graue Geselle zurückkam. So schritt er wohl zwei Stunden
durch die steigende Flut.
Dann, nach einer langen Zeit, als seine Glieder schon schwer
waren, hob sich der Boden und eine abschüssige dunkle Wand
kroch aus dem Grau. Da wußte er, daß er gerettet war. daß
der Fremde ihn hcimgeführt hatte. Aber der Bauer wunderte
sich kaum: ihm schien alles so selbstverständlich, wie in einen,
Traum. Nur eine schwere körperliche Schwäche kam über ihn.
als hätte sein Lebenswille bisher die Furcht gebändigt. Er fühlte,
wie ein kalter Schweiß seinen Körper bedeckte, und merkte, daß
sein Gang taumelnd war. daß er im Laufen stolperte, daß er
Mühe hatte, das letzte Ende zu bewältigen.
Als Nieß Brokers langsam durch das Gras schritt, hatte
er den Fremden verloren. Er fühlte noch die Schwere in den
Gliedern, versuchte die Herrschaft über sich selbst wieder zu ge-
winnen und schaute doch mit unsicherem Blick um sich, wo der
andere sei. Ob das alles mit rechten Dingen zuging? Oder ob
Elsbe Steen Sprüche wußte? Der Bauer fühlte eine dumpfe
Last auf der Stirn wie eine Lähmung. Dann sah er eine Frauen-
geslalt. die klar aus dem Nebel austauchte, sah sein Mädchen,
das ängstlich und froh auf ihn zukam und ihm zuwinkte.
„Ich Hab' solche Angst um dich gehabt, — die Flut kam so
früh —
Ihre Augen glänzten hell, als weinte sie heimlich vor Freude.
„Wie bist du nur zurückgekommen, Nieß?"
Dem war, als erwachte er aus einer tiefen Betäubung.
Wie ein Spuk, der körperlich ward, schien ihm das Mädchen.
„Du. du — hast du mich nicl>t geholt?" stotterte er; Elsbe
Steen blickte ihn erstaunt an und schüttelte den Kopf. Dann sah
der Bauer auf einmal wieder die graue Gestalt im Nebel, die ihn
geführt hatte, aber entfernter, undeutlicher.
„Da, der da —" stieß er hervor. Das Mädchen sah sich
erschreckt um und lehnte sich ängstlich an ihn. Da waren es
zwei, die drüben standen und dicht beieinander waren. —
„Unser Schatten, Nieß, unser Nebelschalten!" Ein verhal-
tener Jubel lag in ihrer Stimme.
„Mein Schatten?"
Ihr graute vor seinen entsetzten Augen; mit abergläubischer
Scheu drängte sie ihn weiter. „Alle zehn Jahre einmal kommt
er über die Insel, sagen die Leute. Es bringt Glück, wenn
Brautleute sich zusammen sehen. Konim Nieß, mach' mich nicht
bange —!"
Aber der Bauer taumelte plötzlich, blickte sie verstört an
in unsäglichem Schreck, schloß die Augen, als fürchtete er zu-
sammenzubrechen. „Es bringt Glück, komm, Nieß, mach mich
nicht bange!"
*
Sommerabend im Gebirge
Dämmergewölk, hinter dem ein Julitag sank.
Schichtet sich weit zur rosigen Wolkenbank
Und schließt, mit den Höhenwäldern ergrauend, das Tal,
Aus schwindender Tagbläue blitzt ein Sonnenstrahl.
Weiße Häuschen kauern im Feierabenöhauch.
Nur hoch durch des Weilers kaum verfliegenden Rauch
Jagen die Segler mit leisem Pfiff.
Sieh! Aus schwärzestem Wald löst sich ein Silberschiss.
Monöfchatten der Tannen, schlafende Riesen,
Strecken sich in den Traumglanz der Wiesen
Und, heinilich vom stillen Licht erfaßt,
Trägt eine späte Heuerin die gebündelte Last
Mit gehobenen Armen heim von den Matten.
Bachkühle weht über die Wiesenschatteu.
Die Mauersegler aus glänzenden Sichelschwingen
Fliegen nach Haus. Die Grillen klingen.
Duft und Kühle ergreifen mich ganz,
Atem der Bergnacht, sternreiner Glaiiz.
Ein letztes Stallgebrüll verhallt.
Nur noch ein Murmeln, tief, uralt.
Ich bin mit dem laufenden Brunnen allein,
Meiiie Seele lauscht, mein Herz schläft ein. Fritz Graiitz
Eugen Ludwig Hoess (Immenstadt)
mU
durch die steigende Flut.
