen!
Blotz zusammentretcn dürfte er natürlich nicht,"

Neulich sah ich in den Anlagen die Kinder
spielen, Frau Arbeiterrat Meier halte ihre liebe
Rot mit den, dreijährigen Pepi, der gar nicht
folgen wollte.

„Pepi, wenn Du jetzt nicht folgst, sag' ich's
dem Vater!"

Machte keinen Eindruck auf Pepi.

„Pepi, wenn Du nicht sofort herkommst, kriegst
Du nichts zu essen,"

Machte keinen Eindruck,

Da wandte Frau Arbeiterrat die stärkste ihrer
Künste an: „Pepi, wenn Du nicht augenblicklich
brav bist, dann kommt die Gegenrevolution!!"

Pepi war brav. Karlchen

Oec neue piutarch

„was wäre aus Ihrem Mitteleuropa geworSeN/
wenn wir gesiegt hätten?' wuröe Kcieörich Naumann
von einem Interviewer gefragt.

„Nun/ ein wirtschaftlich unabhängiges unö voll-
kommen abgeschlossenes Gebiet/' anlworleieNaumann.

„Das letztere hätten wir ja wohl erreicht!" meinte
Ser Besucher.

*

Die Unbeteiligten

Drei Worte nenn' ich euch, inhaltsschwer,
Bekannt in den weitesten Kreisen;

Sie sage» alles und können mehr
Als endlose Reden beweisen:

Sie künden Vertrauen und Zuversicht:

Ra also! — na wenn schon! — warum denn nicht?

Sie heben des Bürgers gesunkenen Mut
Und lassen ihn alles ertragen,

Besänftigend wirken sie auf das Blut
Besonders in unseren Tagen,

Da Wurschtigkeit oberste Bürgerpflicht:

Na also! — na wenn schon! — warum denn nicht?

Man rückt sich die Zipfelmütze auf's Ohr
Und pfeift auf die lausigen Zeiten,

Dann nimmt man gemächlich die Zeitung vor
Und stöbert nach Neuigkeiten:

Man liest, wie der Pole in's Land einbricht -
Na also! — na wenn schon! — warum denn nicht?

Man liest von Weimar, Versailles und Spa,
Von Elend und Aufruhr und Jammer:

Dann sieht man nach, ob nod) alles da
In Keller und Speisekammer.

Es reicht noch grad' bis zum jüngsten Gericht —
Na also! — na wenn schon! — warum denn nicht?

So schläft man beruhigt und döst und meint:
Was schiert mich der ganze Bettel? —

Bis plötzlich eines Tages erscheint
Der Mann mit dem Steuerzettel:

Dann sitzt man da mit langem Gesicht —

Na also! — na wenn schon! — warum denn nicht?

Kunz Franzendorf

Maßnahmen der persischen Räterepublik

Zum Schutz der Errungenschaften der persischen
Revolution wurden die Führer des Spartakus-
Kommunistenbundes in Freiheit gesekt.

Zum Schutze der mehrheitssozialistischen Mi-
nister wurden diese immerhin verdächtigen Leute
abgesetzt und eingesperrt.

Zum Schutz der Pressefreiheit der neuen Re-
publik wurde der Presse ein Maulkorb umgehängt.

Zum Schutz der persischen Nationalversamm-
lung wurde eine Anzahl Abgeordneter nach Schah-
el-hen, ins Gefängnis abgeführt.

Zu», Schutz der Arbeit wird der Generalstreik
proklamiert. * Beda
Register
Plutarch [Pseud.]: Der neue Plutarch
A. W.: Das neueste Testament
[nicht signierter Beitrag]: Schiller an das deutsche Volk
Arpad Schmidhammer: Illustrationen zum Text "Der neue Plutarch"
-o-: Ein Interview
Friedrich (Fritz) Heubner: Überlegung
Kunz Franzendorf: Die Unbeteiligten
Karlchen: Allerlei
Beda: Maßnahmen der persischen Räterepublik
 
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