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Lnglische Lrfolge

Nach amtlichen englischen Feststellungen ließ
der englische General Dyer in Amritsar (Indien)
bei der Bekämpfung eines Aufstandes auf eine
unbewaffnete Menge von 5000 Lingeborenen
Schnellfeuer abgeben mit dem Lrgebnis, daß
^o Personen tot und izoo schwer oder leicht ver-
wundet waren.

Dasvorkommnis kam jüngst auch im englischen
Parlament zur Sprache, wie man hört, soll Ge-
neral Dyer mehrfach getadelt worden sein. Lord
8 isher hätte beispielsweise erklärt,daß - dieSchieß-
resultate wahrscheinlich in keinem rechten Ver-
hältnis zur ausgewandten Munition stünden. Lin
definitives Urteil könne man erst abgeben, wenn
genau feststeht, wie dicht die Menge beieinander
stand, wie groß die Anzahl der Maschinengewehre
und wie weit das Ziel von den Schützen entfernt
gewesen sei.

Andere Sachverständige meinten, ohne genaue
Untersuchung der Leichen und der verletzten könne
man zu keiner objektiven und abschließenden Auf-
fassung kommen, denn wahrscheinlich seien die
Körper der einzelnen Individuen von einer größe-
ren Anzahl Kugeln durchlöchert worden, sodaß
sich das Schießresultat als ein erheblich erfreu-
licheres Herausstellen würde.

Die Deutschen hätten in den Hererokämpfen
die Unvorsichtigkeit und Grausamkeit begangen,
auf bewaffnete einzelne Individuen zu schießen.

Das sei natürlich Unsinn, weil man sich dabei
der Gefahr aussehe, selbst erschossen zu werden.

Derartige doppelseitige Kämpfe wären meist
sehr blutig und langwierig. Nit vollem Recht
habe man daher den Deutschen sämtliche Kolonien
abgenommen und zum größten Teil den Eng-
ländern gegeben. Der General soll in Anerken-
nung seiner Verdienste den Titel „Lord Dyer
of Amritsar“ erhalten. wau.wau

*

Vertrauensposten

Im „Drambucher Kreisblatt" Nr. 136 ist fol-
gendes Inserat zu lesen:

„Achtung! Vertrauensstellung.

Ordentlicher Nachtwächter gesucht! Gewesener
Offizier bevorzugt. Domäne Zadow, Närklsch-
8riedland. Landbrieff, Gutsverwalter."

Auf dieses Ausschreiben werden natürlich zahl-
reiche Angebote einlaufen. Um etwaige Reflektan-
ten vor unnötigen Bemühungen und nachfolgen-
den Lnttäuschungen zu bewahren, seien hier einige
Winke für die Bewerber beigefügt:

In Betracht kommen natürlich keine soge-
nannten Nrlegsleutnants, sondern nur solche, die
bereits längere Zeit im ßrieden im Dffiziersberuf
standen und alte preußische Zucht und Dienstauf-
fassung sozusagen mit der Muttermilch einge-
sogen haben. Ältere Hauptleute oder Majore, die
noch k. v. sind und sich über den rechtmäßigen
Lrwerb des „Pour le merite“, der übrigen
Kriegsauszeichnungen und des Verwundeten-
abzeichens ausweifen können, haben Aussicht aus
Berücksichtigung. Vas Lrlernen des Hornblasens
und das Ausrufen der Stunden erfordert natür-
lich den Besitze einer intakten Lunge und eines
guten Herzens. Musikalische Kenntnisse sind nicht
Bedingung. Offiziere, denen das dankbare vater-

Der versprochene Preisabbau

(wenn der Frühling auf die Berge steigt)

wenn der Höchstpreis immer höher steigt.

Und der Markkurs senkt sich unbeirrt,
wenn sich bald mehr keine Hoffnung zeigt.

Daß die Lage endlich besser wird,
wenn von bittrem Groll
Alle Herzen voll.

Niemand weiß mehr, wie er zahlen soll,

Tönt's vom tiefen Tal bis zum Himmelsblau:

® wie wunderschön ist der Preisabbau!

wenn der Schleichweg nur uns Butter bringt.
Nur des Schiebers Ofen warm statt kalt,

Line Wurst den Wochenlohn verschlingt.

Und ein Anzug Vierteljahrsgehalt,

Die Regierung schlicht
Wieder mal verspricht:

Morgen wird es bill'ger, armer wicht, —

Tönt's vom tiefen Tal bis zum Himmelsblau:

D wie wunderschön ist der Preisabbau!

