Wort ln uns auf, elne geschwellte Rnospe, strahlte — dieses eine Wort: wir.
— Wir dächten: viele find so. Unsere Schritte empfänden wir anders.
Soden, Boden wäre unter uns. Nichts mehr vor, noch hinter uns könnte
binden, verpflichten, wenn einer kommen würde, ein Räuber, ein Ver-
gewaltiger, ein Schuft, irgendwer!
Selma Sorgensen dachte still ihr mädchenhaftes Denken, denn sie war
heute wieder einmal, wie man das so nennt „in Stimmung".
Da knarrte die Tür, fiel wieder ins Schloß. Hans. Lr hatte Blumen.
Sein Schuhwerk knirschte. Lin pomadischer Duft fächelte sich an sie heran.
Sieben Zahre neben einem solchen Kerl, dachte sie Sieben lange Zahre
sterbendes Mädchendasein und Krau wie Spielzeug oder Nippsache.
Handkuß wie gewöhnlich. Sieben Zahre lang Streicheln, sieben Zahre
lang zärtliches Wort, geregeltes Einkommen, Handarbeit, eine Nische,Zubett-
gehen, Ausstehen, wieder von vorne anfangen ... — „Kinbl!" Lr küßte sie.
wie sich seine Stimme an ihren Leib schmiegte, emporkroch, bittend, hün-
disch! — Sie biß die Zähne aufeinander. Rnirschte. — „Selmachen!" Sie
machte sich los. Lkel kam ihr. Die bittenden, fächelnden Worte schnitten.
— „Sind alle Bankbeamten so zu ihren Krauen?" fragte sie zynisch. Lr
lächelte. Alles war so glatt. — Lr stand wie ein Rloh, glotzte sie an. — „wenn
ich dir plötzlich davonrennen wollte, es wirklich tun wollte, was tätest du
da?" — Lr streichelte ihr Haar, brümmelte fast verzeihend: „Aber du!"
„Rannst du nur mehr antworten, wenn eine Rechnung auszurechnen ist,
oder sonst auch noch was?" Sie maß ihn böse.
Zhr Vater schlug ihre Mutter. Da war Haß. Und doch war Glück. Doch
war da ein Verhältnis, das Hand und Kuß hatte. Liner befahl, einer ge-
horchte. So muß die Welt sein.-
„was ist bloß heute ln dich gefahren, Rind!" stöhnte er beinahe.
Selma Särensen reckte ihren gesunden, frau ich lassen Rörper. — Und
hatte ihre Mutter denn nicht das sichere Gefühl des Geborgenseins?-
So liebte diese Krau ihren Vater am meisten: wenn abends das Gesinde
zusammenkam, Rlagen vorbrachte und die Anschaffungen jür morgen emp-
fing, wenn etwas dem Herrn in die Puere kam, er wild wurde, drauflos-
polterte. Da verschwanden sie alle, einer nach dem andern, wie davon-
schleichend. Dann saß der Gewaltige stier da, dumpf den Ropf tierhaft in
den Schalen seiner Hände. Da flammte etwas auf in dieser Krau wie: Auf-
sehen zum Giganten...
„Selmachen, na was ist's denn heute mit dir?" wieder dieses süßlich
weiche Stimmchen, äh. Sie fühlte seinen Atem an ihren Mangen, dann
schlossen sich runde Arme um den Nacken...
„Aeh, pfui Teufel, winseltrottel!" — Nach sieben fahren Stillheit dieser
Aufschrei. Und ihre Brust weitete sich. Atem zog frei ein und aus, frei. —
Schlaff fielen seine Arme herunter, sein Gesicht bekam einen beamtenhaften
korrekten Lrnst. Lr ging schweigend hinaus, und das einzige was er anders
tat, war, daß er heute die Tür etwas fester schloß als er sonst zu tun pflegte —
Später Härte man von einer glattverlaufenen Scheidung, und viele
Bürger der verwinkelten Rleinstadt konnten es jahrelang nicht fassen, wie
ein Mann mit geregeltem Verdienst und von solidem Charakter so ein Pech
haben konnte. —
'JL* /
d e Heimfahr
K r i d o Witte
63
— Wir dächten: viele find so. Unsere Schritte empfänden wir anders.
