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23 d n Georg P. M. Roose — Berechtigte Übersetzung aus dem Flämischen von Georg Gartn
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elch ein schrecklich Ding, wenn das Unglück an
unsre Türe pocht und in eiskaltem Tone Ein-
laß begehrt, wenn wir gezwungen werden —
lieber Gott, warum? — dem strahlenden Glück
und der Freundschaft der Menschen den Rücken
zu kehren und durch düstere Gänge zu gehen, um
mit eignen Händen. . . mit eignen Händen. ..
o, ohnmächtiger Menschenwille!... die Türe
zu öffnen, die wir, selbst um den Preis alles
dessen, was wir besitzen, geschlossen zu halten
wünschen und geschlossen halten wollen. . .
£), das unnennbare Elend, wenn das Unglück sich an unserem Herde
niederläßt und sich unsrer bemächtigt, sich mit uns identifiziert, und wenn
wir, nicht mehr unsrer selbst mächtig, die schönen Dinge des Lebens und
die herzlichen Menschen so zu betrachten beginnen, daß wir keine Schön-
heit und keine Herrlichkeit mehr sehen können, und wir mit dem Munde,
der gestern noch Zeugnis ablegte von unserem Glauben an das Leben,
demselben heiligen Leben stuchen. ..
Diese Gedanken lagen gleich einer schwarzen Wolke über mir, und so
ging ich, wie unter einer namenlosen Finsternis, durch die abendlichen
Straßen einer Großstadt. Die Dunkelheit, um so größer durch die Ab-
wesenheit jeglicher Straßenbeleuchtung, eine Folge des Kohlenmangels,
trug dazu bei, meine ohnehin gedrückte Stimmung bis zu unerträglichem
Leiden zu verschärfen. Zuletzt lief ich, müde und durstig, in eine Schenke
zweiten Ranges — war es am Ende nicht eine geringere? — hinein,
ließ mich auf einen Stuhl niederfallen und bestellte Bier.
Nur einzelne Menschen waren in dem Lokal: vier faßen weit von mir
weg und spielten Karten, in einer andern Ecke saßen dicht beisammen ein
junger Mann und eine junge Frau, sichtlich zwei Verliebte, nur mit sich
selbst beschäftigt. Näher bei mir saß ein Mann, der nach meiner Schätzung
gegen dreißig Jahre sein konnte, und der sorgfältig gekleidet war. Er hatte
einen wunderlichen Kopf. Ich konnte meine Blicke nicht von diesem wunder-
lichen Kopfe abwenden. Dieser Kopf war sonderbar, sehr sonderbar, aber
ich konnte unmöglich sagen, warum dieser Kopf sonderbar war. Er glich
sicherlich tausenden anderer Menschenköpfe, und trotzdem war er nicht wie
diese andern Menschenköpfe. Herausfordernd war diese Sonderbarkeit,
aber ich glaube, daß auf der ganzen Welt niemand sein konnte, der genau
zu sagen vermochte, warum dieser Kopf so wunderlich war. Der Mann
war schwarzhaarig, und seine Augen waren so nachtdunkel wie seine
Haare — aber seltsam konnten diese Augen leuchten, und in diesem
Leuchten lag etwas, das ich schon gesehen hatte. Aber wo . . . wo?. ..
Es war wirklich beängstigend anzusehen, wie dieses beinahe nicht-mensch-
liche Leuchten an diesen Menschenaugen einen schauerlich fremdartigen und
schmerzlich aufregenden Eindruck machte. Unaussprechlich aufreizend war
für mich diese Fremdartigkeit an sich und durch dag Gefühl, das ich hatte:
diese Fremdartigkeit schon irgendwo, — wo sie vielleicht keine Fremd-
artigkeit war — bemerkt zu haben, und meine geistige Ohnmacht, mich
dessen zu erinnern. Schließlich kam ich zu dem Bewußtsein, daß ich mich selbst
unnötig marterte und daß ich eben so gut an etwas anderes denken konnte.
