Adolf packte seinen Koffer, verschlos; Schreib-
tisch, Bücherschrank, Zimmertür, Wäschespind,
Nachttischchcn, Regulator, Schlafstube, die Vitrine
und das Buffet, versorgte auch das Pale-Schloß
und legte, zur Kontrolle, eine versiegelte Blei-Plom-
be an. Dann fuhr er, angetan mit Reisemautel,
Reisemühe unb Reiseschirm, versorgt mit Reisegeld,
Reisepaß und Reise-Kalender, kurzum: ganz auf
Reise dressiert und in Reise dressiert, fuhr er
schlankweg, weg. Und sagte: Auf Wiedersehen.
Der Mensch (Adolf!) sagt und Toni Hinterzupf
wagt. Toni, der Einbrecher.
Adolf, noch keine fünf Tage unterwegs, findet
eines Morgens das Telegramm: „Plontbe ent-
zwei."
Findet, mittags, das zweite Telegramm:
„Sclilos; erbrochen."
Und, abends: „Wohnung ausgeraubt"
Der gründliche Adolf schüttelt drei Mal das
Haupt.
Dann ist er am Ende seiner Überlegung und
sagt zu sich selbst: „Alles in bester Ordnung. Ich
bin versichert."
Er trinkt nun eine Pulle Rotspon und sieht
keinen Grund, seine Reise abzubrechen.
Eine Woche später kehrt Adolf heim. Er fin-
det in seiner Wohnung noch einiges vor. Zltin
Beispiel die Heizkörper der Zentralerwärntung.
Aber auch Schränke, und sogar den Schreibtisch.
Der gründliche Adolf begibt sich alsbald ans
Telefon und läßt sich mit dem Direktor der Ein-
bruchversicherung „Greif" verbinden
„211" sagt der. „Wiedermal bei Ihnen ein-
gebrochen?"
..Wieso wiedermal?" meint Adolf. „Eben erst.
Bor acht Tagen erst. Ich will das anmelden "
Da bittet der Direktor un> Adolfs Besuch.
Adolf kommt und spricht.
Der Direktor hört es und fallt auf den Rücken.
Adolf hört seine Entgegnung, fällt aber, da
ihm Übertreibungen von jeher widerlich gewesen
sind, nicht auf den Rücken, sondern . . . fonbern
er gleitet auf einen der Clubscsscl nieder.
Denn er muß erfahren, daß der Einbrecher so
gefdjeit gewesen ist, auch die — Einbruchs-Ver-
sicherungspolize mitzustehlen. Und daß er die
Summe: vicrzigtaufetid scl>ötie Mark gestern vor-
mittag abgeholt hat. — Denn Totii Hinterzupf
hat sich mit den besten Ecgitimationen (aus Adolfs
Schreibtisch) versehen gehabt.. .
Adolf. Du siehst es: Manche Leute sind noch
gründlicher als Du. .
Weltabendlied
eines spartakistischen Lyrikers
Von Hermann Stchr
Leer und schlaff wie die Brust einer alten
Entehrten, grau gleich dem Kummer des Zucht-
hauses, blöder Stierheit voll des Duselgeiers der
Trinker, so . . . So!! . .. Soooo — soooo —
sosososo, verstuchter Abend, steinzerriebener Tag,
Straßeuseeleukehricht, tigerst du geduckt und leis-
sohlig vorbei an meinem Fenster.-
O und Ich!
Jh und ... O!!
Ich, O und ... und Ich: O—: O-o! - o-O!
Gestürzter Gott. Syriusbrauser. Sonnen»
zerklirrer.llLolkendurchreißer.Sternenvernichter...
O und Ich!
Ich und ... O!!
Ich, O und ... und Ich: -O -: O-o! — o-O!
ich stiege nicht mehr. Sturmmüde, slügelge-
brochen vergiftet von Laterneupest. Nahe a:n
Ekel mein heiliger Eifer, kieloben mein Hirn,
zu Wahusinnsmus zerstraßt, zerbohrt zu geiler
Nauchbrunst die abgeleierte Litanei, alter Ge-
danken.
Geliere reden nicht mehr.
Der Menschenhunde kugclgeschwollne Ge-
därme schweigen. Gottes-, Küchen- und Staaten-
abfall verfaulte i» meinem Atem.
Zerrieben die Städte!
Die Mordgespenste der alten Schlächterkultur
zcrfeirt durch den Borstenvulkan meines Extasen-
munds.