Soden, Boden wäre unter uns. Nichts mehr vor, noch hinter uns könnte
binden, verpflichten, wenn einer kommen würde, ein Räuber, ein Ver-
gewaltiger, ein Schuft, irgendwer!
Selma Sorgensen dachte still ihr mädchenhaftes Denken, denn sie war
heute wieder einmal, wie man das so nennt „in Stimmung".
Da knarrte die Tür, fiel wieder ins Schloß. Hans. Lr hatte Blumen.
Sein Schuhwerk knirschte. Lin pomadischer Duft fächelte sich an sie heran.
Sieben Zahre neben einem solchen Kerl, dachte sie Sieben lange Zahre
sterbendes Mädchendasein und Krau wie Spielzeug oder Nippsache.
Handkuß wie gewöhnlich. Sieben Zahre lang Streicheln, sieben Zahre
lang zärtliches Wort, geregeltes Einkommen, Handarbeit, eine Nische,Zubett-
gehen, Ausstehen, wieder von vorne anfangen ... — „Kinbl!" Lr küßte sie.
wie sich seine Stimme an ihren Leib schmiegte, emporkroch, bittend, hün-
disch! — Sie biß die Zähne aufeinander. Rnirschte. — „Selmachen!" Sie
machte sich los. Lkel kam ihr. Die bittenden, fächelnden Worte schnitten.
— „Sind alle Bankbeamten so zu ihren Krauen?" fragte sie zynisch. Lr
lächelte. Alles war so glatt. — Lr stand wie ein Rloh, glotzte sie an. — „wenn
ich dir plötzlich davonrennen wollte, es wirklich tun wollte, was tätest du
da?" — Lr streichelte ihr Haar, brümmelte fast verzeihend: „Aber du!"
„Rannst du nur mehr antworten, wenn eine Rechnung auszurechnen ist,
oder sonst auch noch was?" Sie maß ihn böse.
Zhr Vater schlug ihre Mutter. Da war Haß. Und doch war Glück. Doch
war da ein Verhältnis, das Hand und Kuß hatte. Liner befahl, einer ge-
horchte. So muß die Welt sein.-
„was ist bloß heute ln dich gefahren, Rind!" stöhnte er beinahe.
Selma Särensen reckte ihren gesunden, frau ich lassen Rörper. — Und
hatte ihre Mutter denn nicht das sichere Gefühl des Geborgenseins?-
So liebte diese Krau ihren Vater am meisten: wenn abends das Gesinde
zusammenkam, Rlagen vorbrachte und die Anschaffungen jür morgen emp-
fing, wenn etwas dem Herrn in die Puere kam, er wild wurde, drauflos-
polterte. Da verschwanden sie alle, einer nach dem andern, wie davon-
schleichend. Dann saß der Gewaltige stier da, dumpf den Ropf tierhaft in
den Schalen seiner Hände. Da flammte etwas auf in dieser Krau wie: Auf-
sehen zum Giganten...
„Selmachen, na was ist's denn heute mit dir?" wieder dieses süßlich
weiche Stimmchen, äh. Sie fühlte seinen Atem an ihren Mangen, dann
schlossen sich runde Arme um den Nacken...
„Aeh, pfui Teufel, winseltrottel!" — Nach sieben fahren Stillheit dieser
Aufschrei. Und ihre Brust weitete sich. Atem zog frei ein und aus, frei. —
Schlaff fielen seine Arme herunter, sein Gesicht bekam einen beamtenhaften
korrekten Lrnst. Lr ging schweigend hinaus, und das einzige was er anders
tat, war, daß er heute die Tür etwas fester schloß als er sonst zu tun pflegte —
Später Härte man von einer glattverlaufenen Scheidung, und viele
Bürger der verwinkelten Rleinstadt konnten es jahrelang nicht fassen, wie
ein Mann mit geregeltem Verdienst und von solidem Charakter so ein Pech
haben konnte. —
'JL* /
d e Heimfahr
K r i d o Witte
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