Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext



Das neue Fach

Durch das neue Volksschulgesetz wird endlich auch
der Zölibat der Lehrerin aufgehoben.

Endlich ist vom Männerhassen
auch die Lehrerin befreit;
nicht mehr braucht sie zu verlassen
ihre Schülerinnenklassen
wegen einer Kleinigkeit.

Nein, empfangen darf sie jährlich
Kinder vierteldutzendweis; '
so vermag nicht nur belehrlich,
sondern sich auch volksvermehrlich
zu betätigen ihr Fleiß.

Es erwartet der moderne

sozialgesinnte Staat,

daß auch dieses Schulfach gerne

jede Lehrerin erlerne,

wenn es einmal obligat.

Doch um Übung zu gewinnen,

bis nlan sie dazu berief —

können nicht zunächst beginnen

'mal die Fräul'n Lehrerinnen

wenigstens fakultativ? A. D c N or a

Die Entente verfügt

In einer Note vom 8. Mal hat Reichsminister
Erzbergcr der Entente angekündigt, die deutsche
Regierung werde ihre gesamten Streitkräfte aus
Livland und Litauen herausziehen. Hierauf teilte
General Nudant mit, die Entente hätte beschlossen,
Deutschland habe alle Streitkräfte in Livland und
Litauen aufrecht zu erhalten.

Bürgerliche Zeitungen empören sich über die
Maßnahme der Entente, die sich das Verfugungs-
recht über deutsche Streilkräfte anmaßt. Sehr zu
Unrecht. Denn, wie die Entente selber erklärt, ist
cs eine hohe Auszeichnung für deiltsche Truppen,
gleichsam unter dein Oberbefehl der Entente zu
Kämpfen und zu sterben. Denn früher
wären die deutschen Soldaten Hun-
nen, Seeräuber und Leichcnichänder
gewesen. Aber schon das Recht, unter
der Oberhoheit der Alliierten und
Assoziierten mitkämpfen zu dürfen,
stellte die Deutschen jetzt auf die
Höhe und Kulturstufe der Sonegal-
schützen, Kongoneger und Spahis.

Darin liege eine hoho Anerkennung
der deutschen Armee seitens der En-
tente. Es sei gar nicht ausgeschlossen,
daß die Alliierten späterhin deutsche
Truppenteile in Marokko, Ägypten
und Indien verwenden würden,

Deutschland werde froh sein, wenn
seine arbeits- und brotlos geworde-
nen Soldaten seitens der Entente
Beschäftigung finden. Insbesondere
sei Frankreich nach wie vor bereit,
einen grotzen Teil der demobilisierten
Armee in seine Fremdenlegion auf-
zunehmen. * Depp

Liebe Jugend:

Als der bolschewistische Furor in
Südbagern tobte, zog eine schreiende
Menge vor das Gefängnis unserer
Stadt und gedachte, dessen Gäste zu
befreien

Der Gefängnisdirektor war sehr
dagegen.

„He — Sie!" schrie er auf den
brüllenden Spartakistenführer ein,

„das ist ein Staatsgefängnis und
keine Befreiungshalle!"

Der Bariskcrhans


Die (Separatisten

Der Drang nach Selbständigkeit ist etwas
Schönes. So ist es auch ganz begreiflich, daß
sich immer mehr Leute finden, die in Rheinland-
Westfalen, ln der Pfalz, im Saargebiet und
sonstwo noch selbständige neutrale (nebbich!) Re-
publiken aufmachen wollen. Die Verlockungen
sind auch zu groß. Man sucht auf mehr oder
weniger (meist weniger') anständige Weise von
Deutschland loszukommen, verspricht fid) davon
eine verminderte Beteiligung an der Tragung
der ihm auferlegten Lasten und schielt mit beiden
Augen nach den vollbesetzten Tafeln des Sie-
gers Trotz alledem: wie unvollkommen sind die
Freuden dieser Erde and) bei möglichst naher
Anlehnung an die Leibesfülle der Jungfer En-
tente. Wenn schon separiert werden soll, dant)
aber auch gründlich! Von dieser Auffassung ist
eine Gruppe von kerndeutschen Männern aus-
gegangen, die schoti lange mit der Absicht um-
gehen, sich und ihre Heimatprovinz dem Wirkungs-
bereich der deutschen S euergesetzgebung zu ent-
ziehen, die andererseits aber auch von dem Anschluß
an eine andere Nation rtidit das Wohlleben er-
warten, das ihnen nach ihrer Meinung gebührt.
Die guten Leute haben also allen Ernstes den
Entschluß gefaßt, bei erster sich bietender Gelegen-
heit mit-den Bewohnern des Sirius Fühlung
zr> nehmen und eine Angliederung an diesen
Planeten anzubahnen. Sobald der vom Welt-
krieg vollständig verschollt gebliebene und in
denkbar besten Verhältnissen befindliche Stern
wieder einmal in Erdnähe kommt, will sich die
fragliche Provinz in der Form eines Meteors
vom Derltschen Reicl>e los lösen und sich an
den Sirius anhüngen. Tanrit sich die Loslösung
recht leicht vollzieht, hat man die Provinzgrenzen
schon jetzt mit einen) Spaten abgesteckt. Flug-
blätter, die bereits in Druck gegeben sind, werden
den übrigen Bewohnern der Erde von der voll-
zogenen kosmischen Umwälzung Kunde geben.
Eins davon schließt mit den Worten: Los von
Beriin! Los von Preußen! Los uoti
Deutschland! Los von der Erdoberfläche!

