Strand-Sirene O. Oestreicher
sicherem Blick unter den
Klügsten aus, denn nichts
war AlkaSlan lieber, als
einen gescheiten Menschen
zu beobachten, wenn er nach-
dachte. Ihm selbst war das
Nachdenken zu mühsam,
ja schmerzhaft. Auch dünkte
es ihn viel wichtiger, Ein-
fälle zu haben. Und Ein-
fälle, gute Einfälle hatte
AlkaSlan, wenn er weich
lag, rauchte und Lokumi auf
seiner belegten Zunge zer-
gehen ließ. Saß dann einer
von den Klügsten am Fuß-
ende seines Lagers, über
dessen Daunendecken das
Fell eines Guanaco gebrei-
tet war, so fühlte sich Al-
kaSlan vollkommen glücklich.
Durch seine fast geschlosse-
nen Lider betrachtete er das
Gesicht seines Gastes, seinen
Blick, der an ihm vorbei
die Antwort auf eine hin-
geworfene Frage zu suchen
und dann schließlich zu fin-
den schien. Nein, nicht
„schien". Das war ein
physischer Vorgang, ein
Kampf, der im Innern deS
Auges sichtbar begann, und
dann, wenn die Gestalt ans
Licht gezerrt war, draußen
zu Ende geführt wurde.
AlkaSlan beschränkte sich
in der Regel darauf, hin
und wieder ein Wort ein-
fließen zu lassen, das seine
Teilnahme bewies. Er führte
die Gegenrede stumm, und
nichts freute ihn mehr, als
wenn er eine Ansicht ver-
nahm, die der seinen ent-
gegengesetzt war. Sein Ge-
fühl für den geistig ähn-
lich Gearteten grenzte an
Verachtung, und einmal er-
kannt, wurde er nie wieder
eingeladen.
Diese „Klügsten" wech-
selten sich häufig ab. Denn
manche von ihnen fanden
AlkaSlan langweilig, nach-
dem sie sich ausgesprochen,
Einige fanden ihn arrogant,
und wieder andere ekelte
seine Trägheit an.
Mit Frauen unterhielt
sich AlkaSlan nie ernst. Er liebte sie um ihrer weiblichen Eigen-
schaften willen, aber wenn eine über Dinge zu sprechen ansing, die
im Harem keine Berechtigung haben würden, fing er fassungslos au
zu lachen.
Gegen Menschen, die die Lösung eines Problems sogleich fanden
und sich gewandt auszudrücken wußten, hatte er ein tiefes Mißtrauen.
Er hielt sie für Schwindler und trieb sie durch sein unausstehliches
Benehmen schnell hinaus.
Sein erstes Ziel war Paris. Kaum hatte er sich ein geräumiges
Appartement genommen, befahl er Schneider zu sich, und bald ließ
er sich nur noch in Kostümen sehen. Kein Mensch „ahm dort Anstoß
an einem Burnus oder an einem morgenländischen Gewände. Und
nicht anders war es in Italien oder Spanien.
Der Krieg überraschte ihn, als er einmal wieder in Deutschland
war, um seine Mutter zu besuchen. Als Ausländer hätte er mit ihr
unbeschadet fortreisen können, aber Zeneida weigerte sich auf lavan-
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sicherem Blick unter den
Klügsten aus, denn nichts
war AlkaSlan lieber, als
einen gescheiten Menschen
zu beobachten, wenn er nach-
dachte. Ihm selbst war das
Nachdenken zu mühsam,
ja schmerzhaft. Auch dünkte
es ihn viel wichtiger, Ein-
fälle zu haben. Und Ein-
fälle, gute Einfälle hatte
AlkaSlan, wenn er weich
lag, rauchte und Lokumi auf
seiner belegten Zunge zer-
gehen ließ. Saß dann einer
von den Klügsten am Fuß-
ende seines Lagers, über
dessen Daunendecken das
Fell eines Guanaco gebrei-
tet war, so fühlte sich Al-
kaSlan vollkommen glücklich.
Durch seine fast geschlosse-
nen Lider betrachtete er das
Gesicht seines Gastes, seinen
Blick, der an ihm vorbei
die Antwort auf eine hin-
geworfene Frage zu suchen
und dann schließlich zu fin-
den schien. Nein, nicht
„schien". Das war ein
physischer Vorgang, ein
Kampf, der im Innern deS
Auges sichtbar begann, und
dann, wenn die Gestalt ans
Licht gezerrt war, draußen
zu Ende geführt wurde.
AlkaSlan beschränkte sich
in der Regel darauf, hin
und wieder ein Wort ein-
fließen zu lassen, das seine
Teilnahme bewies. Er führte
die Gegenrede stumm, und
nichts freute ihn mehr, als
wenn er eine Ansicht ver-
nahm, die der seinen ent-
gegengesetzt war. Sein Ge-
fühl für den geistig ähn-
lich Gearteten grenzte an
Verachtung, und einmal er-
kannt, wurde er nie wieder
eingeladen.
Diese „Klügsten" wech-
selten sich häufig ab. Denn
manche von ihnen fanden
AlkaSlan langweilig, nach-
dem sie sich ausgesprochen,
Einige fanden ihn arrogant,
und wieder andere ekelte
seine Trägheit an.
Mit Frauen unterhielt
sich AlkaSlan nie ernst. Er liebte sie um ihrer weiblichen Eigen-
schaften willen, aber wenn eine über Dinge zu sprechen ansing, die
im Harem keine Berechtigung haben würden, fing er fassungslos au
zu lachen.
Gegen Menschen, die die Lösung eines Problems sogleich fanden
und sich gewandt auszudrücken wußten, hatte er ein tiefes Mißtrauen.
Er hielt sie für Schwindler und trieb sie durch sein unausstehliches
Benehmen schnell hinaus.
Sein erstes Ziel war Paris. Kaum hatte er sich ein geräumiges
Appartement genommen, befahl er Schneider zu sich, und bald ließ
er sich nur noch in Kostümen sehen. Kein Mensch „ahm dort Anstoß
an einem Burnus oder an einem morgenländischen Gewände. Und
nicht anders war es in Italien oder Spanien.
Der Krieg überraschte ihn, als er einmal wieder in Deutschland
war, um seine Mutter zu besuchen. Als Ausländer hätte er mit ihr
unbeschadet fortreisen können, aber Zeneida weigerte sich auf lavan-
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