Ultima ratio
Sportfreunde
seien auf die ausgezeichneten Bor- und Ring-
kämpfe aufmerksam gemacht, die jetzt im
Reichstagsgebäude, sowie in den verschiedenen
Landtagsgebäuden stattfinden. Wenn dabei
leider noch nicht die üblichen Sportregeln be-
folgt werden und insbesonders die Kommuni-
sten und Völkischen höchst unfair kämpfen, so
mag dies teils an den ungünstigen Raumver-
hältnissen, teils an der Hilflosigkeit des
Schiedsrichters (Präsidenten) liegen. Insbe-
sonders ist es zu rügen, daß die sportlichen
Leibesübungen mit so lautem Geschrei beglei-
tet werden.
Um daS Niveau zu beben, wird fortan der
Präsident mit einer Trillerpfeife ausgestaltet
werden, die Abgeordneten erscheinen in Sport-
dreß, aus den Tribünen werden nur noch kon-
zessionierte Buchmacher zugelaffen. Von der
Veranstaltung von Stierkämpfen wird vor-
erst noch abgesehen. Die Reichstagsberichte
werden fortan im Sportteil erscheinen, wohin
sie nach dem Urteil ernster Politiker schon
längst gehören.
Der Eintritt zu den Veranstaltungen ist
frei, da das gesamte deutsche Volk die Kosten
zalstt. Karlch II
*
Straußen- Rennen
Ans einer Berliner Rennbahn sollen im
Juli nach amerikanischem Muster Strauhen-
Rennen abgehalten werden. Natürlich mit
Totalisator...
Bald läuft man Rennen neuer Art
Ohn' „Schiebung" und Gemogel.
Die Glocke ruft zum Straußcn-Start
... Mensch, hast du einen Vogel!
Ja, die Entwicklung schreitet fort
Was tut man heut mit Pferden?
Der Strauß der Strauße wird zum Sport.
Strausberg muß Strauß-Berg werden.
Du fragst: wozu? lind nennst verrucht
Und Unfug solche Spiele?
Es gilt die „Landes-Straußen-Zucht"
Zu vaterländ schein Ziele.
lind außerdem und (nebenbei)
Ob auch manch Strauß sich krumm lauf',
Es bringt die Toto-Setzerei
Das knappe Geld in Umlauf.
Das Ende ist, wie stets so bicr:
Ob auch die Vögel hupften,
Das Tier behält die Fedcrzier,
Wir — werden die Gerupften!
RI ‘Ri
* '
Zeitkrankkeit
„Wie gebt s, - Herr Medizinalrat? -"
„Danke, sehr schlecht. — Da war ich beute
früh in der Aktienbank, und in der gan-
zen großen Schalterhalle war ick der einzige
Mensch. — Und da Hab ich die Platzangst
bekommen!!! — "
„Nischt rührt sich! Ick möcht' nur wissen,
warum ick überhaupt den Pfad der
Tugend verlass'n Hab'."
*
Szene im Dunkeln
Frühsommernacht. — Aus dem verqualmten
Saal,
In dem sich Tänzerpaare schwitzend drängen
Und Bierplakate, bunt und ohne Wahl,
An rauchgeschwärzten Kalksteinpfeilern hängen,
Schiebt sich ein Mädel durch die Milchglastür
In den verfchlaf'nen kleinen Kneipengarten,
Ein strammer Reichswehrschütze hinter ihr -
Aba! Schnell in's Gebüsch — und warten
— warten —
„Pscht! Nich so laut! — Emilje wollte mit. — "
„Del Dusseltier! Die iS woll eifersüchtig? — "
„Ack, laß ihr doch! —" „Nischt laß ick,
wir sind quitt."
„So, Kleene, nu sei jut und küß mir tüchtig!"
„Ach du, du Schieber —!" — Aus dem
Tanzlokal
Hört man die Geigen diffonanzlich krächzen,
Ein Klimperkasten heult in Todesqual,
Die Flöten jammern, und die Bässe ächzen.
Bedenklich schwül ist solche Sommernacht,
Besonders wenn zu Faulbaumblüt' und
Flieder
Sich noch gesellt des Mondes blanke Pracht
lind eines Mädels pralles, rundes Mieder.
Sie schmiegt sich an die Sonntagsgarnitur
lind streichelt kühn die reichliche Wattierung:
„Ach, weeßte, Mar, wie scheen is die Natur!"
Ick wende mich zwecks schneller Retirierung.
Kunz ssranzendorf
Ein Stern ist aufgegangen in Wien,
Vor dem die Banken bangen in Wien.
