heraus: Um die Mittagsstunde, wenn der Chef und die Gehilfen zun;
Esten gehen, bleibt das Fräulein im Atelier und nimmt Bestellun-
gen entgegen. Ich erscheine also in der Mittagspause. DaS junge
Ekel ist allein; ich bitte sie, eine Aufnahme zu machen; ich benötige
sie eilends für den Reisepaß. Ich stelle mich in Positur. Sie sagt:
Bitte freundlich! Dann begibt sie sich mit der Platte in die Dunkel-
kammer. Hat man wohl bemerkt und habt Ihr schon darüber nach-
gedacht, daß der Schlüssel zur Dunkelkammer immer nach außen
steckt? Der Photograph hat -Larin Cyankali und wenn er fortgeht,
so pflegt er abzuschließen. Wenn nun aber das eingebildete Geschöpf
in der Dunkelkammer ist, gebeugt über das Bad aus Chromsilber,
dann schließe ich ab. Ich beginne vor der Tür ein neckisches Geplän-
kel. „Reizendes engelhaftes Fräulein, was bekomme ich, wenn ich
Sie wieder herauslaste?" „Lasten Sie solche Scherze!" ruft sie.
„Kein Scherz," sage ich, „zehn Küßchen, unter dem tu ichs nicht." In-
zwischen habe ich zum Fenster hinaus meine Zeichen gegeben. Meine
Helfer kommen herauf. Ich lasse das Klavier, das Bärenfell, die
überflüssigen Bronzen hinwegtragen. Ich lasse die ganze Lasterhöhle
leeren. Inzwischen unterhalte ich daö Fräulein in der Dunkelkam-
mer. Sie lärmt, bollert mit den Füßchen gegen die Tür; das ist mir
gerade recht. Schließlich gehe ich beleidigt. Mag ihr zweifelhafter
Chef, wenn er heimkommt, sie erlösen. Aber so ist mein Gemüt, daß
ich Euch alles sage: das Klavier habe ich sofort in die Wohnung
ernes armen hungrigen Künstlers tragen lassen, daß er etwas
Schönes darauf schaffe. Mit dem Bärenfell habe ich die Tränen
einer Witwe getrocknet. Ich selber bin ganz bedürfnislos. Mit einem
Teller Milchreis und zwanzig Zigaretten habe ich genug. So war
mein Leben. Ich habe diese Tatsachen allen deutschen Professoren
der Ethik mitgeteilt und habe angefragt, ob sie nach Kant und Fichte
daran etwas Tadelnswertes fänden, und wenn sie es nicht fänden,
ob dann nicht unsere Staatsordnung schief sei und die Gesetze auf
Grund der Ethik reformiert werden müßten, diese Gesetze, die den
kleinen Dieb hängen, damit die großen Diebe Exzellenzherren wer-
den, während ich lebenslang die großen Gauner abgestraft und der
kleinen Unschuld geholfen habe. Alö ich dem Professor H. in Frei-
burg meinen Fall unterbreitete, schloß er sich drei Tage lang in sein
Studierzimmer ein, und dann kam er ganz abgemagert wieder her-
vor, fiel mir weinend um den Hals und rief: „Durch adäquate
immediate, eidetisch intuitive Schauung habe ich zur logischen Evi-
denz gebracht, daß ein Gesetz, welches einen so beschaffenen Men-
schen zu bestrafen unternehmen wollte, füglich als ein sittlich gerecht-
fertigtes Gesetz würde nicht angesehen werden können dürfen."
Lied der Kontrollkommission
(nach bekannter Melodie)
Wer will unter die Soldaten,
Der braucht haben kein Gewehr!
Hat er Arme nur und Waden,
Zählt er uns als Militär!
Büblein, wirst du Kontrolleur,
Merk' dir dieses Liedchen sehr:
Hopp, hopp, hopp, hopp, hopp, hopp,
Lügenschimmel, lauf Galopp!
An der Gasuhr jeden Zähler
Stell' als Handgranate vor!
Findest du 'nen Rettichschäler,
Nenne ihn Kanonenrohr!
Büblein, usw.
Jeder weggeworfne Stummel
Ist 'ne Fliegerbombe gar!
Jeder Sonntagsausflugsbummel
Stellt 'ne Felddienftübung dar!
Büblein, usw.
Jeder Zwicker, den sie tragen,
Ist ein Zielrohr, frisch und blank!
Und ein jeder Kinderwagen
Ist ein neugebauter Tank!
Büblein, usw.
Solche Fabeln ohne Schonen
Meld' als Kontrolleur nach Haus,
Dann geht nie uns zu Sanktionen
Der gesuchte Vorwand aus!
Büblein, usw.
