Sicbcßpßßr (Mil Genehmigung des Verlages J. B. Neumann) JjjßtlSS
mir ja auch weiterhin nahe, nicht wahr? So wird uns allen ge-
holfen. Verstehen Sie?!"
Peter Konstantin verstand, aber fein Gemüt war voll Bitternis.
Angelika gefiel ihm nun gar nicht mehr. Ihr übernächtiges Gesicht
war farblos und gedunsen, die goldbraunen Augen wurden hart und
grob — MalmbergS Behauptung vom Mopsgesicht bewahrheitete sich
erschreckend. Außerdem grauste ihm bei AngelikaS Lob auf den Mei-
ster. Aber er gehorchte, er wollte noch retten, was zu retten war.
AngelikaS Plan erwies sich freilich bald als verfehlt. Bei ihrer
Ankunft im Landhause fanden sie nicht nur den Tapezierer und die
Köchin, sondern auch Meister Robertus vor. Auch ihn hatte die Reue
hierhergetrieben — schon seit Mittag war er da. In dumpfer, wüten-
der Verlegenheit wartete er auf die beiden Ausreißer. Malmberg,
der kleine Zyniker, den er schon getroffen, hatte ihn über ihr Be-
nehmen nicht im Zweifel gelassen. RobertuS beherrschte sich, als er
AngelikaS ansichtig wurde. Da glaubte sie mit ihrer bewährten Ko-
mödiantenkraft auch jetzt noch durch alle Nöte kommen zu können. Sie
umgaukelte Robertus, sie bewirkte, daß in einer Stunde alles hübsch
und fertig war. Peter Konstantin aber batte sich mit zerrissener
Seele davongeschlichen. Er las in feines Meisters Blick, daß alles
durchschaut war. Er wußte nun, was er getan hatte. Die Reue ließ
ibn nicht los. Am nächsten Morgen meldete er sich von selbst bei
Robertus. Zu spät kam Angelika — sie konnte die Beichte nicht mehr
hindern. Peter Konstantin heulte sich die beladene Seele frei. Alles
gestand er dem Meister.
Dock Robertus Gilm zeigte eine überraschende Milde. Wie schwer,
unendlich schwer war es ihm geworden, gestern von Mün-ben an den
Ammersee zu fahren, sich loSzurcißen aus Lätitias und Aurelieö
Armen. Was er hier erfuhr, konnte ihn nicht noch tiefer bedrücken.
Sein sittlicher Zorn stand auf unsicheren Füßen. Er verbarg das
Gefühl der nahenden Erlösung und sagte: „Kinder — ich bin ein
Mensch und ein Künstler. Auch ihr seid Menschen und Künstler.
Gefehlt haben wir alle. Vielleicht ist das Ganze kein Verrat, son-
dern nur die tiefere Prüfung unserer Seelen, das Erwachen aus ver-
gänglichen Illusionen. Wenn du, Angelika, inzwischen erkannt hast,
daß du zu jung für mich bist, so habe ich ganz gewiß erkannt, daß iäi
für dich zu alt bin. Peter Konstantin hat uns vielleicht das Schicksal
zugcführt, aber er soll sich auch nicht mehr verstricken. Selbstverständ-
lich bleibe ich mit keiner Frau zusammen, die mich am Hochzeitstage
schon betrogen hat. Aber ich öffne dem Schicksal die Tür. Ich
scheide mich von dir, Angelika, und überlasse es diesem Jüngling, dich
zu heiraten. Um meine Schuld an dich zu tilgen, schenke ich dir
dieses Haus. In Peter Konstantins Interesse aber werde ich eine»
Scheidungsgrund finden, der ihn aus dem Spiel läßt, und dessen un-
angenehme Seiten du wohl in Kauf nehmen kannst."
Angelika schwieg verwirrt — dann bot sie Robertus plötzlich die
Hand. Er nabm sie zögernd. - „Jä, danke dir," flüsterte sie. „Du
bist wirklich ein Meister. Aber der Scheidungsgrund?"
„Malmbcrg wird mir helfen. Dieser Weltbürgcb hat ein unglaub-
lich weites Gewissen. Nun, Peter Konstantin? Was sagst d u dazu?"
Der Lieblingsscküler blickte ratlos vor sich hin. Es trieb ihn, edel-
mütig zu fein, noch edelmütiger vielleicht, als der Meister, aber er
wußte nickt, wie. Das Einzige, was er verstand, war feine Torheit,
nocb einmal in dieses Haus gekommen zu fein.
