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Das hatte er bei ähnlichem Anlaß früher nie veifäumt, freilich meist mit dem
Lrfolg, daß sie, die mit umständlicher Sorgfalt den Inhalt feines Raffers
bedachte, abgehetzt und müde kaum noch Zeit für die eigene Ausrüstung fand,
dann unterwegs keine neuen Lindrücke 'andern nichts sehnlicher wünschte
als ein ruhiges Leben von Hotel zu Hotel

Warum wollte er allein fein? Run, wahrscheinlich würde Fräulein §rancke
die Abwesenheit des Chefs benutzen, ebenfalls eine kleine Reife zu unter-
nehmen ... Auf alle Fälle würde ihrem Nanne daran liegen, gewisse Briefe
zu empfangen, ungestört... Lmma sah vor sich die leichte Mädchenschrist
mit den geschmeidig eingestreuten Zeichen, die sie von Adressen und Rech-
nungen her kannte wie ihre eigene.

Run also. Sie drängte sich nicht auf. Diese heimliche Briesschreiberei, im
Grunde steckte 8eigheit dahinter, Lr konnte ebensogut gleich heute vor sie
treten, in aller Ruhe zum Norder werden, Lr mußte sie gut genug kennen,
um zu wissen, daß sie seinem G ück nicht im Wege stehen würde. Nochte
er nachher für sich selber sehen, wie fertig zu werden sei — nun, sagen
wir, mit dem Anblick einer Wasserleiche Oie Waschfrau hatte einmal eine
den 8>uß hinabtreiben sehen, hoch aus der glut gedunsen, Spatzen saßen
darauf.

Also, Doktor Braun reiste, und vom eisten Tage seines 8ernseins an er-
eignete es sich, daß der Postbote morgens zur Dachwohnung Hinausstieg,
vielleicht hatte er das auch schon früher getan, keinesfalls jedoch aus
dem gleichen Grunde wie heut.

Denn nun waren es die Briefe ihres Nannes, die er hinaustrug. Deutlich

sah Lmma das mitwisferische Lächeln in seinen Mienen, als er ihr selber die
Ansichtskarte mit den vielen Grüßen in die Hand steckte,

8räulein 8rancke kam n.cht herunter, da die Sprechstunden aussielen.
8ür den 8all, daß keine Scham sie abgehalten hätte, außerdienstlich auf dem
Schauplatz ihres Sieges zu erscheinen, hatte Lmma sich einen schönen Satz
zurechtgelegt von Leuten, die überall das Guie mitnehmen, nicht daran
denken, Verantwortungen zu tragen Als sie ke ne Gelegenheit fand, ihn los-
zuwerden, schlug ihre Stimmung um. Sie sing an, sich danach zu sehnen,
höflich, ja herzlich zu sein, auch heute noch unter Tränenstürmen hoffnungs-
los angezogen von dem Reiz der 8«indin,

Lmma dachte mehrmals daran, einfach wie in früherer Zeit hinaufzu-
gehen, tappte sich sogar zaahast bis an die Bodenkür, Am gleichen Tage
war unvermutet 8räulein 8rancke cs, die bei ihr erschien, in all der herz-
losen Unbefangenheit, die das Glück gibt, um mitzuteilen, daß sie morgen
für zwei Tage verreisen würde und die 8rau Doktor bitte, unterdes ihren
Schlüffe! an sich zu nehmen und dem Techniker auszuhändigen, der kommen
solle, die Lampe nachzusehen.

„Dienstag sind Sie zurück — also vielleicht mit dem gleichen Zuge wie
mein Nann? Sie werden wissen, daß er noch einen Tag zugegeben hat? Zch
verstehe es nicht ganz — die Praxis drängt, Run, es wird sich ausklären!"

Um die Bedeutung ihres strengen und kummervollen Blickes zu mildern,
erbot Lmma sich, gräulcin 8ranckes Handtasche durch ihr Nädchen zur Bahn
tragen zu lassen.

„Tausend Dank, aber es ist nicht nötig! Zch nehme nur einen Ruckjack."

An der Mainjähre

Robert Lngels

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Robert Engels: An der Mainfähre
 
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