Ich blickte auf die Zeitung, die vor inir auf dem Tische lag. Meine
Aufmerksamkeit wurde sogleich erweckt durch einige fette Lettern, die Über-
schrift eines SenfationSartikels über den Mord an Dr. Dudley, dem be-
rühmten Chirurgen, der durch feine wunderbaren Werke die Bewunderung
der ganzen gelehrten Welt auf sich gelenkt hatte. Der Mord war zehn
Tage zuvor verübt worden, und neben einer Mitteilung der Kriminal-
polizei, die eine Prämie aussetzte für den, der den Täter namhaft machte,
festnahm oder festnehmen half, schrieb ein Journalist mit einer befremden-
den Logik einen Artikel, der teilweise für den gelehrten Ermordeten sehr-
kränkend war, und in dem er darauf hindeutete, daß dieser Mord zu den
Rachetaten gehöre. Er führte an, wie der berühmte Arzt Menschen und
Tiere der Behandlung durch sein Messer unterwarf, nicht um die Menschen
von ihren Leiden zu befreien und zu heilen, sondern um seine Kenntnisse
zu bereichern und „schöne Arbeit" zu machen, und wie der Gelehrte ein
wahrhafter Künstler in diesem Fache war. Ich las diesen Artikel mit eini-
ger Bewunderung für den Mann, der eS verstanden hatte, sich so hoch
zu erheben, der sich als ein schaffender Gott gefühlt haben mußte, und
dennoch konnte ich zu gleicher Zeit ein tiefes Gefühl des Grolls gegen
diese „art pour Part“, die solch kostbares Material verbrauchte, nicht
unterdrücken.
In diesem Augenblicke dachte ich daran, wie wahrscheinlich mehr als
ein intellektueller Hungerleider durch die dunklen abendlichen Straßen der
Großstadt lief in der Hoffnung, glücklicher zu sein, als die Kriminalpolizei.
Ich dachte daran, wie die schönsten und edelsten Empfindungen durch die
Not aus dein Menschenherzen vertrieben werden, wie der Mensch selbst
das Gefühl der Selbstachtung verliert auf der Jagd nach einigen tausend
Mark, die in dieser wunderlichen Besitzgesellschaft, aufgebaut auf die schärfste
der Egoismen, Rettung vor dem Hungertode bedeuten. . . wenigstens. . .
Als ich den Kopf erhob, sah ich, daß der fremde Mann zu mir herüber
sah und lächelte. Und, Gott, wie seltsam war nur wieder dieses Lächeln
wie schrecklich unangenehm. . . wie gleichzeitig Schrecken und Teilnahme
erweckend durch seine rätselhafte Fremdartigkeit und durch etwas unaus-
sprechlich Herzzerreißendes, das darin lag und mich bis in die tiefste Seele
rührte. Ich weiß, daß ich einmal jemand einen Hund auf unmenschliche
Weise prügeln sah — nun, das Herzzerreißende dieses Menschenblickes er-
innerte mich an den sterbenden Blick des zu Tode geprügelten Hundes.
Ich weiß nicht, wie eS kam, aber ich war mir bewußt, daß auch bei
ihm — bei dem fremden Manne — das Unglück angeklopft hatte, und
daß auch er, wie Millionen anderer freier Menschen gezwungen worden. ..
Großer Gott, er, geschaffen nach deinem Bilde! ... zu verzichten auf
seinen ffeien Menschenwillen (oder hatte er und hatten alle Menschen
niemals einen?) und sich mit dem Unglück zu identifizieren. Als ich, einen
Augenblick später, wieder hinsah, war er aufgestanden, und ohne auf
meine Einladung zu warten, hatte er sich an meinem Tische niedergelassen,
mir gerade gegenüber. Er sah mich an, und um seine Lippen war noch
immer dasselbe rätselhafte, beängstigende Lächeln . . . dieses unbeschreibliche
Lächeln. Barmherziger Gott, erspare allen Menschen, meinen Brüdern,
etwas zu sehen, das so schauerlich ist und zugleich so viel Teilnahme ein-
slößt, wie dieses Grinsen unter diesen Augen!
