Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Hindenburg zum Abschied

In des Krieges schwersten Tagen
War er Deutschlands Hort und Zier,
Hat von Sieg zu Sieg getragen.

Nie erschüttert, nie geschlagen
Unser schimmerndes Panier.

Hoffnungsfroh und gläubig blickte
Da sein Volk zu ihm empor,

Bis uns Übermacht erstickte,

Bis das Unheil uns umstrickte,
Härter als ein Volk zuvor.

Doch auch dann blieb er im Gleise,
Zagte nicht und wankte nicht —
Stark und einfach tat der Greise
Zn der alten stillen Weise
Selbstlos seine schwere Pflicht.

Wieder ward er so aufs neue
Uns der Hoffnung ein Symbol:
Hoffnung, dast aus Not und Reue
Uns die Arbeit und die Treue
Aufwärts führt zu Glück und Wählt

Und nun ist er in den Frieden
Schwer verdienter Altersruh'

Aus der lauten Welt gesclsieden
Und nun rufen wir dem Müden
Dank und Segenswünsche zu... .

Dauernd wird sein Bild erstrahlen
Zn der Nachwelt goldnem Buch:
Doch die heut' als Sieger prahlen,
Wird die Zukunft noch bezahlen
Mit Vergessenheit und Fluch!

F- O.

Der bayrische Löwe

Ein Vielakter

«Schauplatz: Bayern. Personen: der bayrische Löwe;
der Zeitgenosse)

0er Zeitgenosse. Sic, Herr Löwe, haben Sic ge-
hört: Revolution ist! Die Dynastie ist gestürzt,
Sie sind freier Volksstaut geworden!

ver bagr. Löwe. Genga's zua! Revolution? In
ja, des gibts! No, wern ma halt den Land-
tag wählen, den freiesten Landtag der Welt.
Guat is. Mei Ruah möcht i!

Sec Zeitgenosse. Sie, Herr Löwe, paffen Sic auf!
Die Spartakisten machen sich mausig: den Land-
tag wollen sie nicht — den freiesten Landtag der
Welt! Keine Volkswehr solls geben dürfen
gcgens Gesindel! Der Mühsam, der Landauer,
der Toller, der Leoien, der Leoins-Nissen. . .

0er bagr. Löwe. Mei Ruah möcht i!

0er Zeitgenosse. Herr Löwe, Herr Löwe! Jetzt
haben sie den Eisncr erschossen, den Auer! den
Landtag auseinandergejagt!

0er bagr. Löwe. Krutzitürken! Jetzt möcht i bald
selber .... Aber no, der Schneppenhorst in
Nürnberg, der wirds ihnen fcho zeign! Guat is.
Mei Ruah möcht i!

0er Zeitgenosse. Aufgewacht, Löwe! Feuerjo!
Räterepublik, Mord und Brand!

Ser bagr. Löwe (fährt aus dem Schlaf). Bluat-
saa! Auf gehts! (er will aufspringen: die Tatzen
sind ihm gefesselt) Bazi elendige! Jetzt Habens
mir mei Bratzen banden, derweil i gschlafcn Hab!

0er Zeitgenosse. Getrost, Herr Löwe, Kopf hoch.
Hilfe ist nah! Das Reich, die Württemberger,
die Preußen! (Dem Löwen werden die Fesseln
zerschnitten, er springt auf und brüllt).

0er bagr. Löwe. Mei — (er bricht jäh ab, schüt-
telt die Mähne und holt wütend mit der Tatze
aus gegen die Räterepublik. Der Vorhang
fällt. Aber die Hoffnung besteht, daß sich der
Löwe nicht sobald wieder niederlegen wird.)

Folgenschwere Unvorsichtigkeiten

Wer hätte gedacht, daß schon der bloße Ein-
zug der Reichswehrtruppen in München eine ganze
Reihe von Unglücksfällen und gesundheitlichen
Störungen mit sich bringen würde?! Hat das
Oberkommando nicht die nötige Vorsicht an den
Tag gelegt, nicht die crforderlicl>e Voraussicht be-
sessen?!

In Sendling verfiel ein ehemaliger Soldaten-
rat in schreckliche Nervenkrämpfe, als er einen
württembergischen Offizier mit Achselstücken er-
blickte.

Eine fünfzigjährige, hochschwangere Frau im
Nordendviertel, die der roten Armee bereits fünf
Söhne geschenkt hatte, soll vor Schreck frühzeitig
niedcrgekommen sein, als eine einziehende Rcgi-
mentsmusik das Lied „Deutschland, Deutschland
über alles" intonierte.

Ein vorübergehender spartakistischer Soldat be-
kani einen langandauernden Nervenschok, als ein
preußischer Oberleutnant vor seiner Konipunie
„Stillgestandcn" kommandierte

Das schlimmste hat sich aber in Gieiing ab-
gespielt. In der Wohnung einer mehrköpfigen
kommunistischen Familie, die dem Bollzugsrat
sehr nahe stand, erschien eine Gruppe Soldaten
mit schwarz-wein-rotcr Kokarde.

