(
Theorie und Praxis
Alexander Moissi ist bekanntlich zur Unab-
hängigen Sozialistischen Partei übergetrcten und
hat vor kurzer Zeit eine donnernde Philippika
gegen den Kapitalismus losgelösten. Nun teilt
die „Wiener Neue Zeit" mit, das; der unabhängige
Sozialist Moissi von der „Neuen Wiener Bühne"
ein Gastspiclhonorar von 3000 Kronen pro Abend
nimmt.
Bürgerliche Blätter wollen einen Widcrspruck
zwischen der Denk- und Handlungsweise Moissis
hcranskonstruieren. Dieser Fehler kann aber nur
einem obcrflächliä>en Beobachter passieren. Die
„Neue Wiener Bühne" ist eine Kapitalistin. Ka-
pitalisten sind auch alle Personen, die Moissi hören,
denn die Eintrittspreise sind dem Schauspieler-
Honorar cnlsprceliend enorm hoch, sodaß Arbeiter
als Theaterbesucher nicht in Betracht kommen.
Moissi i|' nun ein Todfeind des Kapitals. Und
so rückte er dem Kapital der „Neuen Wiener
Bühne" und dem seiner Zuhörer mit aller Kraft
zu Leibe, indem er dieses Kapital verkleinert und
langsam, aber systematisch zerstört. Gibt cs denn
noch Menschen, die Tag für Tag in 2—3 Abend-
stunden das fremde Kapital um 3000 Kroneti ver-
kleinern?! Za, Alexander Moissi hat sich bereit
erklärt, noch mehr fremdes Kapital zu zerstören
in dieser kurzen Zeit, wenn man ihm Gelegenheit
gibt. Moissi hasst im besitzenden Mitmenschen nicht
die Person, sondern nur den fluchwürdigen Mammon
derselben und befreit seinen Mitmenschen von die-
sem Fluch.
Wie er sich persönlich zu deni bei ihm selbst
sich sammelnden Mammon stellt, ist seine reine,
ureigenste Privatsache und geht dritte nichts an.
— Die Unabhängigen Sozialdemokraten und
Kommunisten haben bekanntlich viel mit dem
Urchristentum gemein. Sagt nicht das Urchristen-
tum t „Liebet euere Feinde!" Wenn also Moissi
seinen Todfeind, den eigenen Mammon, liebt,
so ist er eben ein Urchrist! Depp
Vorsicht!!
(Zcvtrumsabgcordncter Slang im Bayrischen
Landtag: „Die Freiheit der Forschung, der Wissen-
schaft und Kunst hat ihre Grenzen".)
Bolschewismus heißt die Tigcrkatze,
Die zttin Sprunge sich geduckt voll Gier.
Aber außer dieser Teufclsfratze,
Michel, droht ein zweites Raubtier dir.
Lüstern seh' ich es die Zähne blecken.
Michel, halt' die Augen auf in Not
Und vergiß nicht überm roten Schrecken,
Daß Dir auch ein schwarzer Schrecken droht!
Will im Blutdurst jener Dich verschlingen,
Dieser naht nach Katzenart mit List.
Deutlich hör' ich schon sein Knurren klingen
Zn dem Landtag, der sein Erbgut ist.
Klingt es auch noch leise und verschwommen,
Schon versucht er seine Krallen dreist,
Wieder bald hält er die Zeit gekommen
Zu der Jagd auf allen Freiheitsgcist!
Miäicl, Michel, denke seiner Tücken,
Denke, was er Dir schon ungetan!
Michel, Michel, schütze Brust und Rücken,
Gegen beider Bestien scharfen Zahn!
Daß Dein Stern Dir nicl>t in Nacht erblinde,
Werde nie Dein Helles Auge stumpf:
Full' nicht aus der blutigrotcn Tinte,
Michel, Michel, in den schwarzen Sumpf!
H'art ch e n
e_—--—
„Stunde der Weihe"
Eine fatale Antwort
Zm Dom zu Mainz hielten die Franzosen eine
Gedächtnisfeier für die Zungfrau von Orleans ab.
Es ist eine internationale Eigenschaft, daß man
bei mehrstündigen Feiern in Galauniform Durst
kriegt. Auch der Leutnant, Monsieur Ppsilon, hatte
unter dieser Naturerscheinung zu leiden, und er
begab sich nach der Feier alsbald in das Kasino,
um sich zu stärken. Nachdem er diese Stärkung
bis Mitternacht fortgesetzt hatte, war er nicht mehr
imstande, einen. Senegalneger von einem Ka-
narienvogel zu unterscheiden.
Leutnant Ppsilon lag im Bett und phantasierte.
Sein Belt fuhr Karussell, und er sah allerlei Leute,
die gar nicht da waren. Plötzlich erschien ihm ein
Mädchen, gepanzert, eine Fahne in der Linken,
ein Schwert in der Rechten.
„Wer ... bist ... du?" schluckste der Leutnant.
„Die Zungfrau von Orleans!"
