daß sie dieselbe schlichte Frau
der Vorkriegszeit geblieben war,
die es nicht darauf anlegte, ihr
Innenleben patzig aufzudonnern
oder etwa gar gleich ganze Bü-
cher zu kaufen.
Der Dichter nahm das Haus-
frauenblatt und las folgendes:
„Wohl schwerlich wird jemals
eine junge Frau oder Mutter
unser Blatt, den vertrautesten
Freund, den sie hat, zur Hand
genommen haben, ohne Rat,
Trost oder Hilfe gefunden zu
haben. Wir verrieten der Haus-
frau Mittel für den Gatten,
wenn er Blutandrang in den
Kopf hatte, wir gaben ihr
Anleitung, aus alten Zucker-
kisten ein allerliebstes, kuscheliges
Schlafzimmer herzustellen, von
Gemüseabfällen falschen Hasen-
braten zu bereiten und aus
Papachens gebrauchten Hühner-
augenringen einen reizenden
Christbaumschmuck anzufertigen.
Heute wollen wir aber näher
zusammenrücken und uns tiefer
in unsere Plauschecke zurück-
ziehen. Handelt es sich doch um
eine Angelegenheit, die uns jun-
gen Müttern schon manchen
peinlichen Augenblick geschaffen
hat, um eine Lage, in der die
wenigsten von uns ein befreien-
des Wort gefunden haben. Auf
den vorbildlichen Takt und die
echte deutsche Hausfrauenart
unserer schönen Leserinnen ver-
trauend, wollen wir ihnen Gelegenheit geben, ihre Erfahrungen in
der Beantwortung eines Preisausschreibens niederzulegen. Die Frage
lautet: „Wie benehme ich mich, wenn Nesthäkchen in Anwesenheit
Fremder eine Fahrlässigkeit passiert, und was ist die beste Entschul-
digung dafür?"
Für den besten Aufsatz darüber setzen wir drei Preise aus. Erstens
„Unsere Diplomaten", Prachtband, ganz in Leder. Zweitens: „Till
Eulenspiegels lustige Streiche". Drittens: „Was muß die junge
Dame während der Verlobungszeit beachten?"
Floren; Fankultin fühlte sofort, daß er Unangenehmem jetzt nicht
mehr aus dem Wege springen konnte. Und schon forderte Gabriele
noch heute, längstens aber morgen den fertigen Aufsatz von ihm.
Unter ihrem Namen eingereicht, würde sie dann den ersten Preis er-
halten. Dann wollte sie vor Papa hintreten, ihm den wahren Autor
nennen und so beweisen, daß auch ein Dichter etwas verdienen könne.
Weiterhin wollte sie die Sache dann schon deichseln. Vorläufig aber
tobe Papa, wenn sie den Namen Fankultin auch nur probeweise in
ein Gespräch werfe.
Gabriele war beute von ihrem guten Einfall viel zu freudig er-
regt, als daß sie Laune gehabt hätte, das Orchester ibrcr Leidenschaften
mit vollem Werk loslegen zu lassen; sie begnügte sich mit etwas
Kammermusik und empfahl sich rasch.
Fankultin aber nabm in dem uns allen bekannten Klubsessel Platz,
sttzte die Feder an und - stockte. Er sprang auf, rauchte, trank einen
Kognak, aß kandierten Ingwer, — es war ibm unmöglich, in ein-
fachen Worten zu sagen, wie sich eine Mutter in einem solchen Falle
zu benebmen babe. Er cntguetsäite seinem gepeinigten Hirn einige
Sätze. Die junge Frau könnte zum Beispiel zum Kanarienkäfig eilen
und Mätzchen beschuldigen, sagen, daß si<b die alte Dame unter ihnen
immer so hemmungslos des Taschentuches bediene — aber der Dich-
ter fühlte das ärmliche Gewand seiner matten Einfälle und warf
seine Versuche in seinen, zu seiner Schande sei es gesagt, recht leeren
Papierkorb. Dann gab er dem abgemüdeten Klepper seiner Phantasie
Fusel zu trinken und begann gegen das Thema einen Parforceritt.
