stigen Umständen auch größere Tiere hätte
schlachten können. Man ritzte sich an den zu-
lässigsten Körperteilen, ohne den gewünschten
Zweck zu erzielen.
Schließlich gelang auch dieses.
Die dann also unterfertigten Kontrakte
wurden mit möglichster Feierlichkeit versiegelt
und eingeschlosien.
Frank ging ...
Ein Uhr morgens.
May und Harry sitzen auf dem Todessofa
und sprechen über Rilke und Georg Kaiser.
Harry raucht seine letzten Zigareitun Ihre
Asche marmoriert die Seidenspiegel des
Smokings.
Eine kleine silberne Weckuhr steht auf dem
Tisch. Daneben liegt ein stahlblauer Brown-
ing. Eine große Kerze flackert.
Die Turmuhr von St. Ursula dröhnt
viermal hell und zweimal dumpf.
Zwei! ...
Ein Auto fährt die Grünwalder Land-
straße hinauf.
Bald darauf ein zweites...
Das Thema Hasenclever ist beendet. Die
Uhr zeigt grausam einhalb drei. Es wird kalt
im Zimmer. Harry tastet nach Gesprächsstoff.
Die Zigaretten ziehen alle nicht mehr. Auch
May empfindet das ...
Auf Lichtung VI stehen zwei Gruppen
Menschen. Auf der Landstraße zwei Auto-
mobile. Zwei Chauffeure bieten sich Schnupf-
tabak an ... Aber elf Minuten vor drei
gibt es gar keine Dichter mehr. May starrt
unbewegt vor sich hin. Da ... ! Eine Wen-
dung. Dann ... ruhig... kalt. Ohne Zit-
tern der Stimme — nur etwas belegt,
aber ... befehlend, kurz... Jetzt! Bitte.. !
Erschieße dich... !
Harry wird leichenweiß ...
Es .. . ist... noch . .. nicht... drei .. .
Er flüstert es.
May vereist völlig.
Ich ersuche dich - dich jetzt zu er-
schießen . .. !
Nein ... um .. .drei...
Ob du dich um drei erschießt oder jetzt, ist
belanglos. Erschieße dich!
Nein ... um ... drei... !
Dann ... verzichte ich darauf. Aus ...!
Geh... !
Der Revolver verschwindet.
Harry ebenfalls.
May atmet. Atmet... ! Als ob Luft...
Seeluft ins Zimmer stürze...
Punkt drei Uhr wettern im Grünwalder
Forst zwei'Schüsse.
Zwei Geschoße sausen gegen die Sterne.
Zwei Autos fahren heim ...
Frank Waldhier lieferte anderen Tags an
May das vertraglich ausgemachte Gedicht.
Es war sehr, sehr schön.
VERSUCHUNG
An meinem 60. Geburtstag feierte ich ein fragwürdiges Jubi-
läum: Zehn Jahre lang war mir keine Frau in greifbare Nähe
gekommen. Das heißt, ich hatte keine heran gelassen. Wozu auch?
Ich war noch nicht so altcrSverblödet, um mir einzubilden, ich
könnte bei einem jungen Weibe ehr-
liche Leidenschaften entfesseln. Dies
hatte ich nicht mal in meiner
Jugend fertig gebracht. Ältere
Damen, in meinem Alter oder
aufwärts, interessieren mich auch
nicht.
Blieb mir nur die Wahl, mein
Verlangen nach dem andern Ge-
schlecht auf irgend eine Art zu be-
zahlen. Dazu war ich aber nicht
reich, nicht dumm und nicht — be-
gehrend genug.
Darum dieses traurige Jubilä-
um! Zehn Jahre! Schauderhaft!
Na — im Grunde genommen,
es war gar nicht so schlimm. Die
ersten Jahre zogen allerdings fürch-
terlich vorbei, aber die letzte Woche
— da gings. Ich dachte an keine
Frau mehr! — —
Zur Feier des Tages begab ich
mich unter die Menschen.
Ein kleines Mädchen betrat das
Lokal. Überprüfte und musterte die
Anwesenden. Dutzende Tische waren
frei. Mindestens eben so viele jün-
gere Männer machten sich hälse-
reckend und sonst bemerkbar. Die
reizende Versuchung setzte sich zu
mir!
Ich blieb zugeknöpft bis ans
Herz hinan. Doch sie hatte es nun
einmal auf mich abgesehen.
