HECATItE
EIXE WUNDERLICH
1IA3JS VON
Der O-Zug trug mich nach Westen. Ein dringendes Telegramm rief
mich znm Flug- und Schießplatz Awon. Mein alter Schulsseund Heinz
Müller verlangte meine „dringende Unterstützung bei einer hochwichtigen
Erfindung". Er war Chefingenieur bei nnferm größten Hüttenwerk und
galt trotz seiner Jugend für einen unserer fähigsten Kopfe.
Es war l\ Uhr nachmittags am 19. März 1919, als ich auf der kleinen,
jetzt nach dem Kriege völlig verödeten Bahnstation eintraf Heinz Müller,
unverändert mit seinem klugen scharfgeschnittenem Profil, begrüßte mich
auf dem Bahnsteig.
Er dankte mir für mein augenblirklicheS Kommen, ergriff meine Hand-
tasche und führte mich vom Bahnhof nach Westen in Richtung des san-
digen Schießplatzes fort. Währeitd er leichten, elastischen Schrittes vor mir
herging, stel mir die ungewöhnliche Breite seiner Schultern auf. Schon
nach wenigen Minuten war es mir unmöglich, der von ihm eingeschlage-
nen Gangart zu folgen. Ich blieb atentlos stehen und rief fast ärgerlich:
„Wohin und wie weit soll ich eigentlich in diesein Schnelltempo durch
diesen scheußlichen gelben Sand mit dir laufen?" Er blieb augenblicklich
stehen -und sagte entschuldigend und doch mit einem gewissen triumphieren-
den Unterton in der Stimme: „Verzeih, ich hakte vergessen, daß du ja
unntöglich dieses Tempo mithalten kannst. In zehn bis fünfzehn Minuten
bist du erlöst und an Ort und Stelle."
Er beukühte sich nun sichtlich, feine Schritte den meinen anzupafsen. Aber
trvtzdern war er manchmal im Eifer des Gesprächs, das sich zunächst um
unsere augenblickliche politische Lage drehte, plötzlich mit einigen riesigen,
fast springenden Schritten eine ganze Strecke vor mir, daß ich wiederholt
rufen mußte: „Langsamer, langsamer, ich kann nicht mit!"
Wie schon gleich zu Anfang stel mir die fabelhafte Elastizität und Leichtig-
keit seiner Bewegungen auf. Trotz des nicht unbeträchtlichen Gewichtes
meiner Handtasche, — ich hatte mich auf etwa acht Tage Abwesenheit
von Hause für alle Fälle vorgesehen, — schien er in denk tiefen Sande
überhaupt gar nicht einzustnken. Besonders tiefe Löcher übersprang er mit
Leichtigkeit in vier bis fünf Meter langen Sätzen. Ich mar völlig aus-
gepumpt und äußerst erleichtert, als er plötzlich auSrief: „Wir sind am Ziel."
Vergeblich suchten meine Akigen jedoch in der Dämmerung irgend ein
Ziel zu entdecken. Unendlich und trostlos dehnte sich der abscheuliche, gelbe
Sand vor mir aus. Nach wenigen Schritten standen wir vor einer Treppe,
die etwa zwanzig Stufen tief in die Erde führte. Eine Tür sprang auf, elek.
trisches Licht erstrahlte, und ich stand aufatniend in einem großen, fast be-
haglich eiikgerichteteu Betongewölbe.
Jetzt wußte ich, daß wir uns in einem Beobachtungsstande für schwerste
Artilleriegeschütze befanden.
„Seit vier Wochen hause ich hier in diesem einstigen Beobachtungs-
stande," unterbrach Heinz Müller meine Betrachtungen, „und ich glaube,
daß außer den Stationsbeankten und dem Lagerwachhabenden kein Mensch
davon weiß. Du stehst aber, daß es hier unter der Erde ganz geniütlich ist."
Wirklich machte der Räum einen ganz wohnlichen Eindruck In einer
Ecke standen zwei Feldbetten, in der andern ein Tisch nkit zwei bequemen
Feldstühlen, in der Mitte ein kleiner Feldherd, dessen Rohr seinen Abzug
durch die frühere Öffnung des Scherenfernrohrs erhielt, im Hintergrund
zwei Schränke je zur Seite einer schweren eisernen Türe.
„Der Eingang zürn Labaratorium," bemerkte mein Freund auf meinen
forschenden Blick.