„Was titst ... du denn .. . hier?"
„Ich ward doch heute gefeiert von euch!"
„So . .! . . Warum denn?"
„Weil i ch das f c i n d l i ch e Heer aus
m ei n c m B a t o r l a n d h i n a u s j a g e n w o l l t e!"
Da wälzte sich Monsieur Ppsilon auf die andere
Seite und schluckste: „Solche Damen . .. sollte ...
man eigentlich ... als Franzose ... in Deutschland
nicht . . . fei . .. crn . . .!" —ttt—
*
■ v..,
Leipziger Allerlei
„So eene Saubande, die Nosken (Reichs-
truppcn). Jetzt Hamm sc ooch noch die Sperrzeit
eingcfllhrt, da derf sich kee Luder mehr nach Achten
uff de Straße sehen lassen."
„Na, weeste, es is egentlich ganz gut so, da
maulen se eenen wenigstens kcene Garnickel (Ka-
llinchen) mehr!"
\V. Hallstein (München)
Feststellung
„Mit Gewalt und Terror kämpften diese neuen
Machthaber. Das Faustrecht ist für sie proklamiert!"
sagte der cholerische kleine Doktor am Stammtisch.
— „Nein", entgegnete gelassen und sachlich der alte
Notar, „sie kämpfen schon auch mit geistigen Waffen:
Mir haben sie vorgestern zwei Flaschen Kognak
beschlagnahmt!" Kreis
*
Gebet der Unabhängigen
(Frei nach Gustav Falke)
Herr, laß uns hungern dann und wann —
Sattsein macht stumpf und trüge!
Und gib uns Feinde, Mann für Mann,
Und ungezählte Schläge!
Das Los, das uns beschicden ist,
Ist wohlverdient hienicden:
Wenn alles unzufrieden ist,
Dann find wir erst zufrieden!
Denn, nähmst du uns das Leid und Weh
Bon dem gebeugten Nacken:
Was bliebe dann der U. S. P.,
Als schleunigst einzupacken?!
Wir bitten nicht! Die Minderung
Der Lasten wär' ein Fehler.
Denn auch die kleinste Linderung,
Sie dezimiert die Wähler!
Die Arbeit macht zum Schimpfen stumpf
Und bringt die Flut zum Stocken:
Drum führ uns ja nicht aus dem Sumpf,
Sonst sitzen wir ja trocken.
Verschieb' den Tag der Remedur
In nebelgraue Ferne
Und häng' den Korb, den vollen, nur
Noch höher in die Sterne!
Beda
Theorie und Praxis
Alexander Moissi ist bekanntlich zur Unab-
hängigen Sozialistischen Partei übergetrcten und
hat vor kurzer Zeit eine donnernde Philippika
gegen den Kapitalismus losgelösten. Nun teilt
die „Wiener Neue Zeit" mit, das; der unabhängige
Sozialist Moissi von der „Neuen Wiener Bühne"
ein Gastspiclhonorar von 3000 Kronen pro Abend
nimmt.
Bürgerliche Blätter wollen einen Widcrspruck
zwischen der Denk- und Handlungsweise Moissis
hcranskonstruieren. Dieser Fehler kann aber nur
einem obcrflächliä>en Beobachter passieren. Die
„Neue Wiener Bühne" ist eine Kapitalistin. Ka-
pitalisten sind auch alle Personen, die Moissi hören,
denn die Eintrittspreise sind dem Schauspieler-
Honorar cnlsprceliend enorm hoch, sodaß Arbeiter
als Theaterbesucher nicht in Betracht kommen.
Moissi i|' nun ein Todfeind des Kapitals. Und
so rückte er dem Kapital der „Neuen Wiener
Bühne" und dem seiner Zuhörer mit aller Kraft
zu Leibe, indem er dieses Kapital verkleinert und
langsam, aber systematisch zerstört. Gibt cs denn
noch Menschen, die Tag für Tag in 2—3 Abend-
stunden das fremde Kapital um 3000 Kroneti ver-
kleinern?! Za, Alexander Moissi hat sich bereit
erklärt, noch mehr fremdes Kapital zu zerstören
in dieser kurzen Zeit, wenn man ihm Gelegenheit
gibt. Moissi hasst im besitzenden Mitmenschen nicht
die Person, sondern nur den fluchwürdigen Mammon
derselben und befreit seinen Mitmenschen von die-
sem Fluch.
Wie er sich persönlich zu deni bei ihm selbst
sich sammelnden Mammon stellt, ist seine reine,
ureigenste Privatsache und geht dritte nichts an.
— Die Unabhängigen Sozialdemokraten und
Kommunisten haben bekanntlich viel mit dem
Urchristentum gemein. Sagt nicht das Urchristen-
tum t „Liebet euere Feinde!" Wenn also Moissi
seinen Todfeind, den eigenen Mammon, liebt,
so ist er eben ein Urchrist! Depp
Vorsicht!!
(Zcvtrumsabgcordncter Slang im Bayrischen
Landtag: „Die Freiheit der Forschung, der Wissen-
schaft und Kunst hat ihre Grenzen".)
