Neue 'ßoftreformen
Auf kaum einem anderen Gebiet ist die gegenwär-
tige fortschrittliche Entwicklung so stark und überzeu-
gend in Erscheinung getreten, wie auf dem postalischen.
Es vergeht kein Tag, an dem das Publikum nicht
mit neuen Reformen beglückt wird. Bald wird eine
Zwangssteuer von den Telephonbesitzern erhoben, bald
werden die postbestellungen vermindert, bald die Ge-
bühren erhöht, bald die Schalterdienststunden einge-
schränkt, kurz: unser weitausschauender Herr Reichs-
postminister kann sich nicht genug tun in der Schaffung
von Erleichterungen für das Publikum bezw. dessen
Geldbeutel. Aber das Richtige hat er doch noch immer
nicht getroffen, und deshalb seien ihm hiermit nach-
stehende Reform-Vorschläge gratis und franko zur
Verfügung gestellt:
1. Einführung des Bediene dich selbst-Systems
im gesamten postverkehr. Pakete, Briefe, Postanwei-
sungen, Telegramme usw. sind durch den Adressaten
persönlich vom Absender abzuholen. Der Absender
benachrichtigt den Adressaten durch die Zeitung, durch
Funkspruch, durch eine Staffette oder durch einen ge-
legentlich vorsprechenden Bekannten von der Abhole-
bereitschast einer Postsendung.
2. Übergabe des gesamten Briefmarkenverkaufs an
den organisierten Altpapierhandel. Auch 9\c Museen
und, für bestimmte Markenreihen, die Schreckens-
kammern der Wachsfiguren-Kabinette sollen berück-
sichtigt werden.
3. Abschaffung des nervenzerrüttenden Telephons
und Ersah desselben durch schriftlichen Meinungs-
austausch (siehe unter Punkt 1).
4. Versetzung sämtlicher Beamten, Unterbeamten
und Hilfskräfte der Reichspost in den wohlverdienten
Ruhestand, Umwandlung der Postämter in Kinos und
Tanzbars, Versteigerung des gesamten noch vorhan-
denen Materials an Postzügen, Postwagen, Post-
pferden, Uniformen usw. zugunsten eines Erholungs-
heims für überflüssig gewordene Reichspoftminister.
5. Entreichlichung des Postwesens und Übertra-
gung der Gerechtsame an den abgestorbenen Ast der
Familie Thurn und Taxis' Kunz Franzendorf
*
Aus einer Herren-Modezeitschrift 1920
... Sehr anmutig ist auch das Zalousie-Hemd.
Wer wünscht, daß sein Hemd recht viele Falten wirst,
braucht es nur Ln eine Wäscherei zum Steifstärken zu
geben. Er kann es dann beim Wiederempfang bequem
zusammengerollt unter dem Arm tragen. — Immer
mehr in Mode kommt die Chamäleon-Hose. Sie
entsteht, wenn man in den durchgewehten Hosenboden
eines braunen Beinkleides einen grünen Flick seht,
oder auf das durchgescheuerte Knie eines hellgrauen
Beinkleides einen dunkelgelben. So trägt die Stoff-
not in erfreulichster Weise zur Hebung des Farben-
sinns bei und bietet erfinderischen Gemütern die un-
erschöpflichsten Möglichkeiten. — Als außerordentlich
praktisch hat sich bewährt der Notiz-Schuh. Da die
Stiefelsohlen meistenteils aus Pappdeckel bestehen,
bürgert sich immer mehr der Brauch ein, wichtige
kurze Notizen mit Tintenstift auf die Schuhsohlen,
statt auf die ohnedies selten weißen Manschetten, zu
machen. Der Hausdiener des Hotels zur Ballon-
mütze (ehemals Hotel zur Krone) hat sich bereits auf
diese Weise eine wertvolle Autographen-Sammlung
verschafft. — Schließlich sei noch erwähnt derVexier-
Strumpf oder „Wo ist das Loch?'" Die Kunst be-
steht — eine Errungenschaft unserer baumwollarmen
Zeit — darin, das Loch im Strumpf stets da zu krie-
gen, wo man es nicht sieht. Ober intimere Mode-
Neuheiten ein ander Mal. Helios
Die neue Krankheit
Mit dem Wiederanstieg unserer Valuta ist be-
kanntlich über alle Warenhamster eine große Dämme-
rung hereingebrochen, so auch über verschiedene Kreise
des Leipziger Pelzhandels, die seit Beginn des Sin-
kens unserer Währung im umgekehrten Verhältnis
Riesengeschäste machen konnten. Die ersten Strahlen
der Morgenröte des wirtschaftlichen Wiederaufstieges
lösten dort einen schweren Kater aus.