„Doch erst wollen tvir ablegen," fuhr er fort „uikd es uuS bequem
machen. "^Jm gleichen Augenblick hatte er auch schon seine Jacke abgelegt
und begann nun eine etwa zwei Centimeter starke Weste, die zu meinem
Erstaunen an einem breiten Gürtel und unter den Achseln mit Schnallen
befestigt war, abzulegen. Sie glich am ehesten einer leichten Schwimmweste.
Jetzt, wußte ich, warum mein Freund mir so unnatürlich breit in Brust und
Schultern vorgekommen war. Höchst seltsam rvar es, rvie die Weste ver-
staut rvurde. Er drückte sie in eine Ecke des Zimmers neben den Schrank
und stellte ein daneben stehendes Zentnergewicht darauf.
Ich konnte eine Frage, was dies bedeute, nicht unterdrücken.
„Du weißt, daß ich nach kurzer Kriegsteilnahme lvieder bei meinem
alten Werk tätig war. Ich will mich kurz fassen, da du ja doch Laie in
S GEWICHT
K GESCHICHTE VON
OLLSTEDT
meinem Fache bist. Also, wir verhütteten aus Mangel an Material Erze
aus Tiefen, deren Förderung unter ikormalen Verhältniffeik völlig unpro-
duktiv gewesen wäre. Bei diesen Erzen machte ich nun die merkwürdige Er-
fahrung, daß nach dem Schmelzprozeß die Gewichtsabnahnke in gar keinein
Verhältnisse stand zu der errechneten Abnahme, die sie ihrer cheinischen Zu-
sammensetzung nach hätten zeigen müssen. Du wirst ja wissen, daß der Ver-
lust an anderen Beimischungen und Gasen sonst sogar recht erheblich ist.
Nun hatten wir wieder einmal die Sohle unseres tiefsten Schachtes hun-
dert Meter tiefer gebracht; da stand ich vor der verblüssenden Tatsache,
daß diese Erze nach ihrer Verhüttung sogar eine Kleinigkeit schwerer
waren als vorher.
Ich prüfte und prüfte wieder, immer dasselbe Ergebnis. Wie war dieses
Rätsel möglich? Du wirst begreifen, daß ich schlaflose Nächte wegen dieses
Problems gehabt habe. Da ließ mich ein Zufall schließlich die Lösung stnden.
Bei der Reparatur eines schadhaft gewordenen, außer Betrieb gesetzten
SchmelzofeikS entdeckte ich an einer Höhlung des Mauerwerkes, scheinbar
angeklebt, Eisenstücke, die leichter waren als die Luft! Was ich in der Hand
hielt, lvar Eisen, unzweifelhaft Eisen, aber Eisen, das, wenik man es los
ließ, nicht zur Erde stel, sondern wie eine Rakete in der Luft verschwand.
Ich hatte Eisen mit negativein Gewicht entdeckt."
Heinz Müller nkachte eine Pause und weidete sich sichtbar an meinem
ungläubigen Staunen. Dann sprang er mit plötzlichem Ruck in die Höhe,
zog einen Schlüssel aus der Tasche und begann die niächtige eiserne Labo-
ratoriumStür zu össnen. Ich stand atemlos hinter ihnk an der Schwelle
seines Geheimnisses. Wenn ich ehrlich sein soll, der Anblick, der mich er-
wartete, enttäuschte inich aufs höchste. Der weite kahle Raum enthielt
nichts weiter als einen Ainboß mit einigen Schnkiedegeräten und einen
schweren, scheinbar im Fußboden verankerten Werkzeugtisch. Liber dieseni
Tisch schwebten, an kurzen Kettchen befestigt, kleine Ballons von zwei bis
fünfzehn Centimeter Durchmesser. Das einzig aussallende war, daß diese
kleinen schwebenden Dinger die genaue Form von Gewichtsstücken zwischen
20 Pfund und 25o Gramm hatten. Mit verzückter Mieike stand mein
Freund vor diesem Tisch und wartete anscheinend anfeinen enthusiastischen
Gefühlsausbruch meinerseits. Da dieser nicht erfolgte, ergriss er seinerseits
das Wort und sagte mit feierlich gedämpfter Stimme: „Du wirst diesen
Augenblick nie vergessen. Du stehst vor der gewaltigsten Entdeckung aller
Jahrtausende. Nimm bitte eines dieser Gewichte in die Hand!"
