29. Jahrgang
Deutschland in Weh und Wunden'
Deutschland in Weh und Wunden,
Deutschland in Schmach und Not,
Deutschland, geschmäht, geschunden,
Land ohne Glück und Brot!
Aermftes der Länder heute
Rings in der reichen Welt,
Du, aller Schächer Beute,
Feige durch Trug gefällt —
Frei jedem Uebeltäter,
Wehrlos vor jedem Dieb,
Wehrlos vor jedein Verräter —
Deutschland — Dich Hab' ich lieb!
Deutschland, geschüttelt im Fieber,
Keuchend in banger Nacht —
Deutschland: heut Hab' ich Dich lieber
Als einst in Glanz und Macht!
Wie Dich die Hölle umdräue,
Einmal erhebst Du das Haupt!
Einmal lohnst Du die Treue,
Die noch an Dich geglaubt!
Klirrend fallen die Ketten:
Eines Jung-Siegfrieds Hieb
Wird Dich erlösen und retten —
Deutschland! Dich Hab' ich lieb!
WARUM DIE WELT NICHT VOLLKOMMEN IST
VON P. MILLE
Als Gott die Welt zu erschaffen begann, faßte den Satan eine große
Bestürzung, und alle Todsünden, deren Vater er ist, und an denen er
aber auch leidet, fraßen an ihm, wie der Neid, der Zorn, die Faulheit.
Denn er sah es nicht gern, daß Gott der Herr, der ihn besiegt hatte, feine
Macht zeige; aber mehr noch fürchtete er, daß er, wenn die Welt einmal
da fein würde, verpflichtet wäre, auf ihr das Böse zu verbreiten, und
faul wie er ist, scheute er diese Arbeit. Er dachte daher, Gott so rasch
als möglich in seinem Schöpsungswcrkc aufzubalten, und da er unmittel-
bar nichts gegen ihn vermochte, mußte er etwas aussinnen, daß Gott von
sich selber aus den Beschluß fasie, an der Welt nicht weiter zu schassen.
Zu dem Zweck erfand Satan die kritischen Bemerkungen. Ihr wißt, was
das ist. Wenn einer sich mit einer Sache, wichssie ist, und sei sie noch so
schön und gut, nicht zusriedengibt und immer was dran auszusehen sindet, —
ein solcher macht kritische Bemerkungen und bringt einem um die Frcude am
Dasein. Als nun Gott der Herr dasLichtvonderFinsternis geschieden hatte,
ließ Satan von einem seiner Teufel in scharlachnen Buchstaben auf eine
schweflige Tafel seine erste kritische Bemerkung schreiben: „Ganz hübsch.
Es liegt Größe in dieser Scheidung. Aber sie ist etwas einförmig." Gott,
der Allmächtige, ließ sich nicht beirren. Er ließ die Master sich in den
Meeren sammeln. Satan schrieb — und alle bösen Teufeln lasen es mit
Vergnügen: „Sehr intcrcstant. Dem Vorigen ähnlich. Aber diese großen
Effekte dürsten das Publikum rasch ermüden. Mehr Details!" Gott der
Herr schuf unbekümmert weiter die Gräser und Pflanzen. Satan schrieb:
„Ein merkwürdiger Versuch. Der Schöpfer ist Herr über sein schon am
ersten Tage angewandtes Mittel, aber es wird bereits Manier. Es ist
im Grunde immer dasselbe." Gott der Herr zeigte keinerlei Traurigkeit
über Satans Bemerkungen, sah seine Schöpfung mit Freuden und schuf
Sonne, Mond und Sterne am vierten Tag. „Was für eine alberne
Bemerkung wird der Böse dazu machen?" dachte der liebe Gott. Aber
diesmal lächelte Satan und sagte: „Es macht sich ein Fortschritt bemerk-
lich." Der Herr war erstaunt. Er hatte sich im stillem vorgcnommen, dem
Satan einen besseren Platz im Universum zu geben und zu vergessen,
daß Satan ein Geist ist, der immer nein sagt, auch wenn er ja zu sagen
scheint. Nun verschob er diese Ausbesserung Satans auf später und schuf
die Tiere im Wasser und in der Lust. Satan aber wiederholte nur: „Es
zeigt sich ein kleiner Fortschritt." „Was meint er nur mit seinem Fort-
schritt?" dachte der Herrgott und schuf die Tiere auf dem Lande, daß es
brüllte, blökte, wieherte und heulte und bellte oder stumm kauend dahin-
schritt. Satan lächelte höhnisch und sagte: „Ich muß einen Fortschritt
zugeben." Gott schuf Mann und Weib, blies ihnen die Seele ein und
setzte das Paar in den Garten Eden. Aber Satan wiederholte: „Wieder
ein kleiner Fortschritt." Da rief Gott der Herr aus: „Ich habe genug
davon! Alles Werk, das ich schuf zwischen Morgen und Mitternacht,
zwischen Dunkel und Licht, das schus ich, aus daß cs schön sei und schön
um seiner selbst willen! Was will er nur mit seinem Fortschritt? Wenn
ich weiter zu erschaffen sortsahre, wird man doch immer nur vom Fort-
schritt sprechen und nie das anschcn, was da ist, und nie sich an dem
freuen, was da ist und wie es da ist. Man wird immer was daran aus-
setzcn und bessern wollen. Ich habe genug! Ich babe genug!"
So gelang cs dem Teufel, Gott de» Herrn in seinem Schöpsungswcrkc
auszuhalten am sechsten Tage. Und so kommt es, daß unsere Welt nicht voll-
kommen ist. Daran ist der Böse mit seinen kritischen Bemerkungen schuld.
