„Schaukelpferd" blieb am Start stehen, dann lief es wie die Pest vor
dem O-Zug, wrwde überholt nachgeritten und machte mir riesige Freude.
Aber diesmal stürzte keiner. Dafür brach sich „Schaukelpferd" am
großen Graben das Genick.
„Cherry Brandy" gewann verhalten.
Am Toto war nne beängstigend. Fülle.
Auf „Schaukelpferd" hatte außer mir kein Mensch gesetzt.
Augenblicklich stehe ich in Unierhandlung mit seinem früheren Besitzer.
Ich will es kaufen und ausstopfen lasten.
Dann mache ich mir ein Schaukelpferd daraus und fetze mich jeden
Sonntag eine Stunde darauf.
Das kostet kein Geld und ich gewinne konkurrenzlos jedes Rennen.
Im Schatten der Titanen
Sehr verehrte Redaktion!
Sie haben mich gebeten, Ihnen einen kur-
zen Rückblick über die Kunst im verflossenen
Jahre zu schreiben. Ich komme Ihrem Wun-
sche, so gut ich kann, nach. Da ich nur der
gewöhnlichen deutschen Sprache mächtig bin,
so habe ich mich zum Bthufe dieses Berichts
an die bewährten Rezepte und Exempel jener
unerreichten und erlauchten kritischen Vor-
bilder gehalten, die heute die Gazetten be-
liefern, in denen sie nicht genieret werden.
Stets gern zu Diensten
Ihr ergebener Dondo
Motto: Das Amüsante der Persiflage analystert
sich in der Synthese der provokatorischen Geste.
Commodus Modestus
auf dem Bildersturmkonzil zu Nicäa 778 n. Chr.
Im Chaos der postbelliken Epoche germani-
scher Psychotropie recherchiert man vergebens
nach einer tnumpfalen Manifestation des arti-
stischen Agos. Die optische Akkomodation hört
nicht mehr über ein Unikales hinaus ins allge-
meine Universum des Alls. Dilaiierte Thoraxe
robuster Bufhneßmen, Boxmalchfyntethik und
Kukinorolromanism bordieren die Großstadt-
boulevardS, steigern sich hie und da zur Ballung
intensifizierter Realitätsvelleitäten und führen
zur drastischen Acciontance mit einem familiaro-
intima-privato-amüsantistischen Zynismus.
Diese Camousflage der ain8i-äit solözisti-
schen Kunstlendenz verhüllt malgre malbon
nichts mehr und nichts weniger als eine
ultraradionale Tipysierung des Tailorfy-
stems in seiner zentripetalen Anwendung auf
daS Ens als solches. Der L’art pour l’ar-
tisme eines Cima da Castiglione, eines Lui
Stcsto, eines Chauchard oder Bellmäusl
half feit Lüstern die Distanzierung vorzu-
bereiten, in deren latenten Netzen sich die
ä jour-Ballistik inkomplexer Eintagsmou-
chards adabfurdierte. Planelarismus ward
inkompatibel mit >ener coüte que coüte»
Arrivastik, die selbst in konstablen Talenten
auf offnem Markte nichts flagrant zu ma
chen wußte wie ihre rationale Dispepsie.
KoSmiich-maschinellekstalisierteDämoniker,
gigantisch-konjunkturelle Faradiker blähen
sich heule zu turbulent-kosmischer Kosmeto-
logie. Orgastische Paracelsiuffe stürmen in
bombastischen Theophrasmen forwards!
Elefantasiasten gebären kreifelnd den Mus
des Ridiculus, dem Sublimate benachbart!
Der Semperidem,scheu Gestammel mutiert
inHorribiliscribifetifchiSmen,diedemSieclo
Wolfangos erspart blieben. — Und wir? -
-Nein! Auch wir bedürfen nicht jener
Solocrevetien, die zusammen wohl einen
Kunstkrebs, aber noch lange keinen Hummer
ergeben. Und noch viel lieber resignieren wir
auf jene exotistisch-egoterifchen Maulwürfe, den
Wurf der Mäuler, deren Gepieps keine Hiron-
delle von der Warmwafferheizung lockt. Wir
benedizierten sie gern, sie ließen uns dann.