Tot alles' — $ooo... t! Tot!!
Meine Panzcrwageugurgel, Fluchkanonaden,
Maschinengcwehr-Wörterhagel,Hexenstrom(hihi)
Luilgenmineuwurf zerkaitatschte das Antlitz der
alten Schergenerde.
Alles leer!
Die Sonniie weiß nicht mehr zu kreisen im
Nickis und fällt vom Himmel.
Der Abend des Tages wird Abend der Welt.
Au seiner Leichenblässe verkommt der Mond.
Oer Silbcrkuhlersekt der Sternfontäne schäumt
und spritzt (pschschscht! pfftt!!) zum letzten Mal.
Nichts als Wvlkengeriesel ewiger Finsternis.
Wogen chaotischen Endes — und drüber,
drue — ber! — das Phosphoreszieren der
Schatten meiner Zunkuuflsträume, gedanken-
haftes Daniellächeln über der ausgestunkenen
Bestiengrube der alten Welt.
Ich! O! Ich allein. Ich.! der Becher, aus
dem die Erde kommender Zeit sich göttlichen
Glauzrausches voll trinkt.
Alles, alles verschwand:
Das Spelunkeu-Schlösser-Berlin.
Besoffne Schnapssoldateska.
Wucherer.
Idiotisch gestikulierendes Pack.
Peitschen-Nücken.
Geknöchel knirschender Schädel.
Knochengebälk zerkrachte.
Zerstampft hat alles das Mahlwerk meines
ekstatischen Mundstücks.
Nächtlicher Azurozean nie noch geschauter Ur-
macht, du wiegst mich in deinem Riesenarm.
O und Ich!
Ich und O!
Ich, o, und ... und o, ich, ich ... schoooon,
schoooon, schonschonschon fühl ich in mir das
kribbelude Lüsteln neuen Gebäreus.
Ich habe verschlungen Karawanen knisternder
Skelette, hüpfende Exzellenzen, Sumpfblüten-
wälder aus Bouilloukellern, Leichenwinde von
Hungerhunden.
Und alles das als neue Welt streicht nun
wie melodiöser Gesang warm mir von hinten
davon.
Fjord in Norwegen Ludwig von Schliehen (München)
531
tisch, Bücherschrank, Zimmertür, Wäschespind,
Nachttischchcn, Regulator, Schlafstube, die Vitrine
und das Buffet, versorgte auch das Pale-Schloß
und legte, zur Kontrolle, eine versiegelte Blei-Plom-
be an. Dann fuhr er, angetan mit Reisemautel,
Reisemühe unb Reiseschirm, versorgt mit Reisegeld,
Reisepaß und Reise-Kalender, kurzum: ganz auf
Reise dressiert und in Reise dressiert, fuhr er
schlankweg, weg. Und sagte: Auf Wiedersehen.
Der Mensch (Adolf!) sagt und Toni Hinterzupf
wagt. Toni, der Einbrecher.
Adolf, noch keine fünf Tage unterwegs, findet
eines Morgens das Telegramm: „Plontbe ent-
zwei."
Findet, mittags, das zweite Telegramm:
„Sclilos; erbrochen."
Und, abends: „Wohnung ausgeraubt"
Der gründliche Adolf schüttelt drei Mal das
Haupt.
Dann ist er am Ende seiner Überlegung und
sagt zu sich selbst: „Alles in bester Ordnung. Ich
bin versichert."
Er trinkt nun eine Pulle Rotspon und sieht
keinen Grund, seine Reise abzubrechen.
Eine Woche später kehrt Adolf heim. Er fin-
det in seiner Wohnung noch einiges vor. Zltin
Beispiel die Heizkörper der Zentralerwärntung.
Aber auch Schränke, und sogar den Schreibtisch.
Der gründliche Adolf begibt sich alsbald ans
Telefon und läßt sich mit dem Direktor der Ein-
bruchversicherung „Greif" verbinden
„211" sagt der. „Wiedermal bei Ihnen ein-
gebrochen?"
..Wieso wiedermal?" meint Adolf. „Eben erst.
Bor acht Tagen erst. Ich will das anmelden "
Da bittet der Direktor un> Adolfs Besuch.
Adolf kommt und spricht.
Der Direktor hört es und fallt auf den Rücken.