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Deutschland in Weh und Wunden'
Deutschland in Weh und Wunden,
Deutschland in Schmach und Not,
Deutschland, geschmäht, geschunden,
Land ohne Glück und Brot!
Aermftes der Länder heute
Rings in der reichen Welt,
Du, aller Schächer Beute,
Feige durch Trug gefällt —
Frei jedem Uebeltäter,
Wehrlos vor jedem Dieb,
Wehrlos vor jedein Verräter —
Deutschland — Dich Hab' ich lieb!
Deutschland, geschüttelt im Fieber,
Keuchend in banger Nacht —
Deutschland: heut Hab' ich Dich lieber
Als einst in Glanz und Macht!
Wie Dich die Hölle umdräue,
Einmal erhebst Du das Haupt!
Einmal lohnst Du die Treue,
Die noch an Dich geglaubt!
Klirrend fallen die Ketten:
Eines Jung-Siegfrieds Hieb
Wird Dich erlösen und retten —
Deutschland! Dich Hab' ich lieb!
WARUM DIE WELT NICHT VOLLKOMMEN IST
VON P. MILLE
Als Gott die Welt zu erschaffen begann, faßte den Satan eine große
Bestürzung, und alle Todsünden, deren Vater er ist, und an denen er
aber auch leidet, fraßen an ihm, wie der Neid, der Zorn, die Faulheit.
Denn er sah es nicht gern, daß Gott der Herr, der ihn besiegt hatte, feine
Macht zeige; aber mehr noch fürchtete er, daß er, wenn die Welt einmal
da fein würde, verpflichtet wäre, auf ihr das Böse zu verbreiten, und
faul wie er ist, scheute er diese Arbeit. Er dachte daher, Gott so rasch
als möglich in seinem Schöpsungswcrkc aufzubalten, und da er unmittel-
bar nichts gegen ihn vermochte, mußte er etwas aussinnen, daß Gott von
sich selber aus den Beschluß fasie, an der Welt nicht weiter zu schassen.
Zu dem Zweck erfand Satan die kritischen Bemerkungen. Ihr wißt, was
das ist. Wenn einer sich mit einer Sache, wichssie ist, und sei sie noch so
schön und gut, nicht zusriedengibt und immer was dran auszusehen sindet, —
ein solcher macht kritische Bemerkungen und bringt einem um die Frcude am
Dasein. Als nun Gott der Herr dasLichtvonderFinsternis geschieden hatte,
ließ Satan von einem seiner Teufel in scharlachnen Buchstaben auf eine
schweflige Tafel seine erste kritische Bemerkung schreiben: „Ganz hübsch.
Es liegt Größe in dieser Scheidung. Aber sie ist etwas einförmig." Gott,
der Allmächtige, ließ sich nicht beirren. Er ließ die Master sich in den
Meeren sammeln. Satan schrieb — und alle bösen Teufeln lasen es mit
Vergnügen: „Sehr intcrcstant. Dem Vorigen ähnlich. Aber diese großen
Effekte dürsten das Publikum rasch ermüden. Mehr Details!" Gott der
Herr schuf unbekümmert weiter die Gräser und Pflanzen. Satan schrieb:
„Ein merkwürdiger Versuch. Der Schöpfer ist Herr über sein schon am
ersten Tage angewandtes Mittel, aber es wird bereits Manier. Es ist
im Grunde immer dasselbe." Gott der Herr zeigte keinerlei Traurigkeit
über Satans Bemerkungen, sah seine Schöpfung mit Freuden und schuf
Sonne, Mond und Sterne am vierten Tag. „Was für eine alberne
Bemerkung wird der Böse dazu machen?" dachte der liebe Gott. Aber
diesmal lächelte Satan und sagte: „Es macht sich ein Fortschritt bemerk-
lich." Der Herr war erstaunt. Er hatte sich im stillem vorgcnommen, dem
Satan einen besseren Platz im Universum zu geben und zu vergessen,
daß Satan ein Geist ist, der immer nein sagt, auch wenn er ja zu sagen
scheint. Nun verschob er diese Ausbesserung Satans auf später und schuf
die Tiere im Wasser und in der Lust. Satan aber wiederholte nur: „Es
zeigt sich ein kleiner Fortschritt." „Was meint er nur mit seinem Fort-
schritt?" dachte der Herrgott und schuf die Tiere auf dem Lande, daß es
brüllte, blökte, wieherte und heulte und bellte oder stumm kauend dahin-
schritt. Satan lächelte höhnisch und sagte: „Ich muß einen Fortschritt
zugeben." Gott schuf Mann und Weib, blies ihnen die Seele ein und
setzte das Paar in den Garten Eden. Aber Satan wiederholte: „Wieder
ein kleiner Fortschritt." Da rief Gott der Herr aus: „Ich habe genug
davon! Alles Werk, das ich schuf zwischen Morgen und Mitternacht,
zwischen Dunkel und Licht, das schus ich, aus daß cs schön sei und schön
um seiner selbst willen! Was will er nur mit seinem Fortschritt? Wenn
ich weiter zu erschaffen sortsahre, wird man doch immer nur vom Fort-
schritt sprechen und nie das anschcn, was da ist, und nie sich an dem
freuen, was da ist und wie es da ist. Man wird immer was daran aus-
setzcn und bessern wollen. Ich habe genug! Ich babe genug!"
So gelang cs dem Teufel, Gott de» Herrn in seinem Schöpsungswcrkc
auszuhalten am sechsten Tage. Und so kommt es, daß unsere Welt nicht voll-
kommen ist. Daran ist der Böse mit seinen kritischen Bemerkungen schuld.
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