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DEUTSCHE HINTERLIST
Die polnische Regierung hat
den Obersten Rat benachrichtigt,
daß sie deutsche Länder militärisch
besetzen wolle, wenn Deutschland
seine Friedensverpflichtungen nicht
halte.
Es ist klar, daß Polen seinen
Truppen, die sich am Weltkrieg
mit nie gehörter Tapferkeit an der
Niederwerfung Deutschlands be-
teiligt haben, nun außer denMüh-
falen der Besetzung der zurück-
eroberten Grenzgebiete auch noch
— ebensogut wie Frankreich —
einen Siegeseinzug ins Innere
gönnen will.
Nachdem in dieser Richtung
der Bann gebrochen ist, wer-
den wohl auch andere kleinere
und größere Feindbundmächte
ihre bescheidene Zurückhaltung
aufgeben.
Die Negerrepublik Liberia soll
sich bereits zur militärischen Be-
setzung von München, Augs-
burg und Nürnberg eingeschifft
haben; weitere Anmeldungen
laufen stündlich beim Obersten
Rat zusammen.
Auf diese Weise wird natürlich
die Anzahl der Gewehre, Ma-
schinengewehre, Kanonen usw.
in Deutschland statt kleiner an-
dauernd größer, was nichts ande-
res bedeutet als eine neue hinter-
hältige Umgehung des Versailler
Friedenßverlrags!
Zur Strafe dafür wird, wie
Millerand versichert, die militäri-
scheBesetzung Deutschlands immer „ Komm,
wieder verstärkt und verlängert
werden müssen, bis es endlich ein-
sieht, daß es nur bei aufrichtiger
und restloser Erfüllung seiner frei-
willig übernommenen Verpflichtungen hoffen
darf, wieder als brauchbares Mitglied in die
Völkergemeinschaft ausgenommen zu werden.
I. A. Sowas
*
GROSSHERZIGKEIT
Oer englische Unterstaatssekretär Ceeil Harms-
worth hat im Unterhause ausgeführt, die alli-
ierten Mächte hätten gegen ihre ehemaligen
Feinde eine Großherzigkeit gezeigt, die keine Pa-
rallele in der Geschichte habe.
Vielleicht nicht in der der Menschen, aber doch
in der der Tiere.
So sollen einige Wespenarten ihre Eier in le-
bendige Raupen legen. Die auskriechenden Maden
ffeffen dann ihren Zwangswirt bei lebendigem
Leibe aus. Dies erscheint immerhin als beacht-
liches Seitenstück zu den Großherzigkeiten der
Hungerblockade gegen Wehrlose und der auf
Kosten des verhungernden Deutschland sich
mästenden Ententekommissionen. Merks
GASTSPIELER
jehen wir. Sicherer wie der Toto iS immer noch
die Streikkasse."
DIE SCHIEFERTAFEL
Aus geschätzten Volksschulkreisen geht uns fol-
gender Brief zu:
görde redaxon!
die schiffertafel kost jez zen mark! ffiherS 26!
(fennig !) ich prauch in jar 3. drei! wi kan eines
da seinen beruv nachgeen, wo si imer zerbrich.
Deils weil fritz steiner auf ir fchmeist. Oder man
muS si mangmall einen freind an kopff haun.
auch wen man auf ir di trepp herunderrutfch,
halld si'S nich aus. wi kan eins da feinen be-
ruv nachgeen??? wo wir doch sollen!
Denn wer a sagd muS aug b sagn. ich neme an
das di hohe schule diS nich dulden würd, widrig-
falls wir den ABC streig erglärn und kein
buchsdab mer lernen, bis tafeln so billik sint, das
man si wida one ferlust fein kameraden gebrau-
chen kann.
hoch! achdungSvol
fri3 inaic
DER GLAUBE MACHT
SELIG!
Der Oberste Gerichtshof in
Paris hat Caillaux zu drei Jahren
Festung verurteilt und ein Auf-
enthaltsverbot von fünf Jahren
ausgesprochen.
Aus der Begründung erfährt
man, daß die Verurteilung aus
dem Grunde erfolgte, weil Caillaux
nicht an den Sieg Frankreichs
glaubte.