Adolf hört seine Entgegnung, fällt aber, da
ihm Übertreibungen von jeher widerlich gewesen
sind, nicht auf den Rücken, sondern . . . fonbern
er gleitet auf einen der Clubscsscl nieder.
Denn er muß erfahren, daß der Einbrecher so
gefdjeit gewesen ist, auch die — Einbruchs-Ver-
sicherungspolize mitzustehlen. Und daß er die
Summe: vicrzigtaufetid scl>ötie Mark gestern vor-
mittag abgeholt hat. — Denn Totii Hinterzupf
hat sich mit den besten Ecgitimationen (aus Adolfs
Schreibtisch) versehen gehabt.. .
Adolf. Du siehst es: Manche Leute sind noch
gründlicher als Du. .
Weltabendlied
eines spartakistischen Lyrikers
Von Hermann Stchr
Leer und schlaff wie die Brust einer alten
Entehrten, grau gleich dem Kummer des Zucht-
hauses, blöder Stierheit voll des Duselgeiers der
Trinker, so . . . So!! . .. Soooo — soooo —
sosososo, verstuchter Abend, steinzerriebener Tag,
Straßeuseeleukehricht, tigerst du geduckt und leis-
sohlig vorbei an meinem Fenster.-
O und Ich!
Jh und ... O!!
Ich, O und ... und Ich: O—: O-o! - o-O!
Gestürzter Gott. Syriusbrauser. Sonnen»
zerklirrer.llLolkendurchreißer.Sternenvernichter...
O und Ich!
Ich und ... O!!
Ich, O und ... und Ich: -O -: O-o! — o-O!
ich stiege nicht mehr. Sturmmüde, slügelge-
brochen vergiftet von Laterneupest. Nahe a:n
Ekel mein heiliger Eifer, kieloben mein Hirn,
zu Wahusinnsmus zerstraßt, zerbohrt zu geiler
Nauchbrunst die abgeleierte Litanei, alter Ge-
danken.
Geliere reden nicht mehr.
Der Menschenhunde kugclgeschwollne Ge-
därme schweigen. Gottes-, Küchen- und Staaten-
abfall verfaulte i» meinem Atem.
Zerrieben die Städte!
Die Mordgespenste der alten Schlächterkultur
zcrfeirt durch den Borstenvulkan meines Extasen-
munds.
Tot alles' — $ooo... t! Tot!!
Meine Panzcrwageugurgel, Fluchkanonaden,
Maschinengcwehr-Wörterhagel,Hexenstrom(hihi)
Luilgenmineuwurf zerkaitatschte das Antlitz der
alten Schergenerde.
Alles leer!
Die Sonniie weiß nicht mehr zu kreisen im
Nickis und fällt vom Himmel.
Der Abend des Tages wird Abend der Welt.
Au seiner Leichenblässe verkommt der Mond.
Oer Silbcrkuhlersekt der Sternfontäne schäumt
und spritzt (pschschscht! pfftt!!) zum letzten Mal.
Nichts als Wvlkengeriesel ewiger Finsternis.
Wogen chaotischen Endes — und drüber,
drue — ber! — das Phosphoreszieren der
Schatten meiner Zunkuuflsträume, gedanken-
haftes Daniellächeln über der ausgestunkenen
Bestiengrube der alten Welt.
Ich! O! Ich allein. Ich.! der Becher, aus
dem die Erde kommender Zeit sich göttlichen
Glauzrausches voll trinkt.
Alles, alles verschwand:
Das Spelunkeu-Schlösser-Berlin.
Besoffne Schnapssoldateska.
Wucherer.
Idiotisch gestikulierendes Pack.
Peitschen-Nücken.
Geknöchel knirschender Schädel.
Knochengebälk zerkrachte.
Zerstampft hat alles das Mahlwerk meines
ekstatischen Mundstücks.
Nächtlicher Azurozean nie noch geschauter Ur-
macht, du wiegst mich in deinem Riesenarm.
O und Ich!
Ich und O!
Ich, o, und ... und o, ich, ich ... schoooon,
schoooon, schonschonschon fühl ich in mir das
kribbelude Lüsteln neuen Gebäreus.
Ich habe verschlungen Karawanen knisternder
Skelette, hüpfende Exzellenzen, Sumpfblüten-
wälder aus Bouilloukellern, Leichenwinde von
Hungerhunden.
Und alles das als neue Welt streicht nun
wie melodiöser Gesang warm mir von hinten
davon.
Fjord in Norwegen Ludwig von Schliehen (München)
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