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Die Kremüe

LS springen Ziegen am Otrastenranö.

Unö Bauern/ öie Reisbünöel in Üer yanch
Zieh» unter Manöelbäumcn hin.

Oer Tag hat sonnigen Arbeitssinn.

LS hocken Verkäuferinnen am weg,

Mit Käufern versunken im hanöelsgespräch.

Unö LambuS schottet mit hohem Ätcauh,

Unö Käsige schaukeln am Strohmattenhaus,

Unö Kinäer spielen am Treppcnstein,

Vom nahen Reisfelü glänzt Öpiegelschein
Oes Wassers, öaS um öie NeiSöhre steht.

Unö eine Kokospalme weht
Unö winkt ins blaue Licht hinaus.

Oie alle sinü wohl unö warm zu yauS.

Nur ich schaue zu mit fremüen Slick
UnÜ trage Sie Zremüe als Stein am Genick.

Mar Oauthenöeg f

M. Mos«

Kcühlingsnacht

yell steigt öer Monö um öie Kastanienbäume.
Still ist öie Nacht. Oie Schatten weröcn Üicht.
Unö traulich engen sich öie tzäusersäume.
wie ist öer Monö so selig überglänzt
von einer fernen Sonne Licht,

ÜaS er Üer Lrüe feierlich krcüenztl
10, wie hier örunten alles blüht unö - lenzt!
Unö wie Sie Seele öankbar mitgenieht
öer Sonne milües, wunüertieses Leben,
öaS sich üurch ihn, ln wonnevollem Schweben,
auf uns ergießt.

Geliebter üu, wie öaS Gestirn öort öroben
an seiner fernen Sonne hängt...
unö alles Leuchten nur üurch sie empfängt ~
so habe ich mein Licht von Sir empfangen!
UnÜ was ich gebe nun an Lieb unö Glück,
öaS ist von öir ... unö kehrt zu üic zurück!

Lva Schroter

Die letzte Gefahr

Boy

Franz Adam Beyerlein

Co ziemlich heil, trotz der vielen Frontjahre,
saß der Major mir wieder gegenüber, behaglich
in dem tiefen Stuhl. Kummer und Groll waren
von der Seele geredet, und ein edles Reben-
wachsium warb immer dringender um frohere,
mildere Gedanken. Endlich ergab er sich.

..Seltsam!" sprach er. ..Alles Tragische hat
einen komischen Schnörkel. Bier lange Jahre
haben meine Nerven ausgehaltcn, — ohne mein
Verdienst, id) muß sie so stark wie Schiffstaue
haben, — und id) bin nicht zusammengebrochen,
niemals und nirgends, aber zuletzt —I"

..Das ist begreiflich," nickte id), ..die gewalt-
same plötzlidie Umstellung alles Denkens."

Aber er wehrte ab: „Das wäre ja wieder die
Tragik. Das ist's nid)t. Nein, nein, einer Lächer-
lid,kcit wäre ich um ein Haar noch zum Opfer
gefallen. Und viel später war das, als Sie
meinen, viel später. Wir halten längst Frank-
rcid) und Belgien hinter uns gebrad)t, auf wund-
gelaufenen Füßen, weil die Herrsd>aften hier innen
alles geplündert hatten, sodaß id) »reinen armen
Leuten nid)t mal heile Stiefel schaffen konnte.
Dann waren wir anr Rhein verladen worden und
bis ins Westfülifdie gekommen, da hieß es mit
einmal: es geht n!d)t weiter, raus aus dem Zug!
Sdion ganz in der Nähe der lippisd>en Grenze
wurden wir einquartiert, und — Ehre den west-
fälisd)en Bauern! Meine Leute, die sid) spindel-
dürr gerannt hatten, nahmen sidillirh wieder zu
und strahlien, wenn man sie nad) Unterkunft und
Verpflegung fragte. .Herr Major!‘ sagten sie,
weiter nid)ts, aber der Ton madite die Musik.
Auch id) halt' es beiin Pfarrer — katholisch natür-
lid) — ausgezeichnet getroffen. Ein lieber, guter
Mensch war das! Er hätte sid) das Hemd vonr
Leibe weggesd>enkt. Idj mußte ordentlich bremsen,
daß er nid)t meinetwegen verarmte. Z. B. tisd)te
er gleid) mittags Wein auf, ganz guten Wein.
Das bin id) nid)t mal gewohnt, es mad)t mid)
für den Nad)mittag allemal dumm, und als er
mir seine Pfarre gezeigt hatte, war id) bod) auch
im Keller gewesen und hatte gesehen, daß gar
nid>t so sehr viel Flasd)cn im Sande lagen. Also
mittags fiel der Wein weg, dafür fuhr er nun
abends das doppelte Quantum auf. Dazu Ver-
pflegung — seine Schwester führte ihm Haus, —
kurz und gut, hier halte der Krieg noch red>t weirig
Spuren hinterlassen — abgesehen von den Kreuzen
im Kird>enbud), und das waren gar nid)t so we-
nige. Es war ja vielleid)t nidjt recht, daß die
Westfälingcr ihren Schinken und ihren Speck auf-
gespeid)ert hatten, aber daß sie's jetzt für die Sol-
daten herausrückten, das war entfd)ieden ein schö-
ner Zug von ihnen. Meine Leute meinten das