Bolschewismus heißt die Tigcrkatze,
Die zttin Sprunge sich geduckt voll Gier.
Aber außer dieser Teufclsfratze,
Michel, droht ein zweites Raubtier dir.
Lüstern seh' ich es die Zähne blecken.
Michel, halt' die Augen auf in Not
Und vergiß nicht überm roten Schrecken,
Daß Dir auch ein schwarzer Schrecken droht!
Will im Blutdurst jener Dich verschlingen,
Dieser naht nach Katzenart mit List.
Deutlich hör' ich schon sein Knurren klingen
Zn dem Landtag, der sein Erbgut ist.
Klingt es auch noch leise und verschwommen,
Schon versucht er seine Krallen dreist,
Wieder bald hält er die Zeit gekommen
Zu der Jagd auf allen Freiheitsgcist!
Miäicl, Michel, denke seiner Tücken,
Denke, was er Dir schon ungetan!
Michel, Michel, schütze Brust und Rücken,
Gegen beider Bestien scharfen Zahn!
Daß Dein Stern Dir nicl>t in Nacht erblinde,
Werde nie Dein Helles Auge stumpf:
Full' nicht aus der blutigrotcn Tinte,
Michel, Michel, in den schwarzen Sumpf!
H'art ch e n
e_—--—
„Stunde der Weihe"
Eine fatale Antwort
Zm Dom zu Mainz hielten die Franzosen eine
Gedächtnisfeier für die Zungfrau von Orleans ab.
Es ist eine internationale Eigenschaft, daß man
bei mehrstündigen Feiern in Galauniform Durst
kriegt. Auch der Leutnant, Monsieur Ppsilon, hatte
unter dieser Naturerscheinung zu leiden, und er
begab sich nach der Feier alsbald in das Kasino,
um sich zu stärken. Nachdem er diese Stärkung
bis Mitternacht fortgesetzt hatte, war er nicht mehr
imstande, einen. Senegalneger von einem Ka-
narienvogel zu unterscheiden.
Leutnant Ppsilon lag im Bett und phantasierte.
Sein Belt fuhr Karussell, und er sah allerlei Leute,
die gar nicht da waren. Plötzlich erschien ihm ein
Mädchen, gepanzert, eine Fahne in der Linken,
ein Schwert in der Rechten.
„Wer ... bist ... du?" schluckste der Leutnant.
„Die Zungfrau von Orleans!"
„Was titst ... du denn .. . hier?"
„Ich ward doch heute gefeiert von euch!"
„So . .! . . Warum denn?"
„Weil i ch das f c i n d l i ch e Heer aus
m ei n c m B a t o r l a n d h i n a u s j a g e n w o l l t e!"
Da wälzte sich Monsieur Ppsilon auf die andere
Seite und schluckste: „Solche Damen . .. sollte ...
man eigentlich ... als Franzose ... in Deutschland
nicht . . . fei . .. crn . . .!" —ttt—
*
■ v..,
Leipziger Allerlei
„So eene Saubande, die Nosken (Reichs-
truppcn). Jetzt Hamm sc ooch noch die Sperrzeit
eingcfllhrt, da derf sich kee Luder mehr nach Achten
uff de Straße sehen lassen."
„Na, weeste, es is egentlich ganz gut so, da
maulen se eenen wenigstens kcene Garnickel (Ka-
llinchen) mehr!"
\V. Hallstein (München)
Feststellung
„Mit Gewalt und Terror kämpften diese neuen
Machthaber. Das Faustrecht ist für sie proklamiert!"
sagte der cholerische kleine Doktor am Stammtisch.
— „Nein", entgegnete gelassen und sachlich der alte
Notar, „sie kämpfen schon auch mit geistigen Waffen:
Mir haben sie vorgestern zwei Flaschen Kognak
beschlagnahmt!" Kreis
*
Gebet der Unabhängigen
(Frei nach Gustav Falke)
Herr, laß uns hungern dann und wann —
Sattsein macht stumpf und trüge!
Und gib uns Feinde, Mann für Mann,
Und ungezählte Schläge!
Das Los, das uns beschicden ist,
Ist wohlverdient hienicden:
Wenn alles unzufrieden ist,
Dann find wir erst zufrieden!
Denn, nähmst du uns das Leid und Weh
Bon dem gebeugten Nacken:
Was bliebe dann der U. S. P.,
Als schleunigst einzupacken?!
Wir bitten nicht! Die Minderung
Der Lasten wär' ein Fehler.
Denn auch die kleinste Linderung,
Sie dezimiert die Wähler!
Die Arbeit macht zum Schimpfen stumpf
Und bringt die Flut zum Stocken:
Drum führ uns ja nicht aus dem Sumpf,
Sonst sitzen wir ja trocken.
Verschieb' den Tag der Remedur
In nebelgraue Ferne
Und häng' den Korb, den vollen, nur
Noch höher in die Sterne!
Beda