Zuletzt ließ sie den Kaffeelöffel
klirrend zu Boden fallen und sah
mich fragend an. Ich markierte
einen Huftenanfall, bis der Kellner
kam. Dann begehrte sie Feuer von
R. Rost
Leichter Fall
„Du, da kommen Herren!"
„Macht nix . . . es find ja keine Damen dabei."
mir. Ich schlug eö ihr ab: „Ich rauche noch nicht!" Bald darauf
verspürte ich ihres Schuhes Spitze an meinem Bein. Ich zog es mit
einer kühlen Entschuldigung zurück. Aber sie ließ nicht locker und
erbat meine Füllfeder, die aus meiner Tasche lugte.
„Wollen Sie mir etwa schrei-
ben, daß Sie rasend in mich ver-
liebt sind?" fragte ich nervös.
„Nein, daö kann ich Ihnen ja
mündlich gestehen!" sagte sie mit
liebenswürdigem Lächeln.
Und ich war ihr ausgeliefert! -
Das kleine Fräulein plauderte
frisch drauf los. In den Atem-
pausen vertilgte sie unglaubliche
Mengen Süßigkeiten und Getränke.
Bald wußte ich mehr von ihr, als
ich wissen wollte.
Sie war schon sechzehn Jahre
und hatte noch keinen Liebhaber!
Letzteres unterstrich sie mit einem
vielsagenden Blick.
Natürlich mußte ich fragen, ob
ich vielleicht Aussichten hätte. Sie
senkte verschämt den Kopf.
Warum sollte gerade ich der
Glückliche sein?
Da legte sie erst recht loS: Mein
interessanter Greisenkopf sei ihr
schon wiederholt aufgefallen. Im
ersten Augenblick hatte sie das
Gefühl, ich sei ihre Bestimmung.
Nur ich sei der alte Herr, den ihr
die Planeten versprechen. — Sie
sei anders als die Frauen von heute!
Die andern machten ihre jungen
Männer alt und brächten sie vor-
zeitig in die Grube. Sie aber
wollte es umgekehrt machen: Den
Greis, der schon mit einem Fuß im
Grabe stehe, wolle sie zu neuem,
verjüngtem Leben zurückführen!
Meine Rührung wuchs, mein
Mißtrauen noch mehr. Wer so viel
schlachten können. Man ritzte sich an den zu-
lässigsten Körperteilen, ohne den gewünschten
Zweck zu erzielen.
Schließlich gelang auch dieses.
Die dann also unterfertigten Kontrakte
wurden mit möglichster Feierlichkeit versiegelt
und eingeschlosien.
Frank ging ...
Ein Uhr morgens.
May und Harry sitzen auf dem Todessofa
und sprechen über Rilke und Georg Kaiser.
Harry raucht seine letzten Zigareitun Ihre
Asche marmoriert die Seidenspiegel des
Smokings.
Eine kleine silberne Weckuhr steht auf dem
Tisch. Daneben liegt ein stahlblauer Brown-
ing. Eine große Kerze flackert.
Die Turmuhr von St. Ursula dröhnt
viermal hell und zweimal dumpf.
Zwei! ...
Ein Auto fährt die Grünwalder Land-
straße hinauf.
Bald darauf ein zweites...
Das Thema Hasenclever ist beendet. Die
Uhr zeigt grausam einhalb drei. Es wird kalt
im Zimmer. Harry tastet nach Gesprächsstoff.
Die Zigaretten ziehen alle nicht mehr. Auch
May empfindet das ...
Auf Lichtung VI stehen zwei Gruppen
Menschen. Auf der Landstraße zwei Auto-
mobile. Zwei Chauffeure bieten sich Schnupf-
tabak an ... Aber elf Minuten vor drei
gibt es gar keine Dichter mehr. May starrt
unbewegt vor sich hin. Da ... ! Eine Wen-
dung. Dann ... ruhig... kalt. Ohne Zit-
tern der Stimme — nur etwas belegt,
aber ... befehlend, kurz... Jetzt! Bitte.. !
Erschieße dich... !
Harry wird leichenweiß ...
Es .. . ist... noch . .. nicht... drei .. .
Er flüstert es.
May vereist völlig.
Ich ersuche dich - dich jetzt zu er-
schießen . .. !
Nein ... um .. .drei...
Ob du dich um drei erschießt oder jetzt, ist
belanglos. Erschieße dich!
Nein ... um ... drei... !
Dann ... verzichte ich darauf. Aus ...!