auch. Nur in einem ging es knapp her dort, in
der Heizung. Es gab weder genug Kohlen, nod)
Torf. Deshalb wurden z. B. im Pfarrhaus nur
zwei Räume geheizt, die Küche und das Studier-
zimmer. Und darin eben verbarg sid) die große
Gefahr. Denn auf diese Art war ich mit meinem
Pfarrer tagsüber zusammengesperrt, und mein
Pfarrer redete gern. Was sag' id): redete gern!
Er hatte den unwiderstehlid)en Drang zu reden,
er war von der fixen Idee zu reden besessen) er
wäre geplatzt, erstickt, auf dem Fleck gestorben,
wenn er nid)t geredet Hütte. Das Ganze war
nidjt geschwätzig im eigentlichen Sinne) es war
etwas Ruheloses, Krampfhaftes, Krankhaftes da-
bei Manchmal schwieg er plötzlid), und es konnte
fdieincn, als sd)äme er sid) seines Betragens, fo-
gleid) aber setzte die Maschine wieder ein und
machte die doppelte Zahl Umdrehungen. Wie er
sagte, hatte er geled)zt nad> einem gebildeten Men-
fdjen. Biel Überhebliches lag ja darin, aber mair
mußte bedenken, er hatte früher in der Welt ge-
lebt, in Münd)en und Münster studiert, und jetzt
zählte feine Gemeinde 180 Seelen, der näd)fte
Ort war sieben Kilometer entfernt, feine Sd)wefter
hörte nidjts mehr, er hatte sie offenbar taub ge-
redet, und nur alle vierzehn Tage kamen zwei
Amtsbrüder zum Skat. Bei seinen Bauern schließ-
lid) —? .Stumpfe Hirne st sagte er. Na, so sehr
stumpf fdjienen mir Sie Hirne nun gerade nidjt,
wenigstens was davon aus den Augen heraus-
fd>aute, und id) dadjte mir mein Teil: er hatte
sich offenbar mal gründlich den Mund verbrannt.
Also nun war ich sein Opfer. Und zwar wurde
id) ganz richtig umgarnt. Es war, wie wentr
einer Schulden macht. Erst merkt man gar nidjts,
und auf einmal steckt man drin, daß einem das
Wasser zur Gurgel hineinläuft. Id) hatte wohl
sd>on immer ein unbestimmtes unangenehmes Ge-
fühl gehabt, wenn er gar nicht aufhörte zu sd)watzen,
aber zuerst glitt das an mir ab, bis id) plötzlid)
wußte: id, bin fertig, id) breche zusammen, wenn
er so weiter redet. Bon was er sprad>? — Bon)
Krieg, vom Waffenstitlstnnd, votn Frieden, von
Deutschland, von England, von Wilson, vom
Wetter, von seinen Beichtkindern. von nieinen
Leuten, von sid), von mir, vom Essen. Trinken,
Raud)en, kurz, von allem und von nidjts. Es
war nidjt eigentlich dumm, was er vorbrachte,
aber auch nidjt sehr klug. Ridjtige Mittelware.
Und immerzu, immerzu. Dabei klebte der gute
Mann wie Ped). Z. B. sagt' tdj: .Nun will id)
mal nad) meinen Leuten sehen,' oder: ,Id) will
dod) mal meine Herren besuchen,' oder: .Heute
muß id) aber mal der elften Kompanie in Uchten-
hagen guten Tag wünsche».' Was antwortet er
darauf: .Wenn es nidjt unbescheiden ist, mein
hodjverehrter Herr Major, dürft' idj Sie dann
wohl begleiten?' Und idj bracht' es nidjt über
midj, dem sonst liebenswürdigsten aller Quartier-
wirte gegenüber grob zu werden. Also saß er mit