Die Verurteilung selbst wurde
nach einem klaren Plan auf die Zeit nach dem
Friedensschluß hinausgeschoben; die ganze Welt
sollte erst den Sieg Frankreichs erleben und ein-
fehen, daß Caillaux mit seinem ketzerischen Un-
glauben im Unrecht war. Caillaux ist auf fünf
Jahre aus Frankreich ausgewiesen. Nun gibt
es zwischen Calais und Bayonne und zwischen
Brest und Nizza tatsächlich kein menschliches
Wesen mehr, das den gloriosen Sieg Frankreichs
bestreitet. Zum ersten Mal in der Nacht nach
der Urteilsverkündung konnten die Patrioten von
Paris ruhig schlafen: Ihr Sieg ist überwälti-
gend, endgültig und unangefochten. Frankreich
fürchtet sich vor nichts mehr.
Aus diesem Grunde hat es in San Remo
durchgesetzt, daß die deutschen Einwohnerwehren
bis Ende Mai den letzten Hinterlader abliefern
müssen. Depp
SPLITTER: Mancher wählt sich ein
Pseudonym und glaubt, er hätte sich einen
Namen gemacht. 5. ä.
WAFFENSTILLSTAND
MittagSappell in einem kleinen
Gefangenenlager in Mittelfrank-
reich. Es ist Grippezeit, die Leute
schauen hohlwangig und teil-
nahmslos drein. Der Lager-Dol-
metscher, ein kleiner parfümierter
Südffanzose, verliest die Bestra-
fungen. Es sind heute vielleicht
ein Dutzend. Sie sind sehr in die
Höhe gegangen seit Waffenstill-
stand, die Bestrafungen, man muß
den „docke" ducken. Und er liest
weiter, der kleine gebügelte, ge-
schniegelte Franzose, mit eigen-
tümlich schnarrender Stimme:
„Befehl vom Erren Lagerkom-
mandanten. Von 'eute ist die
Temperatur normal der Gefan-
genen nicht Z7,5, sondern wird
sein 38,5. Wer sich wird melden
krank mit weniger Temperatur,
wird werden bestraft mit vier Ta-
gen Prison."
Nur wenige hoben den Kopf,
wir waren es ja gewöhnt. Es mag
aber welche unter uns gegeben
haben, die nachrechneten, wie lange
wir uns der Segnungen eines
Waffenstillstands erfreuten.
Heimkehrer
*
► C -
DEUTSCHE HINTERLIST
Die polnische Regierung hat
den Obersten Rat benachrichtigt,
daß sie deutsche Länder militärisch
besetzen wolle, wenn Deutschland
seine Friedensverpflichtungen nicht
halte.
Es ist klar, daß Polen seinen
Truppen, die sich am Weltkrieg
mit nie gehörter Tapferkeit an der
Niederwerfung Deutschlands be-
teiligt haben, nun außer denMüh-
falen der Besetzung der zurück-
eroberten Grenzgebiete auch noch
— ebensogut wie Frankreich —
einen Siegeseinzug ins Innere
gönnen will.
Nachdem in dieser Richtung
der Bann gebrochen ist, wer-
den wohl auch andere kleinere
und größere Feindbundmächte
ihre bescheidene Zurückhaltung
aufgeben.
Die Negerrepublik Liberia soll
sich bereits zur militärischen Be-
setzung von München, Augs-
burg und Nürnberg eingeschifft
haben; weitere Anmeldungen
laufen stündlich beim Obersten
Rat zusammen.
Auf diese Weise wird natürlich
die Anzahl der Gewehre, Ma-
schinengewehre, Kanonen usw.
in Deutschland statt kleiner an-
dauernd größer, was nichts ande-
res bedeutet als eine neue hinter-
hältige Umgehung des Versailler
Friedenßverlrags!
Zur Strafe dafür wird, wie
Millerand versichert, die militäri-
scheBesetzung Deutschlands immer „ Komm,
wieder verstärkt und verlängert
werden müssen, bis es endlich ein-
sieht, daß es nur bei aufrichtiger
und restloser Erfüllung seiner frei-
willig übernommenen Verpflichtungen hoffen
darf, wieder als brauchbares Mitglied in die
Völkergemeinschaft ausgenommen zu werden.
I. A. Sowas
*
GROSSHERZIGKEIT
Oer englische Unterstaatssekretär Ceeil Harms-
worth hat im Unterhause ausgeführt, die alli-
ierten Mächte hätten gegen ihre ehemaligen
Feinde eine Großherzigkeit gezeigt, die keine Pa-
rallele in der Geschichte habe.