Er beugte sich sehr tief über den Tisch und sah mir in die Augen. Ach,
diese Augen. .. diese Augen. .. dieser Blick des sterbenden Hundes in diesen
Augen . . . Dumpf sprechend und wie von der Furcht befangen, daß je-
mand außer unS hören könnte, was er sagen wollte, während er seine
Hände aneinanderrieb und die Schultern hochzog, fragte er:
„Bin ich noch ein Mensch? Bin ich noch? Ich weiß es nicht. Ich habe
Grund zu glauben, daß ich es nicht mehr bin. Ich sage das nicht gerne.
Aber, es ist so schrecklich, so schrecklich Und Sie sind anders wie die
andern. Sie find wie ein Bruder. Ich habe dies gleich gesehen, als Sie
hereinkamen. Ich habe das gefühlt. Sie sind nicht allein. Es ist jemand
bei Ihnen. Das Unglück ist bei Ihnen. Ich habe das gefühlt. Ich weiß,
was das ist. (Er ließ mich durchaus nicht sprechen. Er selbst sprach immer
weiter, dumpf und in der Furcht, daß jemand eS hören könnte, und mit
dem auf mich gerichteten Blick des sterbenden Hundes... so stehend. . .
so stehend . . . daß ich während seiner ganzen Rede immer fort im Geiste
die Szene mit dem verprügelten Hunde sah.) Hab ich noch eine Seele?
Bin ich noch ein Mensch? Ich weiß es nicht. . . Ich glaube es nicht..."
Einen Augenblick schwieg er, und so, seinem jämmerlichen Blick gegen-
über, hatte ich nicht den Mut, die dürftigen und alltäglichen Trostworte
zu sagen, die ich in der Eile und innritten der seltsamen Empfindnngen,
die mich ergriffen, gefunden hatte. Er grinste leise, und noch trauriger,
noch unaussprechlich trauriger und noch stehender wurde der Ausdruck
seiner seltsamen Augen. So wunderseltsam leuchteten sie zugleich in dieseni
Moment, daß ich mich zum ersten Male ffagte, ob ich wirklich Menschen-
augen vor mir hätte... Er deutete auf die Zeitung, und durch sein
Grinsen konnte ich seine gelben Zähne sehen. Er deutete auf den Artikel,
den ich eben gelesen hatte.
„Ich kenne den Mörder," sagte er.
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23 d n Georg P. M. Roose — Berechtigte Übersetzung aus dem Flämischen von Georg Gartn
e r
elch ein schrecklich Ding, wenn das Unglück an
unsre Türe pocht und in eiskaltem Tone Ein-
laß begehrt, wenn wir gezwungen werden —
lieber Gott, warum? — dem strahlenden Glück
und der Freundschaft der Menschen den Rücken
zu kehren und durch düstere Gänge zu gehen, um
mit eignen Händen. . . mit eignen Händen. ..
o, ohnmächtiger Menschenwille!... die Türe
zu öffnen, die wir, selbst um den Preis alles
dessen, was wir besitzen, geschlossen zu halten
wünschen und geschlossen halten wollen. . .
£), das unnennbare Elend, wenn das Unglück sich an unserem Herde
niederläßt und sich unsrer bemächtigt, sich mit uns identifiziert, und wenn
wir, nicht mehr unsrer selbst mächtig, die schönen Dinge des Lebens und
die herzlichen Menschen so zu betrachten beginnen, daß wir keine Schön-
heit und keine Herrlichkeit mehr sehen können, und wir mit dem Munde,
der gestern noch Zeugnis ablegte von unserem Glauben an das Leben,
demselben heiligen Leben stuchen. ..
Diese Gedanken lagen gleich einer schwarzen Wolke über mir, und so
ging ich, wie unter einer namenlosen Finsternis, durch die abendlichen
Straßen einer Großstadt. Die Dunkelheit, um so größer durch die Ab-
wesenheit jeglicher Straßenbeleuchtung, eine Folge des Kohlenmangels,
trug dazu bei, meine ohnehin gedrückte Stimmung bis zu unerträglichem
Leiden zu verschärfen. Zuletzt lief ich, müde und durstig, in eine Schenke
zweiten Ranges — war es am Ende nicht eine geringere? — hinein,
ließ mich auf einen Stuhl niederfallen und bestellte Bier.