Nachmittags begegnete mir mein Bekannter Leibus
Weihrauch mit den Zeichen lebhaftesten Schmerzes
in den Zügen. „Za, Sie haben wohl Leibschmerzen?"
fragte ich besorgt.
„Nein, nein," jammerte er.
„Oder gar Zahnschmerzen?"
„Nein-"
„Oder Kopfschmerzen?"
„Nein."
„Za zum Teufel, was haben Sie denn da?"
„Maulwurfsfelle!" ries er bewegt.
*
Heimkehr
Hauptmann a. D. X war einer von der alten
Schule. Kürzlich begrüßte er als Vorstand des Vete-
ranenvereins die heimgekehrten Kriegsgefangenen des
Städtchens, darunter auch einen seiner ehemaligen
Friedenskompagnie. Er schilderte deren Leiden im
Feindesland und die lange, lange Zeit, die es bis
zur Heimkehr dauerte. Als er die Front abschritt,
spricht er seinen ehemaligen Kompagnieangehörigen
leutselig an: „Na, X, auch glücklich da! Na, für Sie
war s nicht so hart die lange Wartezeit, Sie sind ja
aktiv schon immer über den Zapfenstreich hinaus aus-
geblieben." Dschm.
F EI ST~ S E KT K E LLER EI ~A~ S ~ FRAN K F URT ~A~MA IN
Bei e t w a i -;>e n Bestellungen bittet man auf die Münchener „Jugend" Bezug zu nehmen
6l)5
Auf kaum einem anderen Gebiet ist die gegenwär-
tige fortschrittliche Entwicklung so stark und überzeu-
gend in Erscheinung getreten, wie auf dem postalischen.
Es vergeht kein Tag, an dem das Publikum nicht
mit neuen Reformen beglückt wird. Bald wird eine
Zwangssteuer von den Telephonbesitzern erhoben, bald
werden die postbestellungen vermindert, bald die Ge-
bühren erhöht, bald die Schalterdienststunden einge-
schränkt, kurz: unser weitausschauender Herr Reichs-
postminister kann sich nicht genug tun in der Schaffung
von Erleichterungen für das Publikum bezw. dessen
Geldbeutel. Aber das Richtige hat er doch noch immer
nicht getroffen, und deshalb seien ihm hiermit nach-
stehende Reform-Vorschläge gratis und franko zur
Verfügung gestellt:
1. Einführung des Bediene dich selbst-Systems
im gesamten postverkehr. Pakete, Briefe, Postanwei-
sungen, Telegramme usw. sind durch den Adressaten
persönlich vom Absender abzuholen. Der Absender
benachrichtigt den Adressaten durch die Zeitung, durch
Funkspruch, durch eine Staffette oder durch einen ge-
legentlich vorsprechenden Bekannten von der Abhole-
bereitschast einer Postsendung.
2. Übergabe des gesamten Briefmarkenverkaufs an
den organisierten Altpapierhandel. Auch 9\c Museen
und, für bestimmte Markenreihen, die Schreckens-
kammern der Wachsfiguren-Kabinette sollen berück-
sichtigt werden.
3. Abschaffung des nervenzerrüttenden Telephons
und Ersah desselben durch schriftlichen Meinungs-
austausch (siehe unter Punkt 1).
4. Versetzung sämtlicher Beamten, Unterbeamten
und Hilfskräfte der Reichspost in den wohlverdienten
Ruhestand, Umwandlung der Postämter in Kinos und
Tanzbars, Versteigerung des gesamten noch vorhan-
denen Materials an Postzügen, Postwagen, Post-
pferden, Uniformen usw. zugunsten eines Erholungs-
heims für überflüssig gewordene Reichspoftminister.