Geh... !
Der Revolver verschwindet.
Harry ebenfalls.
May atmet. Atmet... ! Als ob Luft...
Seeluft ins Zimmer stürze...
Punkt drei Uhr wettern im Grünwalder
Forst zwei'Schüsse.
Zwei Geschoße sausen gegen die Sterne.
Zwei Autos fahren heim ...
Frank Waldhier lieferte anderen Tags an
May das vertraglich ausgemachte Gedicht.
Es war sehr, sehr schön.
VERSUCHUNG
An meinem 60. Geburtstag feierte ich ein fragwürdiges Jubi-
läum: Zehn Jahre lang war mir keine Frau in greifbare Nähe
gekommen. Das heißt, ich hatte keine heran gelassen. Wozu auch?
Ich war noch nicht so altcrSverblödet, um mir einzubilden, ich
könnte bei einem jungen Weibe ehr-
liche Leidenschaften entfesseln. Dies
hatte ich nicht mal in meiner
Jugend fertig gebracht. Ältere
Damen, in meinem Alter oder
aufwärts, interessieren mich auch
nicht.
Blieb mir nur die Wahl, mein
Verlangen nach dem andern Ge-
schlecht auf irgend eine Art zu be-
zahlen. Dazu war ich aber nicht
reich, nicht dumm und nicht — be-
gehrend genug.
Darum dieses traurige Jubilä-
um! Zehn Jahre! Schauderhaft!
Na — im Grunde genommen,
es war gar nicht so schlimm. Die
ersten Jahre zogen allerdings fürch-
terlich vorbei, aber die letzte Woche
— da gings. Ich dachte an keine
Frau mehr! — —
Zur Feier des Tages begab ich
mich unter die Menschen.
Ein kleines Mädchen betrat das
Lokal. Überprüfte und musterte die
Anwesenden. Dutzende Tische waren
frei. Mindestens eben so viele jün-
gere Männer machten sich hälse-
reckend und sonst bemerkbar. Die
reizende Versuchung setzte sich zu
mir!
Ich blieb zugeknöpft bis ans
Herz hinan. Doch sie hatte es nun
einmal auf mich abgesehen.
Zuletzt ließ sie den Kaffeelöffel
klirrend zu Boden fallen und sah
mich fragend an. Ich markierte
einen Huftenanfall, bis der Kellner
kam. Dann begehrte sie Feuer von
R. Rost
Leichter Fall
„Du, da kommen Herren!"
„Macht nix . . . es find ja keine Damen dabei."
mir. Ich schlug eö ihr ab: „Ich rauche noch nicht!" Bald darauf
verspürte ich ihres Schuhes Spitze an meinem Bein. Ich zog es mit
einer kühlen Entschuldigung zurück. Aber sie ließ nicht locker und
erbat meine Füllfeder, die aus meiner Tasche lugte.
„Wollen Sie mir etwa schrei-
ben, daß Sie rasend in mich ver-
liebt sind?" fragte ich nervös.
„Nein, daö kann ich Ihnen ja
mündlich gestehen!" sagte sie mit
liebenswürdigem Lächeln.
Und ich war ihr ausgeliefert! -
Das kleine Fräulein plauderte
frisch drauf los. In den Atem-
pausen vertilgte sie unglaubliche
Mengen Süßigkeiten und Getränke.
Bald wußte ich mehr von ihr, als
ich wissen wollte.
Sie war schon sechzehn Jahre
und hatte noch keinen Liebhaber!
Letzteres unterstrich sie mit einem
vielsagenden Blick.
Natürlich mußte ich fragen, ob
ich vielleicht Aussichten hätte. Sie
senkte verschämt den Kopf.
Warum sollte gerade ich der
Glückliche sein?
Da legte sie erst recht loS: Mein
interessanter Greisenkopf sei ihr
schon wiederholt aufgefallen. Im
ersten Augenblick hatte sie das
Gefühl, ich sei ihre Bestimmung.
Nur ich sei der alte Herr, den ihr
die Planeten versprechen. — Sie
sei anders als die Frauen von heute!
Die andern machten ihre jungen
Männer alt und brächten sie vor-
zeitig in die Grube. Sie aber
wollte es umgekehrt machen: Den
Greis, der schon mit einem Fuß im
Grabe stehe, wolle sie zu neuem,
verjüngtem Leben zurückführen!
Meine Rührung wuchs, mein
Mißtrauen noch mehr. Wer so viel