Er leuchtet den Finanziers
Verdammt in ihre Portemonnaies,
Sie schimpfen wie die Rangen, — in Wien.
Er zeigt wie sie betrogen in Wien;
Die Leute ausgezogen in Wien;
Wie sie verschoben, schwindelten,
Frisierten, grapsten, gründelten
Und die Bilanzen bogen — in Wien.
„Ha! — (schreien alle Braven in Wien)
So was muß man bestrafen in Wien!
So a Gemeinheit war noch net,
Seitdem der alte Stefan steht!
's kann ja ka Mensch mehr schlafen - in
Wien!"
Darum wird für den Schaden in Wien
Gleich ein Gesetz beraten in Wien:
„Wer weiß, daß irgend etwas faul
In Wien, und hält nicht drüber's Maul,
Den köpf' man ohne Gnaden!" —Hoch Wien!
D. N.
*
*
Dreißig Mark
Der preujzischc Minister des Innern hat
die Regierungspräsidenten und den Berliner
Polizeipräsidenten ermächtigt, bei Lebens-
rettungen Belohnungen bis zu 30 Goldmark
zu gewähren.
Ei, daß dich dock die Krott verpetze!
Das nenn ich einmal nobel sein!
Ich wollte, daS Finanzamt schätze
Uns ebenfalls so niedrig ein!
Beim Zeus! Beim Tietz! Man fühlt erbeben
Das Herz, wenn man es recht bedenkt:
Nur dreißig Mark ein Menschenleben,
Das ist, weiß Gott, beinah geschenki!
Nimm einmal an, du fällst ins Wasser,
(Das Bier ist wieder sricdcnsstark),
Gleich rettet dick aus Flut, aus nasser,
Ein Polizist für dreißig Mark!
Ein Hoch dem gutbezahlten Retter!
Doch weh, ein Schrecken mich durchfährt:
Am Ende bin i ck — alle Wetter! —
Nur neunundzwanzig fuffzig wert...
Kärtchen
*
L i c b c Jugend!
Meine Älteste lernt als Säuglingsschwester
in der Kinderklinik; ihr 8-jähriger EUicf-
bruder interessiert sich lebhaft für ihre Schil-
derungen.
„Und wenn nun ein Kindchen stirbt", fragt
er sie, „mußt Du es dann ersetzen?"
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Sportfreunde
seien auf die ausgezeichneten Bor- und Ring-
kämpfe aufmerksam gemacht, die jetzt im
Reichstagsgebäude, sowie in den verschiedenen
Landtagsgebäuden stattfinden. Wenn dabei
leider noch nicht die üblichen Sportregeln be-
folgt werden und insbesonders die Kommuni-
sten und Völkischen höchst unfair kämpfen, so
mag dies teils an den ungünstigen Raumver-
hältnissen, teils an der Hilflosigkeit des
Schiedsrichters (Präsidenten) liegen. Insbe-
sonders ist es zu rügen, daß die sportlichen
Leibesübungen mit so lautem Geschrei beglei-
tet werden.
Um daS Niveau zu beben, wird fortan der
Präsident mit einer Trillerpfeife ausgestaltet
werden, die Abgeordneten erscheinen in Sport-
dreß, aus den Tribünen werden nur noch kon-
zessionierte Buchmacher zugelaffen. Von der
Veranstaltung von Stierkämpfen wird vor-
erst noch abgesehen. Die Reichstagsberichte
werden fortan im Sportteil erscheinen, wohin
sie nach dem Urteil ernster Politiker schon
längst gehören.
Der Eintritt zu den Veranstaltungen ist
frei, da das gesamte deutsche Volk die Kosten
zalstt. Karlch II
*
Straußen- Rennen
Ans einer Berliner Rennbahn sollen im
Juli nach amerikanischem Muster Strauhen-
Rennen abgehalten werden. Natürlich mit
Totalisator...
Bald läuft man Rennen neuer Art
Ohn' „Schiebung" und Gemogel.
Die Glocke ruft zum Straußcn-Start
... Mensch, hast du einen Vogel!
Ja, die Entwicklung schreitet fort
Was tut man heut mit Pferden?
Der Strauß der Strauße wird zum Sport.
Strausberg muß Strauß-Berg werden.
Du fragst: wozu? lind nennst verrucht
Und Unfug solche Spiele?
Es gilt die „Landes-Straußen-Zucht"
Zu vaterländ schein Ziele.
lind außerdem und (nebenbei)
Ob auch manch Strauß sich krumm lauf',
Es bringt die Toto-Setzerei
Das knappe Geld in Umlauf.