In die Luft greifend, holte er gleich einem Zauberkünstler Hände voll
frisch gebügelter Worte aus dem Nichts, walkte den harmlosen Vor-
wurf aus und schrie in Schmer; auf über den erdigen Leib, in dessen
Käfig die sich nach steilem Aufstieg sehnende Seele schmachtet. Er
hauste mit der Art seiner Gewandtheit in dem gepflegten Wäldchen
faßbarer Begriffe und gartenlaubiger Adjektive, daß die Fetzen nur
so flogen, benahm sich naheliegenden, natürlichen Gedanken gegen-
über wie Chaplin im Porzellanladen und endete schließlich mit einer
heftigen Anklage gegen die mangelhafte Armenpflege im fünfzehnten
Jahrhundert, die den Erwerbö-FlagellantiSmuS begünstigte.
Er überlas seinen Aussatz nochmals und blähte sich. Die ver-
drückten, mausgrauen Brüder von der Hausfrauenzeitung sollten ihn
schon kennen lernen.
Reichlich eine Woche später erhielt Floren; Fankultin den uner-
warteten Besuch von Gabrielens Vater, dem Kommerzienrat Neu-
burger. Jawohl, Neuburger. Sich Einleitungen schenkend, schmetterte
ibm der zornbibbernde alte Herr eine Nummer der Hausfraucn-
zcitung auf den Tisch- und erklärte Fankultin, daß er über alles unter-
richtet sei. Der Dichter stotterte, daß er sich freue und ganz seiner-
seits. Herr Neuburger ging aber auf gar nichts ein, und Fankultin
las folgendes im Blatt der Hausfrau:
„Unter den unzähligen Beantwortungen, die wir auf unsere
Preisfrage erhalten baben, und die leider nicht immer von der
sittlichen Würde getragen waren, als deren Verfechter unser Blatt
4-12
der Vorkriegszeit geblieben war,
die es nicht darauf anlegte, ihr
Innenleben patzig aufzudonnern
oder etwa gar gleich ganze Bü-
cher zu kaufen.
Der Dichter nahm das Haus-
frauenblatt und las folgendes:
„Wohl schwerlich wird jemals
eine junge Frau oder Mutter
unser Blatt, den vertrautesten
Freund, den sie hat, zur Hand
genommen haben, ohne Rat,
Trost oder Hilfe gefunden zu
haben. Wir verrieten der Haus-
frau Mittel für den Gatten,
wenn er Blutandrang in den
Kopf hatte, wir gaben ihr
Anleitung, aus alten Zucker-
kisten ein allerliebstes, kuscheliges
Schlafzimmer herzustellen, von
Gemüseabfällen falschen Hasen-
braten zu bereiten und aus
Papachens gebrauchten Hühner-
augenringen einen reizenden
Christbaumschmuck anzufertigen.
Heute wollen wir aber näher
zusammenrücken und uns tiefer
in unsere Plauschecke zurück-
ziehen. Handelt es sich doch um
eine Angelegenheit, die uns jun-
gen Müttern schon manchen
peinlichen Augenblick geschaffen
hat, um eine Lage, in der die
wenigsten von uns ein befreien-
des Wort gefunden haben. Auf
den vorbildlichen Takt und die
echte deutsche Hausfrauenart
unserer schönen Leserinnen ver-
trauend, wollen wir ihnen Gelegenheit geben, ihre Erfahrungen in
der Beantwortung eines Preisausschreibens niederzulegen. Die Frage
lautet: „Wie benehme ich mich, wenn Nesthäkchen in Anwesenheit
Fremder eine Fahrlässigkeit passiert, und was ist die beste Entschul-
digung dafür?"
