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Heini und d i e Straßenbahn

Don Hans Bauer

Emil und Marit spielen Über-die-Gtraße-laufen.

Nämlich: Wenn eine Straßenbahn angefahren kommt, laufen sie, wenn jene
etwa zehn Schritt von ihnen noch entfernt ist, schnell über die Geleise und freuen
sich unbändig, wenn sie noch vor der Straßenbahn die Geleise passieren. Mit
vielem Fug: denn sonst wären sie Leichen.

Heini jedoch will nicht mitjpielen. Das Hin- und Herlaufen gefällt ihm nicht.
Da sagt Marit zu ihm, er sei ein Nindviech, und Mut habe er auch keinen, und
ein Zunge wäre er überhaupt nicht, und wie Marit eben wieder einen Straßen-
bahnwagen anfahren sieht. Tauft fie noch knapper als sonst vor dem Wagen über
die Geleise und sagt hinterher zu Heini: „Ätsch" und „du schlappichter Zunge
getraust dirs nicht."

Da rafft sich Heini in Mut und sagt, sie solle das Maul halten und natürlich
könne er das auch. Da erwidert Marit, er solle doch einmal mitmachen Sie und
Emil wollten vorweglaufen, er solle nachlaufen, Und da tut sie, als sei das noch
eine Begünstigung, wenn Heini nachlaufen dürfe.

Und wie nun also die nächste Straßenbahn kommt, rennt Marit zuerst über
die Geleise, hinter ihr Emil und hinter dem Heini, der feige Heini. Dieser freilich
kommt nur noch so knapp über die Geleise, daß der Schaffner bremsen muß, eine
Handvoll Streusand nimmt und die in aufflackernder WutHeini ms Gesicht schmeißt.

Heini ist nicht schuld. Er war der Genasführte, der Verführte, von dem nieder-
trächtigen Weib Marit, die ihm seine Zungenehre hatte nehmen wollen.

Da sieht es Heini nicht ein, wieso er denn und warum er mit Sand beschmissen

worden war und tritt in ohnmächtigem Grimm eine kleine Schramme in die
Straßenbahn, sodaß kleine Teile Lack absplittern, was aber weder der Straßen-
bahn noch dem Führer irgendwie wehe tut.

Wie Heini nach Hause kommt und den ganzen Hals voller Sand trägt, wuchtet
ihm die Mutter eine knallende herunter, da sie meint, Heini habe Dreckwerfen
gespielt, was ihm seit langem streng verboten ist.

Heini gerät darüber in hellen Zorn, denn er hat ja gar nicht Oreckwerfen ge-
spielt, sagt aber kein Wort, sondern drischt, als er allein ist und sich an der Mrstter
rächen will, deren Lieblingskatze halbtot.

Da wird es allmählich Nacht.

Mama zieht Heini die Höschen aus, daß er ins Bett gehe.

Und die Katze schläft auch schon.

Und der Führer wird auch des Tages Arbeit sanst verschlummern.

Desgleichen pennen Emil und Marit.

Am nächsten Morgen, denkt Heini, lauf ich nun gerade noch viel knapper
an der Straßenbahn vorbei.

Dann ärgert sich das Rindviech von Führer noch viel, viel mehr, und die Marit,
das Biest, die ärgert sich erst recht... und wenn er mich wieder wirst, der Führer,
dann zerschmeiß ich ihm eine Fensterscheibe, und wenn Mutter mich wieder schlägt,
dann vergift ich ihre Katze, und wenn mich ein Schutzmann dabei elwischt, dann
werde ich später, wenn ich groß bin, einmal ein Spartakist .. ..

Wobei er sein Nach.gebet spricht und sanst in die Träume sinkt....

Oer Garten der Liebkosungen

Maurische Kacidas aus dem zehnten Jahrhundert

Deutsch von Zulius Zerfaß

Oer Töpfer

Meine Geliebte

Weißer und üppiger und viel kostbarer als die Zelte eines Emirs sind deine
Brüste, die Zelte meiner Liebe, o meine Geliebte.

Wenn ich am blendenden Mittag mein Gesicht in dein Haar verberge und ich suche
deinen Blick, dann sind deine Augen wie zwei Sterne, die meine Nacht durchdusten.

An jenem Tage, meine über alles Geliebte, da ich vernehme, daß ein anderer
in deinem Haar ruhte, daß deine Augen in das Gesicht dieses Mandit leuchteten
— o, an dem Tage werde ich nicht nach meinem Dolche greifen, nicht nach einem
Giste langen. Nein, ich werde meinen Windhunden pfeifen und hinausgehen, um
für immer dein seldenes Tüchlein zu begraben, mit dem ich meine Tränen trocknete...

Niedergebeugt auf die Umdrehungen, wie sich der Liebende auf den Teppich
neigt, auf dem seine Geliebte ruht, so weilen die glänzenden Augen des Töpfers
auf seinem Ton.

Und Zug um Zug den Kreis verengend streichelt er Hals und Mündung,
den Leid, den ganzen Körper, und seine Hingabe ans Werk ist wie ein lan-
ger Kuß.

Zn einem letzten Schmeicheln dreht sich die Gestalt empfangende Erde, und
ich bewundere die gewordene Urne, wie ich deinen Leib bewundere, wenn er sich
verzückt und nackt von unserem Lager erhebt.

Ihr Name

Oer Schlaf der Windhunde

Wollt ihr den Namen wissen von der, die ich am meisten liebte, so versucht,
euch des Namens derer zu erinnern, die mich am meisten leiden ließ.

Sollte euer Erinnern irren oder solltet ihr die Frau nicht gekannt haben, so
formt eure Lippen wie zum Kuß. So lautet ihr Name.

Zm spitzen Schatten der Zypressen ruhen meine zwei Windhunde wie Pfeile
in einem Köcher. — Sie schließen die Augen und träumen von deinen Lieb-
kosungen. Deine sanste Hand gleitet über sie und sie fühlen eine frische Kühle
wie am Bache des Libanon.

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Index
Julius Zerfaß: Der Garten der Liebkosungen
Hans Bauer: Heini und die Straßenbahn
Julius Diez: Zeichnung ohne Titel
 
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