Das Ende ist, wie stets so bicr:
Ob auch die Vögel hupften,
Das Tier behält die Fedcrzier,
Wir — werden die Gerupften!
RI ‘Ri
* '
Zeitkrankkeit
„Wie gebt s, - Herr Medizinalrat? -"
„Danke, sehr schlecht. — Da war ich beute
früh in der Aktienbank, und in der gan-
zen großen Schalterhalle war ick der einzige
Mensch. — Und da Hab ich die Platzangst
bekommen!!! — "
„Nischt rührt sich! Ick möcht' nur wissen,
warum ick überhaupt den Pfad der
Tugend verlass'n Hab'."
*
Szene im Dunkeln
Frühsommernacht. — Aus dem verqualmten
Saal,
In dem sich Tänzerpaare schwitzend drängen
Und Bierplakate, bunt und ohne Wahl,
An rauchgeschwärzten Kalksteinpfeilern hängen,
Schiebt sich ein Mädel durch die Milchglastür
In den verfchlaf'nen kleinen Kneipengarten,
Ein strammer Reichswehrschütze hinter ihr -
Aba! Schnell in's Gebüsch — und warten
— warten —
„Pscht! Nich so laut! — Emilje wollte mit. — "
„Del Dusseltier! Die iS woll eifersüchtig? — "
„Ack, laß ihr doch! —" „Nischt laß ick,
wir sind quitt."
„So, Kleene, nu sei jut und küß mir tüchtig!"
„Ach du, du Schieber —!" — Aus dem
Tanzlokal
Hört man die Geigen diffonanzlich krächzen,
Ein Klimperkasten heult in Todesqual,
Die Flöten jammern, und die Bässe ächzen.
Bedenklich schwül ist solche Sommernacht,
Besonders wenn zu Faulbaumblüt' und
Flieder
Sich noch gesellt des Mondes blanke Pracht
lind eines Mädels pralles, rundes Mieder.
Sie schmiegt sich an die Sonntagsgarnitur
lind streichelt kühn die reichliche Wattierung:
„Ach, weeßte, Mar, wie scheen is die Natur!"
Ick wende mich zwecks schneller Retirierung.
Kunz ssranzendorf
Ein Stern ist aufgegangen in Wien,
Vor dem die Banken bangen in Wien.
Er leuchtet den Finanziers
Verdammt in ihre Portemonnaies,
Sie schimpfen wie die Rangen, — in Wien.
Er zeigt wie sie betrogen in Wien;
Die Leute ausgezogen in Wien;
Wie sie verschoben, schwindelten,
Frisierten, grapsten, gründelten
Und die Bilanzen bogen — in Wien.
„Ha! — (schreien alle Braven in Wien)
So was muß man bestrafen in Wien!
So a Gemeinheit war noch net,
Seitdem der alte Stefan steht!
's kann ja ka Mensch mehr schlafen - in
Wien!"
Darum wird für den Schaden in Wien
Gleich ein Gesetz beraten in Wien:
„Wer weiß, daß irgend etwas faul
In Wien, und hält nicht drüber's Maul,
Den köpf' man ohne Gnaden!" —Hoch Wien!
D. N.
*
*
Dreißig Mark
Der preujzischc Minister des Innern hat
die Regierungspräsidenten und den Berliner
Polizeipräsidenten ermächtigt, bei Lebens-
rettungen Belohnungen bis zu 30 Goldmark
zu gewähren.
Ei, daß dich dock die Krott verpetze!
Das nenn ich einmal nobel sein!
Ich wollte, daS Finanzamt schätze
Uns ebenfalls so niedrig ein!
Beim Zeus! Beim Tietz! Man fühlt erbeben
Das Herz, wenn man es recht bedenkt:
Nur dreißig Mark ein Menschenleben,
Das ist, weiß Gott, beinah geschenki!
Nimm einmal an, du fällst ins Wasser,
(Das Bier ist wieder sricdcnsstark),
Gleich rettet dick aus Flut, aus nasser,
Ein Polizist für dreißig Mark!
Ein Hoch dem gutbezahlten Retter!
Doch weh, ein Schrecken mich durchfährt:
Am Ende bin i ck — alle Wetter! —
Nur neunundzwanzig fuffzig wert...
Kärtchen
*
L i c b c Jugend!
Meine Älteste lernt als Säuglingsschwester
in der Kinderklinik; ihr 8-jähriger EUicf-
bruder interessiert sich lebhaft für ihre Schil-
derungen.
„Und wenn nun ein Kindchen stirbt", fragt
er sie, „mußt Du es dann ersetzen?"
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