Vielleicht nicht in der der Menschen, aber doch
in der der Tiere.
So sollen einige Wespenarten ihre Eier in le-
bendige Raupen legen. Die auskriechenden Maden
ffeffen dann ihren Zwangswirt bei lebendigem
Leibe aus. Dies erscheint immerhin als beacht-
liches Seitenstück zu den Großherzigkeiten der
Hungerblockade gegen Wehrlose und der auf
Kosten des verhungernden Deutschland sich
mästenden Ententekommissionen. Merks
GASTSPIELER
jehen wir. Sicherer wie der Toto iS immer noch
die Streikkasse."
DIE SCHIEFERTAFEL
Aus geschätzten Volksschulkreisen geht uns fol-
gender Brief zu:
görde redaxon!
die schiffertafel kost jez zen mark! ffiherS 26!
(fennig !) ich prauch in jar 3. drei! wi kan eines
da seinen beruv nachgeen, wo si imer zerbrich.
Deils weil fritz steiner auf ir fchmeist. Oder man
muS si mangmall einen freind an kopff haun.
auch wen man auf ir di trepp herunderrutfch,
halld si'S nich aus. wi kan eins da feinen be-
ruv nachgeen??? wo wir doch sollen!
Denn wer a sagd muS aug b sagn. ich neme an
das di hohe schule diS nich dulden würd, widrig-
falls wir den ABC streig erglärn und kein
buchsdab mer lernen, bis tafeln so billik sint, das
man si wida one ferlust fein kameraden gebrau-
chen kann.
hoch! achdungSvol
fri3 inaic
DER GLAUBE MACHT
SELIG!
Der Oberste Gerichtshof in
Paris hat Caillaux zu drei Jahren
Festung verurteilt und ein Auf-
enthaltsverbot von fünf Jahren
ausgesprochen.
Aus der Begründung erfährt
man, daß die Verurteilung aus
dem Grunde erfolgte, weil Caillaux
nicht an den Sieg Frankreichs
glaubte.
Die Verurteilung selbst wurde
nach einem klaren Plan auf die Zeit nach dem
Friedensschluß hinausgeschoben; die ganze Welt
sollte erst den Sieg Frankreichs erleben und ein-
fehen, daß Caillaux mit seinem ketzerischen Un-
glauben im Unrecht war. Caillaux ist auf fünf
Jahre aus Frankreich ausgewiesen. Nun gibt
es zwischen Calais und Bayonne und zwischen
Brest und Nizza tatsächlich kein menschliches
Wesen mehr, das den gloriosen Sieg Frankreichs
bestreitet. Zum ersten Mal in der Nacht nach
der Urteilsverkündung konnten die Patrioten von
Paris ruhig schlafen: Ihr Sieg ist überwälti-
gend, endgültig und unangefochten. Frankreich
fürchtet sich vor nichts mehr.
Aus diesem Grunde hat es in San Remo
durchgesetzt, daß die deutschen Einwohnerwehren
bis Ende Mai den letzten Hinterlader abliefern
müssen. Depp
SPLITTER: Mancher wählt sich ein
Pseudonym und glaubt, er hätte sich einen
Namen gemacht. 5. ä.
WAFFENSTILLSTAND
MittagSappell in einem kleinen
Gefangenenlager in Mittelfrank-
reich. Es ist Grippezeit, die Leute
schauen hohlwangig und teil-
nahmslos drein. Der Lager-Dol-
metscher, ein kleiner parfümierter
Südffanzose, verliest die Bestra-
fungen. Es sind heute vielleicht
ein Dutzend. Sie sind sehr in die
Höhe gegangen seit Waffenstill-
stand, die Bestrafungen, man muß
den „docke" ducken. Und er liest
weiter, der kleine gebügelte, ge-
schniegelte Franzose, mit eigen-
tümlich schnarrender Stimme:
„Befehl vom Erren Lagerkom-
mandanten. Von 'eute ist die
Temperatur normal der Gefan-
genen nicht Z7,5, sondern wird
sein 38,5. Wer sich wird melden
krank mit weniger Temperatur,
wird werden bestraft mit vier Ta-
gen Prison."
Nur wenige hoben den Kopf,
wir waren es ja gewöhnt. Es mag
aber welche unter uns gegeben
haben, die nachrechneten, wie lange
wir uns der Segnungen eines
Waffenstillstands erfreuten.
Heimkehrer
*
► C -