Karlchen
Iw Hutladen
„Haben Sie Hüte, die sich herumdrehen?"
„Aber Junge, was willst Du denn damit?"
„Ich möcht' mir bloß ein Flettner-Rotor-
schiff bauen, und da brauche ich zwei rotierende
Zylinder!"
Sehr Bemerkenswertes
Unter Bezug auf die „Kölner Zone" fin-
den es amerikanische Blätter sehr bemer-
kenswert, daß Nachrichten über g e -
Heime deutsche Rüstungen immer
dann auftauchen, wenn man irgend einen
offenen Vorstoß beabsichtigt.
Durch diesen überraschenden Fund wurde
N. Grieß
V a r i a t i o delectat
„Die Ehe ist eine vollständig reaktionäre
Einrichtung! Alle Nasen lang haben wir
einen neuen Reichskanzler und alle paar
Wochen einen neuen Reichstag, bloß wir
sollen mit ein und demselben Mann das ganze
Leben lang aushalten."
die allgemeine Aufmerksamkeit noch auf eine
Reihe anderer Umstände gelenkt, die nicht
minder bemerkenswert erscheinen. So z. B.
daß der Zug immer dann pfeift, wenn
er an eine neue Station kommt;
daß es immer dann rauscht, wenn man sich
einem Wafferfall nähert;
daß die Menagerie immer dann brüllt,
wenn eine Fütterung bevorsteht;
daß die Straßenräuber ihre Gesichter
immer dann schwärzen, wenn sie nicht gern
erkannt werden wollen usw. usw.
Als ganz besonders bemerkenswert hat sich
aber herausgestellt, daß Nachrichten über g e -
Heime amerikanische Entrüstun-
gen immer dann auftauchen, wenn man
irgend einen offenen Vorstoß nicht beab-
sichtigt!
Gelja
Die verbotene Satire
In England erging ein Verbot, führende Politiker
öffentlich fatirisch zu verulken.
Für seine Herren Politiker
Wünscht England keine Kritiker
Vom Standpunkt des Humoreö.
Oft wird im Spaße — Ernst gemacht.
Und würd' die Politik belacht,
Dann ging der Staat kapores.
Die Parlamenten-kaute-volee —
Muß fürder das Revue-Couplet
Als Vorwurf sich entsagen. -
Man soll im Britenlande nicht
— Sei 's auch mit lachendem Gesicht —
Die böse Wahrheit sagen.
Poeten, nehmt den Fall nicht krumm,
Ständ manchem ein satirieuin
Auch trefflich zu Gesichte.
Wenn auch ein Spottverö unterbleibt —
Die treffendsten Satiren schreibt
Am Ende die Geschichte. —
Richard Rieß
Esten gehen, bleibt das Fräulein im Atelier und nimmt Bestellun-
gen entgegen. Ich erscheine also in der Mittagspause. DaS junge
Ekel ist allein; ich bitte sie, eine Aufnahme zu machen; ich benötige
sie eilends für den Reisepaß. Ich stelle mich in Positur. Sie sagt:
Bitte freundlich! Dann begibt sie sich mit der Platte in die Dunkel-
kammer. Hat man wohl bemerkt und habt Ihr schon darüber nach-
gedacht, daß der Schlüssel zur Dunkelkammer immer nach außen
steckt? Der Photograph hat -Larin Cyankali und wenn er fortgeht,
so pflegt er abzuschließen. Wenn nun aber das eingebildete Geschöpf
in der Dunkelkammer ist, gebeugt über das Bad aus Chromsilber,
dann schließe ich ab. Ich beginne vor der Tür ein neckisches Geplän-
kel. „Reizendes engelhaftes Fräulein, was bekomme ich, wenn ich
Sie wieder herauslaste?" „Lasten Sie solche Scherze!" ruft sie.