Ich folgte seiner Weisung. Was ich mit der Hand faßte, war nach Aus-
sehen, nach Härte Eisen, unzweifelhaft Eisen, aber es schwebte in der Luft,
war um ein vielfaches leichter als die Luft und wäre, wenii es nicht an
einer Kette befestigt gelvefen wäre, höchstwahrscheinlich mit lautein Krache
gegen die Decke geflogen.
Im nächsten Augenblick hatte rnein Freund, wohl meine Empfindungen
erratend, eines der Gewichte losgelöst, das augenblicklich gegen die Decke
mehr stel als stog. „Was sagst du nun?" fragte er mich mit triumphieren-
der Miene. Ich war jetzt tatsächlich sprachlos. „Was du hier siehst, ist das
Wunderbarste und doch das Einfachste was es gibt, es ist negatives Ge-
wicht, Negaferrum nköchte ich deik Stoss nennen.
Es ist mir heute eigentlich ein Rätsel, daß bisher noch niemand auf den
Gedanken gekomnien ist, daß negatives Gewicht mit Naturnotwendigkeit
vorhanden sein muß. Mit Gewicht bezeichnen wir ja eigentlich nur den
sichtbaren Ausdruck der Anziehungskraft der Erde. Die Anziehungskraft
der Erde nehmen wir als etwas Bestehendes hin, ohne eine Erklärung da-
für geben zu können. Nach den Gesetzen der Zentrifugalkraft müßte es auf
der Erde nur negatives Gewicht geben, denn durch die Umdrehung der
Erde müßte ja nach den sonstigen physischen Gesetzen alles Bewegliche von
ihr fortgeschleudert werden. Dadurch muß man zu dem einfachen Schlüsse
kornmen, daß die Eigenschaften des negativen Gewichtes tatsächlich das
Natürliche sind."
„Das klingt allerdings furchtbar einfach," warf ich ein.
„Das ist es auch, nicht so leicht ist es aber, das Wesen des positiven
Gewichtes zu erfassen. Wir haben sein Vorhandensein bisher als etwas
Selbstverständliches hingeirommen, da ivir es ja tagtäglich vor Augen
hatten. Ich habe mir nun folgende Theorie zurecht gemacht, deren Richtig-
310
v.
EIXE WUNDERLICH
1IA3JS VON
Der O-Zug trug mich nach Westen. Ein dringendes Telegramm rief
mich znm Flug- und Schießplatz Awon. Mein alter Schulsseund Heinz
Müller verlangte meine „dringende Unterstützung bei einer hochwichtigen
Erfindung". Er war Chefingenieur bei nnferm größten Hüttenwerk und
galt trotz seiner Jugend für einen unserer fähigsten Kopfe.
Es war l\ Uhr nachmittags am 19. März 1919, als ich auf der kleinen,
jetzt nach dem Kriege völlig verödeten Bahnstation eintraf Heinz Müller,
unverändert mit seinem klugen scharfgeschnittenem Profil, begrüßte mich
auf dem Bahnsteig.
Er dankte mir für mein augenblirklicheS Kommen, ergriff meine Hand-
tasche und führte mich vom Bahnhof nach Westen in Richtung des san-
digen Schießplatzes fort. Währeitd er leichten, elastischen Schrittes vor mir
herging, stel mir die ungewöhnliche Breite seiner Schultern auf. Schon
nach wenigen Minuten war es mir unmöglich, der von ihm eingeschlage-
nen Gangart zu folgen. Ich blieb atentlos stehen und rief fast ärgerlich:
„Wohin und wie weit soll ich eigentlich in diesein Schnelltempo durch
diesen scheußlichen gelben Sand mit dir laufen?" Er blieb augenblicklich
stehen -und sagte entschuldigend und doch mit einem gewissen triumphieren-
den Unterton in der Stimme: „Verzeih, ich hakte vergessen, daß du ja
unntöglich dieses Tempo mithalten kannst. In zehn bis fünfzehn Minuten
bist du erlöst und an Ort und Stelle."
Er beukühte sich nun sichtlich, feine Schritte den meinen anzupafsen. Aber
trvtzdern war er manchmal im Eifer des Gesprächs, das sich zunächst um
unsere augenblickliche politische Lage drehte, plötzlich mit einigen riesigen,
fast springenden Schritten eine ganze Strecke vor mir, daß ich wiederholt
rufen mußte: „Langsamer, langsamer, ich kann nicht mit!"