Und doch! Ultimo ratione, qui bene?!
Wozu Plöröfen, wenn das Jahr zu Ende
geht und in der nächsten Zeitung doch wieder
dasselbe steht?
*
Erschwertes Erkennen
Tante: „Bist Du es, Hänschen? Fast hätte
ich Dich nicht erkannt."
Kleiner. „Glaub 's schon, Tante, ich bin
jetzt in der Weihnachtszeit nämlich furchtbar
artig." H.Maro
*
Beim Anblick des Firmaments
Sind die Menschen nicht sehr klein?
Dürflen sie wohl größer sein?
Sind sie nicht schon viel zu groß?
Stets ist doch der Teufel los.
Bloß, weil sie sich wichtig dünken,
Dürfen ihre Dinge stinken,
Die so nichtig sind im All
Wie ein Fr; der Nachtigall ... -
Schwüre
Sag, wirft Du mich auch im neuen Jahre lieben?"
„Aber gewiß doch, so wahr ich hier sitze."
Die schmackhafte Sauce
Nachdem es sich herausgestellt hat, daß ein
smarter Theaterdirektor selbst den uniniereffan-
testen Stücken bei miserabelster Rollenbesetzung
zu ausverkausten Häusern verhelfen kann, so-
fern er nur eine Modenschau einlegt, bat sich
der weltberühmte Theaterfachmann Striese
entschlossen, diese Wohltat auch endlich unseren
Klassikern zu erweisen.
Wenn man bedenkt, wie einfach und zwang-
los sich in fast alle klassischen Bühnenwerke eine
Modenschau einschieben läßt, muß man sich
wahrlich wundern, daß nicht schon Max Rein-
hardt vor Striese dieses Ei des Kolumbus ge-
legt hat. So sordcrt z. B. die Szene, in der
Maria Stuart ihre Habseltgkeiten an ihre
Dienerschaft verteilt, geradezu zu einer Mo-
denschau heraus, und es böte sich da namentlich
zur Vorweisung elegantester Spitzcnwäiche eine
nie wiederkehrende Gelegenheit. — Der so
„furchtbar in die Länge gezogene" Wallenstein
könnte Repertoirestück werden, wenn sich Fräu-
lein Thekla endlich entschließen wollte, dem ge-
liebten Max ihre Ausstattung vorzuführen;
sieben bis zehn reizende Probierfräuleins hät-
ten alsdann unter dem Vorwand „Theklas
Kammersräulein" aus dem Theaterzettel zu
stehen. — Daß Mephisto dem Eretchen statt
des Schmuckkästchens die neuesten Modelle ins
Haus schickt, ist selbstmurmclnd. — Desgleichen
ist es eigentlich selbstverständlich, daß Raimond,
wenn er die Jungfrau von Orleans auffor-
dert: „Legt den Helm ab und die Rüstung!"
ihr auch eine angemessene Anzahl Zivil-
kostüme zur Auswahl vorlegt. — Daß Des-
demona zu Bett geht, ohne zuvor ihre sämt-
lichen Kleider anprobiert zu haben, ist ganz
und gar unglaubhaft, und noch weniger ist
anzunehmen, daß Iessika ihrem Papa Sby-
lock durchbrennt, ohne die fabelbastestcn Ko-
stüme aus dieses Schacherers Lagerräumen
Stück für Stück auf offener Szene einzu-
packen. — Etwas schwieriger liegt der Fall
bei den Römerdramen; aber das oberste
Gesetz der modernen Regiekunst „Nur nicht
zimperlich!" hilft auch da über alle Schwie-
rigkeiten hinweg; z. B. braucht Cäsars Geist
dem schlafenden Brutus nur zuzurufen:
„Im Probiersalon des Modehauses Meier
sehen wir uns wieder!" und die Sache ist
gemacht.
Heil uns: Schiller, Shakespeare, Goethe,
Raffke und Neureich gehen einer neuen
Blüte entgegen! Kar,chen
*
Splitter
Arbeit ist ein Segen, von dem sich die
Menschen möglichst wenig wünschen.
