von jeher tätig war und sein wird, war es leider die Zuschrift
einer jungen Dame, auf deren Identität wir weiter unten kom-
men werden, die nach Form und Inhalt einen seelischen und gei-
stigen Tiefstand zeigt, den wir hoffentlich nur als vereinzelt da-
stehendes Krankheitsbild zu buchen brauchen. Eine derartige An-
häufung von weiblicher Zuchtlosigkeit und sich schamlos zeigender
Belesenheit in der Jauchcnabteilung der Weltliteratur, verbünde»
mit hilflos stammelnder Talentlosigkeit ist uns seit dem zweiund-
vierzigjährigen Bestehen unseres Blattes noch nicht vorgekom-
men ..
Es war nicht nötig,'Florenz Fankultin seinen Mißerfolg noch zu
bestätigen, Kommerzienrat Neu-
burger tat eS aber doch und
fand manches gute Wort.
Der Dichter neigte jedoch das
Haupt nicht um Haaresbreite und
erklärte Herrn Neuburger voll
nachsichtiger Milde, daß er un-
verstanden sei, aber auch seine Zeit
werde noch kommen. Und Florenz
Fankuliin lächelte wie ein Natur-
heilkundiger, der wegen Kurpfu-
scherei vor Gericht steht: märw-
rerhaft, schmerzdankend wie ein
Heiliger auf dem Rost und doch
voll Güte für die arme Mensch-
kreatur, welcher der Flügelschlag
seinen Pegasus den Atem benahm.
Herr Neuburger aber kannte
diese schafige Duldermiene schon,
es war dieselbe, mit der Reisende
seine Vorwürfe entgegennahmen,
wenn sie ihm Tineff geliefert
hatten und blieb ungerührt. Er
forderte, daß sich Fankuliin so-
fort als Autor des unerhörten
SchriebeS bekennen solle.
Und nun zeigte es sich, daß
Florenz Fankultin eben doch ein
gesiebter Junge war. Kleinlaut,
wie Tannhäuser nach der Rom-
reise, bat er Herrn Neuburger um
die Hand Gabrielens. Es müßte
doch wohl sein, wenn nun alle
Welt erfuhr, daß er die Preis-
aufgabe für des Kommerzienrats
Töchterchen gemacht habe.. Als
Bräutigam war es schließlich
denkbar und verzeihlich.
Herr Neuburger tobte wie ein
Vater bei Sudermann und sagte ja. — So hatte Florenz Fankul-
tin alles, was sich ein Dichter wünschen kann: eine bildhaft schöne
Frau, einen Schwicgerpapa aus der Schwerindustrie und dank der
Zechincn, die man hinter den Kulissen ins Geschäft pfefferte, auch
tumultuarische Erfolge. Freilich, Talent hatte Florenz wirklich keines.
Aber wäre es im entgegengesetzten Falle vielleicht nicht fraglich
gewesen, ob er Gabrielen geheuert hätte?
Und so sieht man wieder ganz deutlich, daß das mit dem GotteS-
gnadentum nicht immer so unbedingt sicher ist, daß man sich dabei,
jämmerlich abrutschend, böse Schiefer einziehen kann, und daß es
unbegnadet viel besser geht.
DER NARR DER LIEBE
VON WILLIBALD OMANKOWSKI
Herr Adalbert Stefanski batte die ^zpratemessc gelesen. Mit
großer Würde in Ton und Geste gab er dem Küster ein paar Wei-
sungen und begab sich in seine Wobnung. Eine Tür ging. Ein
scheuer Gruß siel. Etwas buscbtc über den Teppich des Zimmers, das
noch im Halbdunkel lag. Und wieder ging die Tür.
Der Probst nahm sein Frühstück ein. Es war wie es ibm gebührte,
gut und reichlich. Er beschloß es mit einer Zigarre, die er umständlich
hcrrichtete und dann mit ruhigem Behagen genoß.
Der Probst meditierte: Welch ein Unsinn, der katholische Geist-
liche sei eingeengt, vom eigentlichen Leben verbannt! Waö fehlte ibm?
Mit kaum zwciundvicrzig Jabrcn saß er auf dem angesehenen und
einträglichen Platze eines Stadtprobstes, war gesund, heiter, in seiner
Gemeinde beliebt und als duldsamer Mann auch von den Vertretern
der andern Bekenntnisse geachtet. Nein, ihm fehlte wirklich nichts!
Das bischen Eheglück? Und war denn das immer Glück? Ja, wenn
man den rechten Gefäbrtcn gefunden —.
Also das war eS, was ibn die ganze Zeit bedrückt. Was war mit
Lisa Leßmann? Sic wollte das Haus verlassen? Und wieder meldete
sich eine alte Wunde. Der Probst glaubte sie gern verheilt und wußte
doch nur zu gut, daß sie noch offen war und ihn erinnerte an eine
Schuld. Immer in Momenten glückvoller Rast weckte ibn jene ver-
borgene Stimme, kam eS wie eine Welle herangespült, und webte im
Nu seinen Frieden hinweg. StefanSkp kannte bicfcö schmerzvolle Klm-
gnt in seinem Blut, dieses Anpochcn totgeglaubter Vergangenheiten,
und er wußte auch, daß es davor kein Entrinnen gab.