Wie schon gleich zu Anfang stel mir die fabelhafte Elastizität und Leichtig-
keit seiner Bewegungen auf. Trotz des nicht unbeträchtlichen Gewichtes
meiner Handtasche, — ich hatte mich auf etwa acht Tage Abwesenheit
von Hause für alle Fälle vorgesehen, — schien er in denk tiefen Sande
überhaupt gar nicht einzustnken. Besonders tiefe Löcher übersprang er mit
Leichtigkeit in vier bis fünf Meter langen Sätzen. Ich mar völlig aus-
gepumpt und äußerst erleichtert, als er plötzlich auSrief: „Wir sind am Ziel."
Vergeblich suchten meine Akigen jedoch in der Dämmerung irgend ein
Ziel zu entdecken. Unendlich und trostlos dehnte sich der abscheuliche, gelbe
Sand vor mir aus. Nach wenigen Schritten standen wir vor einer Treppe,
die etwa zwanzig Stufen tief in die Erde führte. Eine Tür sprang auf, elek.
trisches Licht erstrahlte, und ich stand aufatniend in einem großen, fast be-
haglich eiikgerichteteu Betongewölbe.
Jetzt wußte ich, daß wir uns in einem Beobachtungsstande für schwerste
Artilleriegeschütze befanden.
„Seit vier Wochen hause ich hier in diesem einstigen Beobachtungs-
stande," unterbrach Heinz Müller meine Betrachtungen, „und ich glaube,
daß außer den Stationsbeankten und dem Lagerwachhabenden kein Mensch
davon weiß. Du stehst aber, daß es hier unter der Erde ganz geniütlich ist."
Wirklich machte der Räum einen ganz wohnlichen Eindruck In einer
Ecke standen zwei Feldbetten, in der andern ein Tisch nkit zwei bequemen
Feldstühlen, in der Mitte ein kleiner Feldherd, dessen Rohr seinen Abzug
durch die frühere Öffnung des Scherenfernrohrs erhielt, im Hintergrund
zwei Schränke je zur Seite einer schweren eisernen Türe.
„Der Eingang zürn Labaratorium," bemerkte mein Freund auf meinen
forschenden Blick.
„Doch erst wollen tvir ablegen," fuhr er fort „uikd es uuS bequem
machen. "^Jm gleichen Augenblick hatte er auch schon seine Jacke abgelegt
und begann nun eine etwa zwei Centimeter starke Weste, die zu meinem
Erstaunen an einem breiten Gürtel und unter den Achseln mit Schnallen
befestigt war, abzulegen. Sie glich am ehesten einer leichten Schwimmweste.
Jetzt, wußte ich, warum mein Freund mir so unnatürlich breit in Brust und
Schultern vorgekommen war. Höchst seltsam rvar es, rvie die Weste ver-
staut rvurde. Er drückte sie in eine Ecke des Zimmers neben den Schrank
und stellte ein daneben stehendes Zentnergewicht darauf.
Ich konnte eine Frage, was dies bedeute, nicht unterdrücken.
„Du weißt, daß ich nach kurzer Kriegsteilnahme lvieder bei meinem
alten Werk tätig war. Ich will mich kurz fassen, da du ja doch Laie in
S GEWICHT
K GESCHICHTE VON
OLLSTEDT
meinem Fache bist. Also, wir verhütteten aus Mangel an Material Erze
aus Tiefen, deren Förderung unter ikormalen Verhältniffeik völlig unpro-
duktiv gewesen wäre. Bei diesen Erzen machte ich nun die merkwürdige Er-
fahrung, daß nach dem Schmelzprozeß die Gewichtsabnahnke in gar keinein
Verhältnisse stand zu der errechneten Abnahme, die sie ihrer cheinischen Zu-
sammensetzung nach hätten zeigen müssen. Du wirst ja wissen, daß der Ver-
lust an anderen Beimischungen und Gasen sonst sogar recht erheblich ist.
Nun hatten wir wieder einmal die Sohle unseres tiefsten Schachtes hun-
dert Meter tiefer gebracht; da stand ich vor der verblüssenden Tatsache,
daß diese Erze nach ihrer Verhüttung sogar eine Kleinigkeit schwerer
waren als vorher.
Ich prüfte und prüfte wieder, immer dasselbe Ergebnis. Wie war dieses
Rätsel möglich? Du wirst begreifen, daß ich schlaflose Nächte wegen dieses
Problems gehabt habe. Da ließ mich ein Zufall schließlich die Lösung stnden.