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mir ja auch weiterhin nahe, nicht wahr? So wird uns allen ge-
holfen. Verstehen Sie?!"
Peter Konstantin verstand, aber fein Gemüt war voll Bitternis.
Angelika gefiel ihm nun gar nicht mehr. Ihr übernächtiges Gesicht
war farblos und gedunsen, die goldbraunen Augen wurden hart und
grob — MalmbergS Behauptung vom Mopsgesicht bewahrheitete sich
erschreckend. Außerdem grauste ihm bei AngelikaS Lob auf den Mei-
ster. Aber er gehorchte, er wollte noch retten, was zu retten war.
AngelikaS Plan erwies sich freilich bald als verfehlt. Bei ihrer
Ankunft im Landhause fanden sie nicht nur den Tapezierer und die
Köchin, sondern auch Meister Robertus vor. Auch ihn hatte die Reue
hierhergetrieben — schon seit Mittag war er da. In dumpfer, wüten-
der Verlegenheit wartete er auf die beiden Ausreißer. Malmberg,
der kleine Zyniker, den er schon getroffen, hatte ihn über ihr Be-
nehmen nicht im Zweifel gelassen. RobertuS beherrschte sich, als er
AngelikaS ansichtig wurde. Da glaubte sie mit ihrer bewährten Ko-
mödiantenkraft auch jetzt noch durch alle Nöte kommen zu können. Sie
umgaukelte Robertus, sie bewirkte, daß in einer Stunde alles hübsch
und fertig war. Peter Konstantin aber batte sich mit zerrissener
Seele davongeschlichen. Er las in feines Meisters Blick, daß alles
durchschaut war. Er wußte nun, was er getan hatte. Die Reue ließ
ibn nicht los. Am nächsten Morgen meldete er sich von selbst bei
Robertus. Zu spät kam Angelika — sie konnte die Beichte nicht mehr
hindern. Peter Konstantin heulte sich die beladene Seele frei. Alles
gestand er dem Meister.
Dock Robertus Gilm zeigte eine überraschende Milde. Wie schwer,
unendlich schwer war es ihm geworden, gestern von Mün-ben an den
Ammersee zu fahren, sich loSzurcißen aus Lätitias und Aurelieö
Armen. Was er hier erfuhr, konnte ihn nicht noch tiefer bedrücken.
Sein sittlicher Zorn stand auf unsicheren Füßen. Er verbarg das
Gefühl der nahenden Erlösung und sagte: „Kinder — ich bin ein
Mensch und ein Künstler. Auch ihr seid Menschen und Künstler.
Gefehlt haben wir alle. Vielleicht ist das Ganze kein Verrat, son-
dern nur die tiefere Prüfung unserer Seelen, das Erwachen aus ver-
gänglichen Illusionen. Wenn du, Angelika, inzwischen erkannt hast,
daß du zu jung für mich bist, so habe ich ganz gewiß erkannt, daß iäi
für dich zu alt bin. Peter Konstantin hat uns vielleicht das Schicksal
zugcführt, aber er soll sich auch nicht mehr verstricken. Selbstverständ-
lich bleibe ich mit keiner Frau zusammen, die mich am Hochzeitstage
schon betrogen hat. Aber ich öffne dem Schicksal die Tür. Ich
scheide mich von dir, Angelika, und überlasse es diesem Jüngling, dich
zu heiraten. Um meine Schuld an dich zu tilgen, schenke ich dir
dieses Haus. In Peter Konstantins Interesse aber werde ich eine»
Scheidungsgrund finden, der ihn aus dem Spiel läßt, und dessen un-
angenehme Seiten du wohl in Kauf nehmen kannst."
Angelika schwieg verwirrt — dann bot sie Robertus plötzlich die
Hand. Er nabm sie zögernd. - „Jä, danke dir," flüsterte sie. „Du
bist wirklich ein Meister. Aber der Scheidungsgrund?"
„Malmbcrg wird mir helfen. Dieser Weltbürgcb hat ein unglaub-
lich weites Gewissen. Nun, Peter Konstantin? Was sagst d u dazu?"
Der Lieblingsscküler blickte ratlos vor sich hin. Es trieb ihn, edel-
mütig zu fein, noch edelmütiger vielleicht, als der Meister, aber er
wußte nickt, wie. Das Einzige, was er verstand, war feine Torheit,
nocb einmal in dieses Haus gekommen zu fein.
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