>fef Spiegler
14
i
dem O-Zug, wrwde überholt nachgeritten und machte mir riesige Freude.
Aber diesmal stürzte keiner. Dafür brach sich „Schaukelpferd" am
großen Graben das Genick.
„Cherry Brandy" gewann verhalten.
Am Toto war nne beängstigend. Fülle.
Auf „Schaukelpferd" hatte außer mir kein Mensch gesetzt.
Augenblicklich stehe ich in Unierhandlung mit seinem früheren Besitzer.
Ich will es kaufen und ausstopfen lasten.
Dann mache ich mir ein Schaukelpferd daraus und fetze mich jeden
Sonntag eine Stunde darauf.
Das kostet kein Geld und ich gewinne konkurrenzlos jedes Rennen.
Im Schatten der Titanen
Sehr verehrte Redaktion!
Sie haben mich gebeten, Ihnen einen kur-
zen Rückblick über die Kunst im verflossenen
Jahre zu schreiben. Ich komme Ihrem Wun-
sche, so gut ich kann, nach. Da ich nur der
gewöhnlichen deutschen Sprache mächtig bin,
so habe ich mich zum Bthufe dieses Berichts
an die bewährten Rezepte und Exempel jener
unerreichten und erlauchten kritischen Vor-
bilder gehalten, die heute die Gazetten be-
liefern, in denen sie nicht genieret werden.
Stets gern zu Diensten
Ihr ergebener Dondo
Motto: Das Amüsante der Persiflage analystert
sich in der Synthese der provokatorischen Geste.
Commodus Modestus
auf dem Bildersturmkonzil zu Nicäa 778 n. Chr.
Im Chaos der postbelliken Epoche germani-
scher Psychotropie recherchiert man vergebens
nach einer tnumpfalen Manifestation des arti-
stischen Agos. Die optische Akkomodation hört
nicht mehr über ein Unikales hinaus ins allge-
meine Universum des Alls. Dilaiierte Thoraxe
robuster Bufhneßmen, Boxmalchfyntethik und
Kukinorolromanism bordieren die Großstadt-
boulevardS, steigern sich hie und da zur Ballung
intensifizierter Realitätsvelleitäten und führen
zur drastischen Acciontance mit einem familiaro-
intima-privato-amüsantistischen Zynismus.
Diese Camousflage der ain8i-äit solözisti-
schen Kunstlendenz verhüllt malgre malbon
nichts mehr und nichts weniger als eine
ultraradionale Tipysierung des Tailorfy-
stems in seiner zentripetalen Anwendung auf
daS Ens als solches. Der L’art pour l’ar-
tisme eines Cima da Castiglione, eines Lui
Stcsto, eines Chauchard oder Bellmäusl
half feit Lüstern die Distanzierung vorzu-
bereiten, in deren latenten Netzen sich die
ä jour-Ballistik inkomplexer Eintagsmou-
chards adabfurdierte. Planelarismus ward
inkompatibel mit >ener coüte que coüte»
Arrivastik, die selbst in konstablen Talenten
auf offnem Markte nichts flagrant zu ma
chen wußte wie ihre rationale Dispepsie.
KoSmiich-maschinellekstalisierteDämoniker,
gigantisch-konjunkturelle Faradiker blähen
sich heule zu turbulent-kosmischer Kosmeto-
logie. Orgastische Paracelsiuffe stürmen in
bombastischen Theophrasmen forwards!
Elefantasiasten gebären kreifelnd den Mus
des Ridiculus, dem Sublimate benachbart!
Der Semperidem,scheu Gestammel mutiert
inHorribiliscribifetifchiSmen,diedemSieclo
Wolfangos erspart blieben. — Und wir? -
-Nein! Auch wir bedürfen nicht jener
Solocrevetien, die zusammen wohl einen
Kunstkrebs, aber noch lange keinen Hummer
ergeben. Und noch viel lieber resignieren wir
auf jene exotistisch-egoterifchen Maulwürfe, den
Wurf der Mäuler, deren Gepieps keine Hiron-
delle von der Warmwafferheizung lockt. Wir
benedizierten sie gern, sie ließen uns dann.