Bei der Reparatur eines schadhaft gewordenen, außer Betrieb gesetzten
SchmelzofeikS entdeckte ich an einer Höhlung des Mauerwerkes, scheinbar
angeklebt, Eisenstücke, die leichter waren als die Luft! Was ich in der Hand
hielt, lvar Eisen, unzweifelhaft Eisen, aber Eisen, das, wenik man es los
ließ, nicht zur Erde stel, sondern wie eine Rakete in der Luft verschwand.
Ich hatte Eisen mit negativein Gewicht entdeckt."
Heinz Müller nkachte eine Pause und weidete sich sichtbar an meinem
ungläubigen Staunen. Dann sprang er mit plötzlichem Ruck in die Höhe,
zog einen Schlüssel aus der Tasche und begann die niächtige eiserne Labo-
ratoriumStür zu össnen. Ich stand atemlos hinter ihnk an der Schwelle
seines Geheimnisses. Wenn ich ehrlich sein soll, der Anblick, der mich er-
wartete, enttäuschte inich aufs höchste. Der weite kahle Raum enthielt
nichts weiter als einen Ainboß mit einigen Schnkiedegeräten und einen
schweren, scheinbar im Fußboden verankerten Werkzeugtisch. Liber dieseni
Tisch schwebten, an kurzen Kettchen befestigt, kleine Ballons von zwei bis
fünfzehn Centimeter Durchmesser. Das einzig aussallende war, daß diese
kleinen schwebenden Dinger die genaue Form von Gewichtsstücken zwischen
20 Pfund und 25o Gramm hatten. Mit verzückter Mieike stand mein
Freund vor diesem Tisch und wartete anscheinend anfeinen enthusiastischen
Gefühlsausbruch meinerseits. Da dieser nicht erfolgte, ergriss er seinerseits
das Wort und sagte mit feierlich gedämpfter Stimme: „Du wirst diesen
Augenblick nie vergessen. Du stehst vor der gewaltigsten Entdeckung aller
Jahrtausende. Nimm bitte eines dieser Gewichte in die Hand!"
Ich folgte seiner Weisung. Was ich mit der Hand faßte, war nach Aus-
sehen, nach Härte Eisen, unzweifelhaft Eisen, aber es schwebte in der Luft,
war um ein vielfaches leichter als die Luft und wäre, wenii es nicht an
einer Kette befestigt gelvefen wäre, höchstwahrscheinlich mit lautein Krache
gegen die Decke geflogen.
Im nächsten Augenblick hatte rnein Freund, wohl meine Empfindungen
erratend, eines der Gewichte losgelöst, das augenblicklich gegen die Decke
mehr stel als stog. „Was sagst du nun?" fragte er mich mit triumphieren-
der Miene. Ich war jetzt tatsächlich sprachlos. „Was du hier siehst, ist das
Wunderbarste und doch das Einfachste was es gibt, es ist negatives Ge-
wicht, Negaferrum nköchte ich deik Stoss nennen.
Es ist mir heute eigentlich ein Rätsel, daß bisher noch niemand auf den
Gedanken gekomnien ist, daß negatives Gewicht mit Naturnotwendigkeit
vorhanden sein muß. Mit Gewicht bezeichnen wir ja eigentlich nur den
sichtbaren Ausdruck der Anziehungskraft der Erde. Die Anziehungskraft
der Erde nehmen wir als etwas Bestehendes hin, ohne eine Erklärung da-
für geben zu können. Nach den Gesetzen der Zentrifugalkraft müßte es auf
der Erde nur negatives Gewicht geben, denn durch die Umdrehung der
Erde müßte ja nach den sonstigen physischen Gesetzen alles Bewegliche von
ihr fortgeschleudert werden. Dadurch muß man zu dem einfachen Schlüsse
kornmen, daß die Eigenschaften des negativen Gewichtes tatsächlich das
Natürliche sind."
„Das klingt allerdings furchtbar einfach," warf ich ein.
„Das ist es auch, nicht so leicht ist es aber, das Wesen des positiven
Gewichtes zu erfassen. Wir haben sein Vorhandensein bisher als etwas
Selbstverständliches hingeirommen, da ivir es ja tagtäglich vor Augen
hatten. Ich habe mir nun folgende Theorie zurecht gemacht, deren Richtig-
310
v.