im Krümper rmd redete bis Udjtenhngen, in Uchtcn-
hagen selbst und zurück. Reiten könnt' ich leider
nicht, Senn idj war von Balencienncs bis Köln
samt meinem Adjutanten auf Sdjusters Rappen
unterwegs gewesen; die Gäule hatten wir ein-
spannen lassen, damit wir nur alles mit fort-
bekamen, und mein fdjönes Sattelzeug war dar-
über in Verstoß geraten. Außerdem war das
Wetter gar zu miserabel. Dazu dunkelte es bei-
zeiten. Es blieb tatfäd)lidj nidjts Anderes übrig
wie die warme. Helle Studierstube, — aber eben
mitsamt deni Pfarrer."

Der Major sthien einen Bazillus von der west-
fälisdjen Pfarre abbekommen zu haben. Er hatte
so eifrig erzählt, daß ihm die Zigarre ausgegangen
war. Jetzt zündete er sie wieder an, trank einen
Sdjludi und fuhr fort: „Eine einzige Ruhezeit
gönnte mir das Schicksal. D»s war, wenn mein
Pfarrer in der Kirdjs Messe oder zu Hause sein
Brevier zu lesen hatte. Er nahm das sehr ge-
wissenhaft, und wenn er mal von einer Seite
garnichts orbenltidj aufgefaßt haben mochte, fing
er sie allen Ernstes nodjmal von oben an. Aber
trotzdem: wie versthlang der Mann die Zeilen!
Das war nun die Stunde der Erquickung für
mich, wo mein geplagter Geist gewissermaßen alle
Biere von sid) streckte, und id) leugne nidjt, daß
id) allemal mit einer gewissen Sdjadenfrcude zn-
schaute, wenn er mißmutig Sie Seiten überblätterte,
Sie er nod) lesen mußte. Abends spielten wir
Skat, der Pfarrer, mein Adjutant unS idj. Beini
ersten Mal machte mein Leutnant, ein tapferer
Mann, große Augen. Zum Abschied drüdtte er
mir die Hand und sagte: ,Das ist ja furdjtbar,
Herr Major!' Am zweiten Abend verlor er über
zwölf Mark, obwohl wir nur um die Viertel
spielten, lachte manchmal ganz ohne Grund, ein
bißdjen blöde fast, und meinte beim Boneinander-
gehen: .Katastrophal. Herr Major, katastrophal!'
Mid) — offengestanSen — lenkte die Beobachtung
des Adjutanten etwas ab, und der Pfarrer ridjtelc
and) seine Redefluten mehr auf iljn als auf mid),
der Abwechslung halber offenbar. Beim dritten
Mal aber wurde mein Leutnant blaß, der Sdjweiß
trat ihm auf die Stirn, und wie idj gerade ein
Piquesolo aus der Hand spiele, ruft er plötzlid):
.Trumpf, Trumpf, Trumpf I!' und haut lauter
kleine Careau auf den Tisd). Dann madjt er gegen
den Pfarrer laut und deutlich ,Huh!st — ein Mensch
von tadellosen Manieren! — rmd stürmt ohne
Mütze und Mantel fort, in die Nacht hinein.
.Den haben Sie auf dem Gewissen. Herr Pfarrer,'
bemerke id). .Wieso?' fragt mein Wirt. .Sie
haben ihn kaput geredet. Wir sind nümlid) vom
Felde her Stille gewöhnt. Hödjstens Kanonen-
donner oder Masäjinengewehrfeuer können wir
vertragen.' ,OH, das tut mir leid. Aber Sie
mögen nicht unrecht haben. Meine Sdjwester be-
klagte sid), ehe sie taub wurde, auch darüber, daß
idj mitunter ein wenig zu viel sprädje.' — Mit-

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Register
Maximilian Dauthendey: Die Fremde
Franz Adam Beyerlein: Die letzte Gefahr
Max Moser: Vignette
Eva Schröter: Frühlingsnacht
 
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