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Lagunenbrücke

Fritz Scherer

Waffe immer nur mit der gleichen Waffe besiegen, gegen List muß
man List, gegen Gewalt muß man Gewalt setzen und baut unser
Feind Mordwaffen, so muffen auch wir Mordwaffen bauen. Aber
Gott sei Dank! auf die Heiligkeit der Gesinnung kommt es an, auf
den reinen sittlichen Willen, welcher handelt nach der Maxime, von
welcher er wollen kann... und so weiter, lesen Sie es nach, meine
Herren, Kritik der praktischen Vernunft, pagina 207 ..."

Ich war damals ein schöner feuriger Jüngling. Aber ich liebte
die Tugend. Ich verachtete das Laster. Und ich beschloß: Bestrafe die
Schlechtigkeit mit ihrer eigenen Waffe, so wie der edle Alte im
Seminare es empfiehlt.

Ich begab yüch also nachmittags in ein vornehmes Weinrestau-
rant, denn irgendwo mußte ich doch anfangen mit meinem Plane, die
sittliche Weltordnung gemäß dem kategorischen Imperativ zu ver-
beffern. Mir gegenüber saßen eine Dame und zwei Herren. Die
Dame war jung und elegant und langweilte sich grenzenlos, denn die
beiden Herren sprachen scheinbar unaufhörlich von Geschäften; sicher-
lich gemeinen .Schiebungen' und .Transaktionen'. Ich durchschaute
sie unschwer: Der Dicke mit dem Goldkneifer war der Ehemann
und der andere, schlechter gekleidete, dünne war der Geschäftsfreund,
den man zu einer Flasche Wein bestellt hatte, um ihn betrunken zu
machen und einzuseifen. Sie aber, die verwöhnte schöne Frau ödete
sich bei den stundenlangen Gesprächen und äugte abenteuerlustig um-
her. Pfui! sagte mein inneres Dämonion, pfui, über die Verderbt-
heit dieser Welt. Ich war wie gesagt, ein schöner junger Kerl und
so oft mein Auge haftete auf dem süßen Antlitz der gelangweilten
Dame, so überflog eine holde Röte dieses süße Gesicht. Sie war
leicht angeheitert vom Weine, sie flirtete, kokettierte hinter dem
Rücken ihres dicken Mannes und vor den Augen des nichtssehenden

Geschäftsfreundes. Meine Blicke aber wurden kühner und fordernder,
und ich dachte: „Will mal sehen, wie weit die Schlechtigkeit der
Welt eö treibt." Da stand sie auf und rauschte hinaus. (Die Herren
ließen sich nicht stören). Heimlich verschwand auch ich und faßte
Pofto vor der Türe, auf der zu lesen steht: .Damen'. Da kam sie
denn auch wieder heraus und es war mir sogleich klar, sie hatte
frisch Puder aufgelegt und heiter, als wäre das ganz selbstverständ-
lich, trat ich auf sie zu. Hier gebe ich Euch, meine jungen Freunde,
einen Rat: Beginnet dergleichen Abenteuer nur, wenn Ihr frohge-
launt und ohne innere Beteiligung seid; denn klingt Eure Stimme
erregt und zeigt Ihr die mindeste Unruhe oder gar Schüchternheit,
so ist das Spiel verloren. „Gnädigste Frau", sagte ich heiter ge-
lassen, zunächst muß ich mich ja wohl vorstellen: „Baron Doktor
von Davidoff" (ich hielt immer viele Titel und Namen bereit),
„wie wär'S, wir schütten eine Viertelstunde unsere Langeweile zu-
sammen, denn wir sind Schicksalsgenossen; Sie langweilen sich und
bevor ich Sie sah, war auch mir das ganze Leben zu langweilig."
„Mein Herr", rief sie empört, „ich bin in Gesellschaft meines Man-
nes." „Na eben", sagte ich gütig vornehm, „haben Sie doch Mit-
leid, Gnädige, kann ich dafür, daß daö Licht aus Ihrem seelentiefen
Auge in das Stroh meines armen Herzens schlug, so daß nun der
Rauch in meinem hohlen Kopfe rumort und durch den Mund gern
hinaus will?" Sie lachte, sie fand solchen Schnack offenbar amüsant.
„Was machen wir?" fragte sie. „Wir gehen für eine halbe Stunde
in ein anderes Cafe. Ich weiß schon eines; wo uns niemand kennt."
„Und mein Mann?" „Nach einer halben Stunde fahren Sie im
Auto nach Hause; ist er schon da, so sagen Sie etwa so: „Liebster,
ich habe mich französisch empfohlen. Nimm das als eine kleine
wohlverdiente Lektion. Wenn man eine Frau hat, wie ich eine bin,

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