Dann, nach einer langen Zeit, als seine Glieder schon schwer
waren, hob sich der Boden und eine abschüssige dunkle Wand
kroch aus dem Grau. Da wußte er, daß er gerettet war. daß
der Fremde ihn hcimgeführt hatte. Aber der Bauer wunderte
sich kaum: ihm schien alles so selbstverständlich, wie in einen,
Traum. Nur eine schwere körperliche Schwäche kam über ihn.
als hätte sein Lebenswille bisher die Furcht gebändigt. Er fühlte,
wie ein kalter Schweiß seinen Körper bedeckte, und merkte, daß
sein Gang taumelnd war. daß er im Laufen stolperte, daß er
Mühe hatte, das letzte Ende zu bewältigen.
Als Nieß Brokers langsam durch das Gras schritt, hatte
er den Fremden verloren. Er fühlte noch die Schwere in den
Gliedern, versuchte die Herrschaft über sich selbst wieder zu ge-
winnen und schaute doch mit unsicherem Blick um sich, wo der
andere sei. Ob das alles mit rechten Dingen zuging? Oder ob
Elsbe Steen Sprüche wußte? Der Bauer fühlte eine dumpfe
Last auf der Stirn wie eine Lähmung. Dann sah er eine Frauen-
geslalt. die klar aus dem Nebel austauchte, sah sein Mädchen,
das ängstlich und froh auf ihn zukam und ihm zuwinkte.
„Ich Hab' solche Angst um dich gehabt, — die Flut kam so
früh —
Ihre Augen glänzten hell, als weinte sie heimlich vor Freude.
„Wie bist du nur zurückgekommen, Nieß?"
Dem war, als erwachte er aus einer tiefen Betäubung.
Wie ein Spuk, der körperlich ward, schien ihm das Mädchen.
„Du. du — hast du mich nicl>t geholt?" stotterte er; Elsbe
Steen blickte ihn erstaunt an und schüttelte den Kopf. Dann sah
der Bauer auf einmal wieder die graue Gestalt im Nebel, die ihn
geführt hatte, aber entfernter, undeutlicher.
„Da, der da —" stieß er hervor. Das Mädchen sah sich
erschreckt um und lehnte sich ängstlich an ihn. Da waren es
zwei, die drüben standen und dicht beieinander waren. —
„Unser Schatten, Nieß, unser Nebelschalten!" Ein verhal-
tener Jubel lag in ihrer Stimme.
„Mein Schatten?"
Ihr graute vor seinen entsetzten Augen; mit abergläubischer
Scheu drängte sie ihn weiter. „Alle zehn Jahre einmal kommt
er über die Insel, sagen die Leute. Es bringt Glück, wenn
Brautleute sich zusammen sehen. Konim Nieß, mach' mich nicht
bange —!"
Aber der Bauer taumelte plötzlich, blickte sie verstört an
in unsäglichem Schreck, schloß die Augen, als fürchtete er zu-
sammenzubrechen. „Es bringt Glück, komm, Nieß, mach mich
nicht bange!"
*
Sommerabend im Gebirge
Dämmergewölk, hinter dem ein Julitag sank.
Schichtet sich weit zur rosigen Wolkenbank
Und schließt, mit den Höhenwäldern ergrauend, das Tal,
Aus schwindender Tagbläue blitzt ein Sonnenstrahl.
Weiße Häuschen kauern im Feierabenöhauch.
Nur hoch durch des Weilers kaum verfliegenden Rauch
Jagen die Segler mit leisem Pfiff.
Sieh! Aus schwärzestem Wald löst sich ein Silberschiss.
Monöfchatten der Tannen, schlafende Riesen,
Strecken sich in den Traumglanz der Wiesen
Und, heinilich vom stillen Licht erfaßt,
Trägt eine späte Heuerin die gebündelte Last
Mit gehobenen Armen heim von den Matten.
Bachkühle weht über die Wiesenschatteu.
Die Mauersegler aus glänzenden Sichelschwingen
Fliegen nach Haus. Die Grillen klingen.
Duft und Kühle ergreifen mich ganz,
Atem der Bergnacht, sternreiner Glaiiz.
Ein letztes Stallgebrüll verhallt.
Nur noch ein Murmeln, tief, uralt.
Ich bin mit dem laufenden Brunnen allein,
Meiiie Seele lauscht, mein Herz schläft ein. Fritz Graiitz
Eugen Ludwig Hoess (Immenstadt)
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