Nur einzelne Menschen waren in dem Lokal: vier faßen weit von mir
weg und spielten Karten, in einer andern Ecke saßen dicht beisammen ein
junger Mann und eine junge Frau, sichtlich zwei Verliebte, nur mit sich
selbst beschäftigt. Näher bei mir saß ein Mann, der nach meiner Schätzung
gegen dreißig Jahre sein konnte, und der sorgfältig gekleidet war. Er hatte
einen wunderlichen Kopf. Ich konnte meine Blicke nicht von diesem wunder-
lichen Kopfe abwenden. Dieser Kopf war sonderbar, sehr sonderbar, aber
ich konnte unmöglich sagen, warum dieser Kopf sonderbar war. Er glich
sicherlich tausenden anderer Menschenköpfe, und trotzdem war er nicht wie
diese andern Menschenköpfe. Herausfordernd war diese Sonderbarkeit,
aber ich glaube, daß auf der ganzen Welt niemand sein konnte, der genau
zu sagen vermochte, warum dieser Kopf so wunderlich war. Der Mann
war schwarzhaarig, und seine Augen waren so nachtdunkel wie seine
Haare — aber seltsam konnten diese Augen leuchten, und in diesem
Leuchten lag etwas, das ich schon gesehen hatte. Aber wo . . . wo?. ..
Es war wirklich beängstigend anzusehen, wie dieses beinahe nicht-mensch-
liche Leuchten an diesen Menschenaugen einen schauerlich fremdartigen und
schmerzlich aufregenden Eindruck machte. Unaussprechlich aufreizend war
für mich diese Fremdartigkeit an sich und durch dag Gefühl, das ich hatte:
diese Fremdartigkeit schon irgendwo, — wo sie vielleicht keine Fremd-
artigkeit war — bemerkt zu haben, und meine geistige Ohnmacht, mich
dessen zu erinnern. Schließlich kam ich zu dem Bewußtsein, daß ich mich selbst
unnötig marterte und daß ich eben so gut an etwas anderes denken konnte.
Ich blickte auf die Zeitung, die vor inir auf dem Tische lag. Meine
Aufmerksamkeit wurde sogleich erweckt durch einige fette Lettern, die Über-
schrift eines SenfationSartikels über den Mord an Dr. Dudley, dem be-
rühmten Chirurgen, der durch feine wunderbaren Werke die Bewunderung
der ganzen gelehrten Welt auf sich gelenkt hatte. Der Mord war zehn
Tage zuvor verübt worden, und neben einer Mitteilung der Kriminal-
polizei, die eine Prämie aussetzte für den, der den Täter namhaft machte,
festnahm oder festnehmen half, schrieb ein Journalist mit einer befremden-
den Logik einen Artikel, der teilweise für den gelehrten Ermordeten sehr-
kränkend war, und in dem er darauf hindeutete, daß dieser Mord zu den
Rachetaten gehöre. Er führte an, wie der berühmte Arzt Menschen und
Tiere der Behandlung durch sein Messer unterwarf, nicht um die Menschen
von ihren Leiden zu befreien und zu heilen, sondern um seine Kenntnisse
zu bereichern und „schöne Arbeit" zu machen, und wie der Gelehrte ein
wahrhafter Künstler in diesem Fache war. Ich las diesen Artikel mit eini-
ger Bewunderung für den Mann, der eS verstanden hatte, sich so hoch
zu erheben, der sich als ein schaffender Gott gefühlt haben mußte, und
dennoch konnte ich zu gleicher Zeit ein tiefes Gefühl des Grolls gegen
diese „art pour Part“, die solch kostbares Material verbrauchte, nicht
unterdrücken.
In diesem Augenblicke dachte ich daran, wie wahrscheinlich mehr als
ein intellektueller Hungerleider durch die dunklen abendlichen Straßen der
Großstadt lief in der Hoffnung, glücklicher zu sein, als die Kriminalpolizei.
Ich dachte daran, wie die schönsten und edelsten Empfindungen durch die
Not aus dein Menschenherzen vertrieben werden, wie der Mensch selbst
das Gefühl der Selbstachtung verliert auf der Jagd nach einigen tausend
Mark, die in dieser wunderlichen Besitzgesellschaft, aufgebaut auf die schärfste
der Egoismen, Rettung vor dem Hungertode bedeuten. . . wenigstens. . .