Für den besten Aufsatz darüber setzen wir drei Preise aus. Erstens
„Unsere Diplomaten", Prachtband, ganz in Leder. Zweitens: „Till
Eulenspiegels lustige Streiche". Drittens: „Was muß die junge
Dame während der Verlobungszeit beachten?"
Floren; Fankultin fühlte sofort, daß er Unangenehmem jetzt nicht
mehr aus dem Wege springen konnte. Und schon forderte Gabriele
noch heute, längstens aber morgen den fertigen Aufsatz von ihm.
Unter ihrem Namen eingereicht, würde sie dann den ersten Preis er-
halten. Dann wollte sie vor Papa hintreten, ihm den wahren Autor
nennen und so beweisen, daß auch ein Dichter etwas verdienen könne.
Weiterhin wollte sie die Sache dann schon deichseln. Vorläufig aber
tobe Papa, wenn sie den Namen Fankultin auch nur probeweise in
ein Gespräch werfe.
Gabriele war beute von ihrem guten Einfall viel zu freudig er-
regt, als daß sie Laune gehabt hätte, das Orchester ibrcr Leidenschaften
mit vollem Werk loslegen zu lassen; sie begnügte sich mit etwas
Kammermusik und empfahl sich rasch.
Fankultin aber nabm in dem uns allen bekannten Klubsessel Platz,
sttzte die Feder an und - stockte. Er sprang auf, rauchte, trank einen
Kognak, aß kandierten Ingwer, — es war ibm unmöglich, in ein-
fachen Worten zu sagen, wie sich eine Mutter in einem solchen Falle
zu benebmen babe. Er cntguetsäite seinem gepeinigten Hirn einige
Sätze. Die junge Frau könnte zum Beispiel zum Kanarienkäfig eilen
und Mätzchen beschuldigen, sagen, daß si<b die alte Dame unter ihnen
immer so hemmungslos des Taschentuches bediene — aber der Dich-
ter fühlte das ärmliche Gewand seiner matten Einfälle und warf
seine Versuche in seinen, zu seiner Schande sei es gesagt, recht leeren
Papierkorb. Dann gab er dem abgemüdeten Klepper seiner Phantasie
Fusel zu trinken und begann gegen das Thema einen Parforceritt.
In die Luft greifend, holte er gleich einem Zauberkünstler Hände voll
frisch gebügelter Worte aus dem Nichts, walkte den harmlosen Vor-
wurf aus und schrie in Schmer; auf über den erdigen Leib, in dessen
Käfig die sich nach steilem Aufstieg sehnende Seele schmachtet. Er
hauste mit der Art seiner Gewandtheit in dem gepflegten Wäldchen
faßbarer Begriffe und gartenlaubiger Adjektive, daß die Fetzen nur
so flogen, benahm sich naheliegenden, natürlichen Gedanken gegen-
über wie Chaplin im Porzellanladen und endete schließlich mit einer
heftigen Anklage gegen die mangelhafte Armenpflege im fünfzehnten
Jahrhundert, die den Erwerbö-FlagellantiSmuS begünstigte.
Er überlas seinen Aussatz nochmals und blähte sich. Die ver-
drückten, mausgrauen Brüder von der Hausfrauenzeitung sollten ihn
schon kennen lernen.
Reichlich eine Woche später erhielt Floren; Fankultin den uner-
warteten Besuch von Gabrielens Vater, dem Kommerzienrat Neu-
burger. Jawohl, Neuburger. Sich Einleitungen schenkend, schmetterte
ibm der zornbibbernde alte Herr eine Nummer der Hausfraucn-
zcitung auf den Tisch- und erklärte Fankultin, daß er über alles unter-
richtet sei. Der Dichter stotterte, daß er sich freue und ganz seiner-
seits. Herr Neuburger ging aber auf gar nichts ein, und Fankultin
las folgendes im Blatt der Hausfrau:
„Unter den unzähligen Beantwortungen, die wir auf unsere
Preisfrage erhalten baben, und die leider nicht immer von der
sittlichen Würde getragen waren, als deren Verfechter unser Blatt
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