Da stand nun wieder die Vergangenheit vor ihm. Renate, die
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einer jungen Dame, auf deren Identität wir weiter unten kom-
men werden, die nach Form und Inhalt einen seelischen und gei-
stigen Tiefstand zeigt, den wir hoffentlich nur als vereinzelt da-
stehendes Krankheitsbild zu buchen brauchen. Eine derartige An-
häufung von weiblicher Zuchtlosigkeit und sich schamlos zeigender
Belesenheit in der Jauchcnabteilung der Weltliteratur, verbünde»
mit hilflos stammelnder Talentlosigkeit ist uns seit dem zweiund-
vierzigjährigen Bestehen unseres Blattes noch nicht vorgekom-
men ..
Es war nicht nötig,'Florenz Fankultin seinen Mißerfolg noch zu
bestätigen, Kommerzienrat Neu-
burger tat eS aber doch und
fand manches gute Wort.
Der Dichter neigte jedoch das
Haupt nicht um Haaresbreite und
erklärte Herrn Neuburger voll
nachsichtiger Milde, daß er un-
verstanden sei, aber auch seine Zeit
werde noch kommen. Und Florenz
Fankuliin lächelte wie ein Natur-
heilkundiger, der wegen Kurpfu-
scherei vor Gericht steht: märw-
rerhaft, schmerzdankend wie ein
Heiliger auf dem Rost und doch
voll Güte für die arme Mensch-
kreatur, welcher der Flügelschlag
seinen Pegasus den Atem benahm.
Herr Neuburger aber kannte
diese schafige Duldermiene schon,
es war dieselbe, mit der Reisende
seine Vorwürfe entgegennahmen,
wenn sie ihm Tineff geliefert
hatten und blieb ungerührt. Er
forderte, daß sich Fankuliin so-
fort als Autor des unerhörten
SchriebeS bekennen solle.
Und nun zeigte es sich, daß
Florenz Fankultin eben doch ein
gesiebter Junge war. Kleinlaut,
wie Tannhäuser nach der Rom-
reise, bat er Herrn Neuburger um
die Hand Gabrielens. Es müßte
doch wohl sein, wenn nun alle
Welt erfuhr, daß er die Preis-
aufgabe für des Kommerzienrats
Töchterchen gemacht habe.. Als
Bräutigam war es schließlich
denkbar und verzeihlich.
Herr Neuburger tobte wie ein
Vater bei Sudermann und sagte ja. — So hatte Florenz Fankul-
tin alles, was sich ein Dichter wünschen kann: eine bildhaft schöne
Frau, einen Schwicgerpapa aus der Schwerindustrie und dank der
Zechincn, die man hinter den Kulissen ins Geschäft pfefferte, auch
tumultuarische Erfolge. Freilich, Talent hatte Florenz wirklich keines.
Aber wäre es im entgegengesetzten Falle vielleicht nicht fraglich
gewesen, ob er Gabrielen geheuert hätte?
Und so sieht man wieder ganz deutlich, daß das mit dem GotteS-
gnadentum nicht immer so unbedingt sicher ist, daß man sich dabei,
jämmerlich abrutschend, böse Schiefer einziehen kann, und daß es
unbegnadet viel besser geht.
DER NARR DER LIEBE
VON WILLIBALD OMANKOWSKI
Herr Adalbert Stefanski batte die ^zpratemessc gelesen. Mit
großer Würde in Ton und Geste gab er dem Küster ein paar Wei-
sungen und begab sich in seine Wobnung. Eine Tür ging. Ein
scheuer Gruß siel. Etwas buscbtc über den Teppich des Zimmers, das
noch im Halbdunkel lag. Und wieder ging die Tür.
Der Probst nahm sein Frühstück ein. Es war wie es ibm gebührte,
gut und reichlich. Er beschloß es mit einer Zigarre, die er umständlich
hcrrichtete und dann mit ruhigem Behagen genoß.
Der Probst meditierte: Welch ein Unsinn, der katholische Geist-
liche sei eingeengt, vom eigentlichen Leben verbannt! Waö fehlte ibm?
Mit kaum zwciundvicrzig Jabrcn saß er auf dem angesehenen und
einträglichen Platze eines Stadtprobstes, war gesund, heiter, in seiner
Gemeinde beliebt und als duldsamer Mann auch von den Vertretern
der andern Bekenntnisse geachtet. Nein, ihm fehlte wirklich nichts!
Das bischen Eheglück? Und war denn das immer Glück? Ja, wenn
man den rechten Gefäbrtcn gefunden —.
Also das war eS, was ibn die ganze Zeit bedrückt. Was war mit
Lisa Leßmann? Sic wollte das Haus verlassen? Und wieder meldete
sich eine alte Wunde. Der Probst glaubte sie gern verheilt und wußte
doch nur zu gut, daß sie noch offen war und ihn erinnerte an eine
Schuld. Immer in Momenten glückvoller Rast weckte ibn jene ver-
borgene Stimme, kam eS wie eine Welle herangespült, und webte im
Nu seinen Frieden hinweg. StefanSkp kannte bicfcö schmerzvolle Klm-
gnt in seinem Blut, dieses Anpochcn totgeglaubter Vergangenheiten,
und er wußte auch, daß es davor kein Entrinnen gab.
Da stand nun wieder die Vergangenheit vor ihm. Renate, die
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