Als ich den Kopf erhob, sah ich, daß der fremde Mann zu mir herüber
sah und lächelte. Und, Gott, wie seltsam war nur wieder dieses Lächeln
wie schrecklich unangenehm. . . wie gleichzeitig Schrecken und Teilnahme
erweckend durch seine rätselhafte Fremdartigkeit und durch etwas unaus-
sprechlich Herzzerreißendes, das darin lag und mich bis in die tiefste Seele
rührte. Ich weiß, daß ich einmal jemand einen Hund auf unmenschliche
Weise prügeln sah — nun, das Herzzerreißende dieses Menschenblickes er-
innerte mich an den sterbenden Blick des zu Tode geprügelten Hundes.
Ich weiß nicht, wie eS kam, aber ich war mir bewußt, daß auch bei
ihm — bei dem fremden Manne — das Unglück angeklopft hatte, und
daß auch er, wie Millionen anderer freier Menschen gezwungen worden. ..
Großer Gott, er, geschaffen nach deinem Bilde! ... zu verzichten auf
seinen ffeien Menschenwillen (oder hatte er und hatten alle Menschen
niemals einen?) und sich mit dem Unglück zu identifizieren. Als ich, einen
Augenblick später, wieder hinsah, war er aufgestanden, und ohne auf
meine Einladung zu warten, hatte er sich an meinem Tische niedergelassen,
mir gerade gegenüber. Er sah mich an, und um seine Lippen war noch
immer dasselbe rätselhafte, beängstigende Lächeln . . . dieses unbeschreibliche
Lächeln. Barmherziger Gott, erspare allen Menschen, meinen Brüdern,
etwas zu sehen, das so schauerlich ist und zugleich so viel Teilnahme ein-
slößt, wie dieses Grinsen unter diesen Augen!
Er beugte sich sehr tief über den Tisch und sah mir in die Augen. Ach,
diese Augen. .. diese Augen. .. dieser Blick des sterbenden Hundes in diesen
Augen . . . Dumpf sprechend und wie von der Furcht befangen, daß je-
mand außer unS hören könnte, was er sagen wollte, während er seine
Hände aneinanderrieb und die Schultern hochzog, fragte er:
„Bin ich noch ein Mensch? Bin ich noch? Ich weiß es nicht. Ich habe
Grund zu glauben, daß ich es nicht mehr bin. Ich sage das nicht gerne.
Aber, es ist so schrecklich, so schrecklich Und Sie sind anders wie die
andern. Sie find wie ein Bruder. Ich habe dies gleich gesehen, als Sie
hereinkamen. Ich habe das gefühlt. Sie sind nicht allein. Es ist jemand
bei Ihnen. Das Unglück ist bei Ihnen. Ich habe das gefühlt. Ich weiß,
was das ist. (Er ließ mich durchaus nicht sprechen. Er selbst sprach immer
weiter, dumpf und in der Furcht, daß jemand eS hören könnte, und mit
dem auf mich gerichteten Blick des sterbenden Hundes... so stehend. . .
so stehend . . . daß ich während seiner ganzen Rede immer fort im Geiste
die Szene mit dem verprügelten Hunde sah.) Hab ich noch eine Seele?
Bin ich noch ein Mensch? Ich weiß es nicht. . . Ich glaube es nicht..."
Einen Augenblick schwieg er, und so, seinem jämmerlichen Blick gegen-
über, hatte ich nicht den Mut, die dürftigen und alltäglichen Trostworte
zu sagen, die ich in der Eile und innritten der seltsamen Empfindnngen,
die mich ergriffen, gefunden hatte. Er grinste leise, und noch trauriger,
noch unaussprechlich trauriger und noch stehender wurde der Ausdruck
seiner seltsamen Augen. So wunderseltsam leuchteten sie zugleich in dieseni
Moment, daß ich mich zum ersten Male ffagte, ob ich wirklich Menschen-
augen vor mir hätte... Er deutete auf die Zeitung, und durch sein
Grinsen konnte ich seine gelben Zähne sehen. Er deutete auf den Artikel,
den ich eben gelesen hatte.
„Ich kenne den Mörder," sagte er.
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