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„Achtzig Mark kostet bei Zhnen die Butter... na,
das gibt aber teuere Butterbrote!" — Bäuerin
(seufzend): „Za, gellen S', die Bäcker kriegen auch
nie genug!"

*

Der Objektive

Ls war einmal ein Mann und der war furcht-
bar objektiv. Schon in frühester Zugend zeigte
sich das. Als ihn nämlich eines Tages das Dienst-
mädchen beaufsichtigen sollte, statt dessen aber
mit ihrem Schah spazieren ging, io daß das Nind
vom Tisch siel und ein Bein brach, verklagte
er nicht etwa das liederliche Mädchen bei den
Litern, sondern er sagte sich: „Sie ist zwar
im Unrecht, aber objekiiv betrachtet, läßt sich
immerhin sagen . .." Seitdem hinkte er.

Als junger Mann wurde er einmal
Nachts fürchterlichvon einem wildfremden
verhauen, der ihn verwechselt hatte. Und
er sagte vor Gericht: „(ich habe zwar ein
Loch im Nops und eine Stichwunde im
Rücken, und ich hatte zwar dem Angeklag-
ten nichts getan, aber objektiv betrachtet,
muß ich sagen .." Und der Angeklagte bat
ihn, ihm das abgebrochene Messer zu erset-
zen,wozu er sich als objektiver Mensch natür-
lich auch moral sch verpsl chtet erachtete.

Am objektivsten aber suhlte er sich, wenn
8eindeshaß sein Vaterland beschimpfte und
mißhandelte. DH, da hättet Zhr ihn mal
reden hören sollen! „Natürlich ist es ent-
schlich, was man uns antut, aber objektiv
betrachtet, muß ich sagen ..."

Lines Tages traf ihn der Schlag. Lin
bißchen spät, aber man muß Gott für alles
danken. Seine Seele flog zum Himmelstor.

Und Petrus jagte: „Zch habe Dich oft be-
staunt, tatsächlich, — aber objektiv betrach-
tetmuß ich sagen: Du bist ein charakterloses,
ehrloses Mistvieh! Scher'Dichzum Teufel!"

Und so kam unser Dbjeltiver zum Dder-
Dbjektivus. Vagehärt er auch hin. Ddjektiv
betrachtet. ^orich-n

Deutsche Mißwirtschaft

Maßgebende interalliierte Nreise sind der An-
sicht, daß die staatlichen Unterstühungs-
gelder, welche Deutschland noch immer an
Dpern- und andere Theater, sowie an sonstige
künstlerische und literarische Anstalten zahlt, mit
der gegenwärtigenwirtschaftslage nicht
vereinbar seien.

Dieser Ansicht sind die Dpern- und andern
Theater, sowie die sonstigen künstlerischen und
literarischen Anstalten schon längst!

Die staatlichen Unterstühungsgelder sind von
einer Höhe, daß sich die Theater gar nicht mehr
zu Helsen wissen! Nur durch ständigeHerabsehung
der Llntrittspreise, durch tägliche Gra'isvorstel-
lungen, Übernahme der Lupussteuern, Gewährung
hoher Prämien an das Publikum, durch ununter-
brochenes Hinaussehen der ministerartigen Ge-
hälter, Spielgelder und Honorare ist es ihnen
einigermaßen möglich, ihre gebrechlichen Nossen
vor einem Zusammenkrachen unter der dro-
henden Überbelastung zu retten. Die künstlerischen
und literarischen Anstalten seufzen derart unter
der drückenden Bürde staatlicher Zuschüsse, daß
sie sich kaum über Wasser halten können!

Durch die Sorge um die richtige Verwendung
der fabelhasten Staatszuschüsse wird außerdem
das von der Lntente im Versailler Vertrag dem
deutschen Volke sreigelassene Dichten und
Denken so gehemmt und geknebelt, daß
darin mit Recht eine Sabotierung der 8riedens-
bedingungen erblickt werden kann.

Das friedliebende geistige Deutschland will da-
her an die Regierung die dringende Bitte stellen,
die überflüssigen Staatsgelder in einer mit der
gegenwärtigen Wirtschaftslage besser zu verein-
barenden weise anzulegen, z. B. zu Nasern-
bauten für die notleidende französische
Bejahung am Rhein! ®dja

Betrachtung

„Das ist ganz verkehrt eingerichtet: Leute, die an sich gut ge-
polstert sind, fahren auch noch zweiter Nlasse!"

Münchner unter sich

„Zn der jehig'n Zeit is halt die Lrnährung von
all'n den exotischen Viechern zu schwierig!"-
„Za. da hab'n S' recht, Herr Nachba!" — „Hm,
und drum is aa koa wunda, wenn der Verein
Zoologischer Garten setz' liquidiert!" — „Ach so.
Sie moana unsa Hellabrunn? 2 Hab denkt. Sie
red'n von Dberammergau!"

*

Zurückweisung

2m Reichstag wurde kürzlich von dem Nom-
munisten Hoellein die Behauptung ausgestellt:
„Der Zdealismus des Herrn Stinnes hat einen
metallischen Nern im Hinterteil."

Sofern Herr Hoellein damit den bekannten
nackten Pferdefuß kapitalistischer Znteressen im
Auge hatte, der aus dem sogenannten warmen
Herren der Großindustrie hervorleuchtet
und wie ein Aasgeier den Lebensnerv des
Proletariats auspumpt, so soll er dieDinge
doch nicht durch eine einseitige Hornbrille
färben, sondern sich gefälligst beim eignen
Balken fassen, nachdem ja gerade die ein-
flußreichsten Noniseren des Bolschewismus
lnBezug auf den metallischen Nern, mit d em
sie in dem hohen Glashauseum sich werfen,
nicht immer ein reines Hemd anhatten!

Zedenfalls kann m.t gleichem Recht die
Retourkutsche in den Mund genommen
werden: „Der Nern des Herrn Hoellein hat
einen metallischen Hinterteil im Zdealis-
mus," oder vielleicht noch treffender: „Der
Hinterteil des Herrn Hoellein hat im Nern
ein ideales Metall." g

*

Unanfechtbar. Zn einem Urteil dar.
über, ob der von einer anderen Verfasserin ge.
wählte Titel e nes Werkes „Trotzkopfs erleb,
niste im Weltkriege" in die Rech e der Ver-
fasserin von „Trotzkopfs Brautzeit" und „Aus
Trotzkopfs Lhe" widerrechtlich einqreift, hat
das Reichsgericht wörtlich folgenden jolomo-
nijchen örruch ge an: „Brautzeit" und „Ehe"
find für Niemanden, am wenigsten für junge
Mädchen, verwechjtungsfählg mrt .Erlebnissen
lm weltirlege. (R. S. E., Bd. 104 Ö. 91.) v.

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[nicht signierter Beitrag]: Unanfechtbar
Karlchen: Der Objektive
Paul Neu: Fremde Sünden
J. A. S.: Zurückweisung
Paul Neu: Betrachtung
Gelja: Deutsche Mißswirtschaft
Paul Neu: Münchner unter sich
 
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