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MORGEN

CHARLES H. SHANNON

Liebend geöffnet empfangen meine fehnfühtiger. Sinne deine
fprühende Grüne.

Zu Fröhlichkeit und Lachen rühren deine blau-weißen, deine rot-
gelben Farbenfpiele, rühren deine goldnen Kronen und Sterne, deine
silbernen Glocken und Ringe, deine bunten Falterflügel und Vogel-
kehlchen mein alt-junges Herz.

Süf> klingt mir dein zartes, dein taufendflimmiges Summen, und
meine Seele fättigt sich mit deiner Ruhe. -

Wiefe, du Dom!

Mit deinen kleinen blitzenden Vögeln werf ich mich in deinen wei-
ten und hohen Raum und finge mit ihnen aus blauem Himmel und aus
den breiten Kapitalen deiner alten Bäume heraus deinen Lobgefang.
Dein Duft, - füfser, betörender als der geliebter Frauen - durchdringt
und beiaufcht mich, und ich liebkofe dich mit all meinen Sinnen. —

Wiefe, Geliebte!

Ich beuge meine Knie vor deiner strahlenden Schönheit.

Du ziehst mich hin und machst mich demütig und ganz von dir er-
füllt sink ich in deinen Schoß. —

Wiefe, liebster Troß! - Du gibst meiner Sehnsucht Raum und läßt
sie müde werden. Du füllst mir die Brust mit füßer Ruhe und sprichst
zu mir: mein Kind. —

Ein Narr geht singend durch die Wiesen.

Drei Tage lag ich in den Wiesen herum und suchte und wartete;
bald heiß und dem Glücke nah, bald stumpf und ohne Hoffnung.
Jeden Tag war ich bei dem Bruder Weg und fragte und wartete und
lauschte und lag wie im Fieber. Ich sah zerdrückte Gräser und Blumen
an einer bestimmten Stelle am Rande des Dammes - ja, sie sind

zerdrückt und unansehnlich die Blumen und Gräser da Ich werde
gar nicht mehr hergehen. —

Ich Narr! Wie kann ich denken, daß sie wiederkommt, daß Bell
wiederkommt! Kann man einen Traum mit Händen greifen und ihn
ins Leben zerrenI Was suche ich denn, worauf warte ich! Bell? Hieß
sie Bell? Mein Herz klopst diesen Namen immerzu. -

„Ich komme wieder, du.” - O, wie deutlich höre ich das noch, wie
deutlich höre ich ihre dunkle Stimme: „ich komme wieder.” -
Ja, dann war sie auf einmal fort. Ach, wie schnell, wie plötzlich
war sie verschwunden! Lief sie nicht diesen schmalen Rah entlang
mitten durch die Felder? Und wohin, wohin? War sie ein Dämon, ein
göttlicher? War es Pandora?

Ich kann nicht mehr denken, ich bin zu müde, zu krank dazu. Ich
habe ja auch nur geträumt, ich Narr, alles nur geträumt! Ich will

schlafen und wieder träumen. Vielleicht höre ich dann beim Er-
wachen das „ja doch, ja” einer Eipore. -

„Ich komme wieder,” sagte sie, „ich komme wieder, du.” — Bell,
sagtest du das nicht? -

Es war jawohl dicht neben dem gelblichen Fleck im grünen Damm-
gras, wo ich mich hinlegte und einschlief. Oder war es doch nicht da-
neben? Nun, es ist nicht von Belang. -

Ermüdet, ermattet schlief ich lange und tief. - Als ich nach Stunden,
hoch im Nachmittag, aufwachte, schien es mir, als fei die Dumpfheit
von mir gewichen, als feien lang verschlossene Fenster in mir aufge-
tan. Ich fühlte wie das Leben in neuen Strömen das Blut durchzog
und mit einer guten Zuversicht dachte ich: nun wird es geschehen.

Auf sprang ich und ging ein Stück auf dem Wege hin. Dann trat
ich auf den Damm hinauf und sah mich um. Ich durchforschte mit

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