Und doch! Ultimo ratione, qui bene?!
Wozu Plöröfen, wenn das Jahr zu Ende
geht und in der nächsten Zeitung doch wieder
dasselbe steht?
*
Erschwertes Erkennen
Tante: „Bist Du es, Hänschen? Fast hätte
ich Dich nicht erkannt."
Kleiner. „Glaub 's schon, Tante, ich bin
jetzt in der Weihnachtszeit nämlich furchtbar
artig." H.Maro
*
Beim Anblick des Firmaments
Sind die Menschen nicht sehr klein?
Dürflen sie wohl größer sein?
Sind sie nicht schon viel zu groß?
Stets ist doch der Teufel los.
Bloß, weil sie sich wichtig dünken,
Dürfen ihre Dinge stinken,
Die so nichtig sind im All
Wie ein Fr; der Nachtigall ... -
Schwüre
Sag, wirft Du mich auch im neuen Jahre lieben?"
„Aber gewiß doch, so wahr ich hier sitze."
Die schmackhafte Sauce
Nachdem es sich herausgestellt hat, daß ein
smarter Theaterdirektor selbst den uniniereffan-
testen Stücken bei miserabelster Rollenbesetzung
zu ausverkausten Häusern verhelfen kann, so-
fern er nur eine Modenschau einlegt, bat sich
der weltberühmte Theaterfachmann Striese
entschlossen, diese Wohltat auch endlich unseren
Klassikern zu erweisen.
Wenn man bedenkt, wie einfach und zwang-
los sich in fast alle klassischen Bühnenwerke eine
Modenschau einschieben läßt, muß man sich
wahrlich wundern, daß nicht schon Max Rein-
hardt vor Striese dieses Ei des Kolumbus ge-
legt hat. So sordcrt z. B. die Szene, in der
Maria Stuart ihre Habseltgkeiten an ihre
Dienerschaft verteilt, geradezu zu einer Mo-
denschau heraus, und es böte sich da namentlich
zur Vorweisung elegantester Spitzcnwäiche eine
nie wiederkehrende Gelegenheit. — Der so
„furchtbar in die Länge gezogene" Wallenstein
könnte Repertoirestück werden, wenn sich Fräu-
lein Thekla endlich entschließen wollte, dem ge-
liebten Max ihre Ausstattung vorzuführen;
sieben bis zehn reizende Probierfräuleins hät-
ten alsdann unter dem Vorwand „Theklas
Kammersräulein" aus dem Theaterzettel zu
stehen. — Daß Mephisto dem Eretchen statt
des Schmuckkästchens die neuesten Modelle ins
Haus schickt, ist selbstmurmclnd. — Desgleichen
ist es eigentlich selbstverständlich, daß Raimond,
wenn er die Jungfrau von Orleans auffor-
dert: „Legt den Helm ab und die Rüstung!"
ihr auch eine angemessene Anzahl Zivil-
kostüme zur Auswahl vorlegt. — Daß Des-
demona zu Bett geht, ohne zuvor ihre sämt-
lichen Kleider anprobiert zu haben, ist ganz
und gar unglaubhaft, und noch weniger ist
anzunehmen, daß Iessika ihrem Papa Sby-
lock durchbrennt, ohne die fabelbastestcn Ko-
stüme aus dieses Schacherers Lagerräumen
Stück für Stück auf offener Szene einzu-
packen. — Etwas schwieriger liegt der Fall
bei den Römerdramen; aber das oberste
Gesetz der modernen Regiekunst „Nur nicht
zimperlich!" hilft auch da über alle Schwie-
rigkeiten hinweg; z. B. braucht Cäsars Geist
dem schlafenden Brutus nur zuzurufen:
„Im Probiersalon des Modehauses Meier
sehen wir uns wieder!" und die Sache ist
gemacht.
Heil uns: Schiller, Shakespeare, Goethe,
Raffke und Neureich gehen einer neuen
Blüte entgegen! Kar,chen
*
Splitter
Arbeit ist ein Segen, von dem sich die
Menschen möglichst wenig wünschen.
>fef Spiegler
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