Den armen Mitgliedern der Familie, die eben
Brotzeit machten und einige beschlagnahmte Schin-
ken verzehrten, blieb vor Schreck und Aufregung
ein Stück Speck im Halse stecken, so daß die
Gefahr des Erstickens sehr nahe lag. Nur einem
außergewöhnlichen Umstund verdanken sie ihr
Leben: der älteste Sohn, der bei der roten Garde
diente, war noch ini Besitz eitriger Flaschen rocht
guten Rotweins. Eiligst wurden diese entkorkt
und mit dem flüssigen Inhalt die Hindernisse in
den Hals hinabgeschwcmmt.

Die schwer betroffene Familie konnte nun ruhig
die Brotzeil beenden. Depp

*

Die arme Kuh

Frau Wirtin hatt' auch eine Kuh.

Vergnüglich brüllte sie ihr Muh
Und ließ sich fröhlich melken.

Und war ihr Bauch mit Heu gefüllt,

Ihr Euter tät nicht welken.

Da sprach der Oberlmecht, der Schelm:

„Was melken wir die Kuh nicht sclm
Und trinken selm die Millich?!" —

Und sieh: Bier Knechte melkte» sic . . .

Es ging. Die Kuh war willich!

Sie melkten dreimal sie im Tag
(Das hatte einen andern Schlag!)

Und brauten Käs und Butler
Und aßen alles selbst. Jedoch
Vergaßen sie das Futter.

Ai» dritten Morgen in der Früh,

Da röchelte das arme Bich
Und ließ d:e Zunge hängen . . .

Der Großknecht gab ihr einen Tritt
Und griff nach ihren Strängen.

Umsonst! — Der Großknecht schrie empört:
„Die Bestie ist nicht aufgeklärt
Und legt die Arbeit nieder. —

Frau Wirtin, nimm die Kuh zurück!

Ich hol' sie später wieder."

Der verlauste Reichstag

(Üt'cr das Reichstagsgebäude wurde eine Sperre
von 40 Tagen verhängt, da es mit Läusen ver-
seucht ist.)

Oh was sind das doch für Lausezeiten!

Selbst dem kühnsten Kammerjäger graust!

Jetzo ist zu allen andren Leiden
Auch der hohe Reichstag noch verlaust.

Ob Ulan Sozi, liberal, Agrarier,

Ist dem scheußlichen Insekt egal,

Denn die Laus, sie ist kein Vegetarier,

UndHer Mensch ist ihr ein Festtagsmahl.

Ordnungsrufe sind ihr gänzlich schnuppe,

Sie hat kein Talent zur Besserung,

Einzeln macht sie, oder auch in Gruppe,

Schnöd von Bank zu Bank den ,, Hammelsprung".
Ist erst ihre Angriffslust entzündet,

Ruiniert sie Alles weit und breit,

Ob auch laut der Präsident verkündet:

„Nur noch fünf Minuten Beißezeit!"

Sagt, wie räumt man Saal und Galerieen
Bon dem unverschämten Lausepack?

Läßt man sie vor Schwefeldämpfcn fliehen?
Bricht man jeder einzeln das Gcnack?

Nein, nicht also sollt Ihr sie befehden,

Folget meinem Rate und Gebot:

Lehrt sie sprechen und ich wett', sie reden
Sich in Kürze gegenseitig tot! Karlchen

Rat der Schildbürger

In unsere Mctallhandlung kommt ein Klemp-
ner und verlangt Zinkblech. Wir dürfen indessen
diese Ware nicht ohne Erlaubnisschein des Arbeiter-
rates abgeben; so geht der Klempner an diese In-
stanz und verlangt zwanzig Tafeln Blech. Der
Rat lehnt ab: so viel bewilligen wir nicht. Er
stellt einen Bedarfsschein folgenden Inhalts aus:
„2 Tafeln Zinkblech darf sich der Instalitör X
von der Firma P hohlen."

Der Klempner kratzt sich den ratlosen Kopf:
„Ja, ich Hab da ein Doppelhaus zu montieren
und noch andere Kleinigkeiten zu machen; mit
zwei Tafeln komme ich beim besten Willen nicht
aus."

Der hohe Rat bespricht sich, und das aus-
führende Organ kommt schließlich dem Mann ent-
gegen: „Wir haben beschlossen, Ihnen noch zwei
Tafeln zu bewilligen." Er nahm den Bezugs-
schein wieder und fügte den zweiten Zweier fol-
gendermaßen ein: „22 Tafeln Zinkblech darf sich
der-hohlen." A. B.
Register
Depp: Folgenschwere Unvorsichtigkeiten
A. B.: Rat der Schildbürger
Karl Ettlinger: Der Menschenfreund spricht
Puck: Neuer Heiliger
F. v. O.: Hindenburg zum Abschied
Beda: Die arme Kuh
Till: Der bayrische Löwe
Karlchen: Der verlauste Reichstag
 
Annotationen