5. Entreichlichung des Postwesens und Übertra-
gung der Gerechtsame an den abgestorbenen Ast der
Familie Thurn und Taxis' Kunz Franzendorf
*
Aus einer Herren-Modezeitschrift 1920
... Sehr anmutig ist auch das Zalousie-Hemd.
Wer wünscht, daß sein Hemd recht viele Falten wirst,
braucht es nur Ln eine Wäscherei zum Steifstärken zu
geben. Er kann es dann beim Wiederempfang bequem
zusammengerollt unter dem Arm tragen. — Immer
mehr in Mode kommt die Chamäleon-Hose. Sie
entsteht, wenn man in den durchgewehten Hosenboden
eines braunen Beinkleides einen grünen Flick seht,
oder auf das durchgescheuerte Knie eines hellgrauen
Beinkleides einen dunkelgelben. So trägt die Stoff-
not in erfreulichster Weise zur Hebung des Farben-
sinns bei und bietet erfinderischen Gemütern die un-
erschöpflichsten Möglichkeiten. — Als außerordentlich
praktisch hat sich bewährt der Notiz-Schuh. Da die
Stiefelsohlen meistenteils aus Pappdeckel bestehen,
bürgert sich immer mehr der Brauch ein, wichtige
kurze Notizen mit Tintenstift auf die Schuhsohlen,
statt auf die ohnedies selten weißen Manschetten, zu
machen. Der Hausdiener des Hotels zur Ballon-
mütze (ehemals Hotel zur Krone) hat sich bereits auf
diese Weise eine wertvolle Autographen-Sammlung
verschafft. — Schließlich sei noch erwähnt derVexier-
Strumpf oder „Wo ist das Loch?'" Die Kunst be-
steht — eine Errungenschaft unserer baumwollarmen
Zeit — darin, das Loch im Strumpf stets da zu krie-
gen, wo man es nicht sieht. Ober intimere Mode-
Neuheiten ein ander Mal. Helios
Die neue Krankheit
Mit dem Wiederanstieg unserer Valuta ist be-
kanntlich über alle Warenhamster eine große Dämme-
rung hereingebrochen, so auch über verschiedene Kreise
des Leipziger Pelzhandels, die seit Beginn des Sin-
kens unserer Währung im umgekehrten Verhältnis
Riesengeschäste machen konnten. Die ersten Strahlen
der Morgenröte des wirtschaftlichen Wiederaufstieges
lösten dort einen schweren Kater aus.
Nachmittags begegnete mir mein Bekannter Leibus
Weihrauch mit den Zeichen lebhaftesten Schmerzes
in den Zügen. „Za, Sie haben wohl Leibschmerzen?"
fragte ich besorgt.
„Nein, nein," jammerte er.
„Oder gar Zahnschmerzen?"
„Nein-"
„Oder Kopfschmerzen?"
„Nein."
„Za zum Teufel, was haben Sie denn da?"
„Maulwurfsfelle!" ries er bewegt.
*
Heimkehr
Hauptmann a. D. X war einer von der alten
Schule. Kürzlich begrüßte er als Vorstand des Vete-
ranenvereins die heimgekehrten Kriegsgefangenen des
Städtchens, darunter auch einen seiner ehemaligen
Friedenskompagnie. Er schilderte deren Leiden im
Feindesland und die lange, lange Zeit, die es bis
zur Heimkehr dauerte. Als er die Front abschritt,
spricht er seinen ehemaligen Kompagnieangehörigen
leutselig an: „Na, X, auch glücklich da! Na, für Sie
war s nicht so hart die lange Wartezeit, Sie sind ja
aktiv schon immer über den Zapfenstreich hinaus aus-
geblieben." Dschm.
F EI ST~ S E KT K E LLER EI ~A~ S ~ FRAN K F URT ~A~MA IN
Bei e t w a i -;>e n Bestellungen bittet man auf die Münchener „Jugend" Bezug zu nehmen
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