F r a n z e aus Berlin

A. Sc'-midrn

1'/

m

»v«'

vV



Dompteur Wilson

Klio

(Ein deutsches Sonett)

Als sorgenschwer bereits der Zweifler unkte,

Er süh das Reich in einen Abgrund stürzen,
Klangs hoffnlingsfroh: „Wir haben ja die vierzehn
Gerechten Völkerfriedens - Wilfonpunktc!"

Doch als es ringsum drahtete und funkte,

Wie sie mit Rachesaat den Frieden würzen,

Da klang es minder hoffnungsfroh in Kürzen:
„Ob ,EL uns trotzdem in die Tinte tunkte??"

Wir sitzen drin! Frau Klio nimmt den Stichel
Und kratzt auf ihre Tafel — ganz am Rande —
Nervös zutn Text als Korreklurenskizze:

„Nicht vierzehn Punkte — vierzehn

schlechte Witze!"
— Wen)) sie das leider s e l b st rtidjt früher spannte,
Wie sollt' cs da der glaubensstarke Michel?

I. A. Sowas

Clemenceau, der Gemütsmensch,

erwiderte kürzlich auf den Einwand, man könne
die 60 Millionen Deutschen nicht umbringen,
hoheitsvoll: „Es sind eben 20 Millionen zu viel
da!"

Gut gebrüllt, Tiger! Es sind immer noch
20 Millionen zu viel da! Mag man auch durch
eine Blockade noch so viel Kinder, Greise und
Kranke auf unblutige Weise guillotinieren, mag
man auch ganze Länderteüe von Deutschland los-
trennen, — es sind immer noch zu viele da.
Umsomehr, da das „Selbstbestimmungsrecht des
Klapperslorchs" die Boches gegenüber der Großen
Nation so bevorzugt!

Was tun? spricht Gemütsmensch Clemenceau.
Eine indische Hungersnot und Pest in Dculsch-
land arrangieren? Das wäre ein Plagiat an Eng-
land. Jeden dritten Deulschen zum Franzosen er-
klären? Das wäre eine zu große
Gefahr für den Clemenceaujchen
Imperialismus.

Dlable, das Problem, den dritten
Teil aller Deutschen auf human aus-
sehende Weise aus der Welt zu
schaffen, ist schwierig! Ich will Clc-
mcnceau einen guten Rat erteilen:
Man gebe an allen deulschen Skat-
und Tarock-Tischen dem dritten
Mann so schlechte Karten, daß ihn
der Sei, lag trifft!

Wetten, daß Weltpfarrer Willon
einverstanden ist?? —ul-

Dichter

„Ich habe," erzählte mir ein
Modcliterat, der in den Leihbiblio-
theken immer vergriffen ist und
neuerdings auch in Politik nracht,
„die Geschichte unscrerRevolution be-
reits niedergeschrieben. Fünf Bände
werden es fein."

„Ja, aber die heutigen Schwie-
rigkeiten der Drucklegung," werfe
ich ein.

„Ach, da maciie ich mir keine
Sorgen."

„Wenn aber Ihr Werk dem Ver-
leger nicht gefällt?"

„Nun, was weiter? Dann kann
ich ja den Stoff immer noch zu
einer Operette verwenden."

Karl Alexander

- (München)

K

51Ü
Index
J. A. Sowas: Klio
Franze aus Berlin: Die Separatisten
Depp: Die Entente verfügt
A. De Nora: Das neue Fach
-ttl-: Clemenceau, der Gemütsmensch
Der Variskerhans: Liebe Jugend!
Karl Alexander: Dichter
Arpad Schmidhammer: Dompteur Wilson
 
Annotationen