Geht's so weiter noch ein halbes Zahr,

Daß die Preise steigern sich wie toll,

Steht mein weg mir vor den Augen klar.

Und ich weiß dann, was ich muß und soll:

Melde ich mit Gott

8röhlich den Bankrott

Und ich sing dazu mit lautem Spott:

In den leeren Sack, lieber Gläub'ger, schau —

(D wie wunderschön war der Preisabbau!

Rar lchen

Bücherschau

„Kriegs-Literatur, Revolutions-Literatur, Kino-
Literatur rc. — und da wird behauptet, die Lite-
ratur sei im Niedergang begriffen!"

land wiederkehrende Gebühren oder Renten be-
zahlt, haben Aussicht, nicht verhungern zu müssen.
Da die Gesindestuben ordentlich geheizt werden,
ist der Aufenthalt bei Tag angenehm. Dienst von
Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang.

Mitwelch erhabenen Gefühlen würde der selige
Hieronymus Zobs durch die Gassen gestiegen sein,
wenn er von obiger Annonce Kenntnis gehabt
hätte?!

*

Ganz kleines Geschichtchen

Als der fünfzehnjährige Map und der vier-
zehnjährige 8rih zum zweiten Male nicht verseht
wurden und der väterlichen Vorwürfe müde
waren, beschlossen sie, sich als nützliche Mitglieder
der menschlichen Gesellschaft zu betätigen und sich
auf das Salvarsanschieben zu verlegen. VieSache
klappte auch ganz gut, — bis eines Tages ein Kri-
minaler den ganzen Vorrat beschlagnahmte. Das
hätte sehr kritisch werden können, wäre der Kri-
minalmann ein echter gewesen. Aber es war, gott-
lob, ein falscher, und er hätte ein Bombengeschäft
gemacht, wäre der Scheck, für den er das Sal-
varfan weiter verschob, ein echter gewesen. Aber
es war, gottlob, ein falscher, und der neue Käufer
hätte sein Schäfchen im Trockenen gehabt, wäre
das Salvarfan ein echtes gewesen. Aber es be-
stand, gottlob aus Gips und Seifensand, und so
interessierte sich der Staatsanwalt für die An-
gelegenheit.

Und es gab im ganzen zwölf Jahre Gefängnis,
und die waren, gottlob, das einzige Lchte an
dieser zeitgemäßen Geschichte. Erichen

*

Geographie: schwach

Die pariser Zeitung »Bon Soir« bezeichnet
in einem Artikel Danzig als in Schlesien lie-
gend. Dem pariser Durchschnittsleser wird dieser
Schnitzer nicht weiter auffallen, denn seine geo-
graphischen Kenntnisse gehen über die Bannmeile
der Lichtstadt kaum hinaus. Ltwas anderes ist es
aber mit den Männern in der französischen Re-
gierung, die sich durch seit fünf Jahren geübte
Praxis mit der Lage der deutschen Staaten und
Städte doch etwas vertrauter gemacht haben.
Bei diesen Herren muß unbedingt der verdacht
auftauchen, die heimtückische deutsche Regierung
hätte die „freie Stadt" Danzig hintenrum
nach Schlesien verschoben, um sie in das
Abstimmungsgebiet hineinzuschmuggeln. Vieser
gemeine verstoß gegen den Wortlaut des Ver-
trages von Versailles wird die sofortige Abreise
einer Sonderkommission zur golgc haben, die sich
mit der Nachprüfung dieses dunklen ßalles be-
fassen wird. Zehn große Hotels sind bereits in
Berlin für die Aufnahme der neuen Gäste und
ihres Gefolges geräumt worden. Geeignete Kom-
pensationen hat man schon in Erwägung gezogen.
Man spricht von einer Schleifung der Befestigun-
gen des Berliner Humboldthafens und von der
sofortigen Besetzung der Nordseehäfen Kattowih
und Potsdam durch französischekolonialtruppen.
Auch die Annexion des an Lrz und kohlen reichen
Tempelhofer Feldes mitsamt dem angrenzenden
Steinhuder Meer und seinen Häfen wird in Er-
wägung gezogen. 8r°n,e aus Lerlin
Index
Richard Rost: Bücherschau
Karlchen: Der versprochene Preisabbau
Franze aus Berlin: Geographie: schwach
Karlchen: Ganz kleines Geschichtchen
Wau-Wau: Englische Erfolge
Beda: Vertrauensposten
 
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