„Kein Scherz," sage ich, „zehn Küßchen, unter dem tu ichs nicht." In-
zwischen habe ich zum Fenster hinaus meine Zeichen gegeben. Meine
Helfer kommen herauf. Ich lasse das Klavier, das Bärenfell, die
überflüssigen Bronzen hinwegtragen. Ich lasse die ganze Lasterhöhle
leeren. Inzwischen unterhalte ich daö Fräulein in der Dunkelkam-
mer. Sie lärmt, bollert mit den Füßchen gegen die Tür; das ist mir
gerade recht. Schließlich gehe ich beleidigt. Mag ihr zweifelhafter
Chef, wenn er heimkommt, sie erlösen. Aber so ist mein Gemüt, daß
ich Euch alles sage: das Klavier habe ich sofort in die Wohnung
ernes armen hungrigen Künstlers tragen lassen, daß er etwas
Schönes darauf schaffe. Mit dem Bärenfell habe ich die Tränen
einer Witwe getrocknet. Ich selber bin ganz bedürfnislos. Mit einem
Teller Milchreis und zwanzig Zigaretten habe ich genug. So war
mein Leben. Ich habe diese Tatsachen allen deutschen Professoren
der Ethik mitgeteilt und habe angefragt, ob sie nach Kant und Fichte
daran etwas Tadelnswertes fänden, und wenn sie es nicht fänden,
ob dann nicht unsere Staatsordnung schief sei und die Gesetze auf
Grund der Ethik reformiert werden müßten, diese Gesetze, die den
kleinen Dieb hängen, damit die großen Diebe Exzellenzherren wer-
den, während ich lebenslang die großen Gauner abgestraft und der
kleinen Unschuld geholfen habe. Alö ich dem Professor H. in Frei-
burg meinen Fall unterbreitete, schloß er sich drei Tage lang in sein
Studierzimmer ein, und dann kam er ganz abgemagert wieder her-
vor, fiel mir weinend um den Hals und rief: „Durch adäquate
immediate, eidetisch intuitive Schauung habe ich zur logischen Evi-
denz gebracht, daß ein Gesetz, welches einen so beschaffenen Men-
schen zu bestrafen unternehmen wollte, füglich als ein sittlich gerecht-
fertigtes Gesetz würde nicht angesehen werden können dürfen."
Lied der Kontrollkommission
(nach bekannter Melodie)
Wer will unter die Soldaten,
Der braucht haben kein Gewehr!
Hat er Arme nur und Waden,
Zählt er uns als Militär!
Büblein, wirst du Kontrolleur,
Merk' dir dieses Liedchen sehr:
Hopp, hopp, hopp, hopp, hopp, hopp,
Lügenschimmel, lauf Galopp!
An der Gasuhr jeden Zähler
Stell' als Handgranate vor!
Findest du 'nen Rettichschäler,
Nenne ihn Kanonenrohr!
Büblein, usw.
Jeder weggeworfne Stummel
Ist 'ne Fliegerbombe gar!
Jeder Sonntagsausflugsbummel
Stellt 'ne Felddienftübung dar!
Büblein, usw.
Jeder Zwicker, den sie tragen,
Ist ein Zielrohr, frisch und blank!
Und ein jeder Kinderwagen
Ist ein neugebauter Tank!
Büblein, usw.
Solche Fabeln ohne Schonen
Meld' als Kontrolleur nach Haus,
Dann geht nie uns zu Sanktionen
Der gesuchte Vorwand aus!
Büblein, usw.
Karlchen
Iw Hutladen
„Haben Sie Hüte, die sich herumdrehen?"
„Aber Junge, was willst Du denn damit?"
„Ich möcht' mir bloß ein Flettner-Rotor-
schiff bauen, und da brauche ich zwei rotierende
Zylinder!"
Sehr Bemerkenswertes
Unter Bezug auf die „Kölner Zone" fin-
den es amerikanische Blätter sehr bemer-
kenswert, daß Nachrichten über g e -
Heime deutsche Rüstungen immer
dann auftauchen, wenn man irgend einen
offenen Vorstoß beabsichtigt.
Durch diesen überraschenden Fund wurde
N. Grieß
V a r i a t i o delectat
„Die Ehe ist eine vollständig reaktionäre
Einrichtung! Alle Nasen lang haben wir
einen neuen Reichskanzler und alle paar
Wochen einen neuen Reichstag, bloß wir
sollen mit ein und demselben Mann das ganze
Leben lang aushalten."
die allgemeine Aufmerksamkeit noch auf eine
Reihe anderer Umstände gelenkt, die nicht
minder bemerkenswert erscheinen. So z. B.
daß der Zug immer dann pfeift, wenn
er an eine neue Station kommt;
daß es immer dann rauscht, wenn man sich
einem Wafferfall nähert;
daß die Menagerie immer dann brüllt,
wenn eine Fütterung bevorsteht;
daß die Straßenräuber ihre Gesichter
immer dann schwärzen, wenn sie nicht gern
erkannt werden wollen usw. usw.
Als ganz besonders bemerkenswert hat sich
aber herausgestellt, daß Nachrichten über g e -
Heime amerikanische Entrüstun-
gen immer dann auftauchen, wenn man
irgend einen offenen Vorstoß nicht beab-
sichtigt!
Gelja
Die verbotene Satire
In England erging ein Verbot, führende Politiker
öffentlich fatirisch zu verulken.
Für seine Herren Politiker
Wünscht England keine Kritiker
Vom Standpunkt des Humoreö.
Oft wird im Spaße — Ernst gemacht.
Und würd' die Politik belacht,
Dann ging der Staat kapores.
Die Parlamenten-kaute-volee —
Muß fürder das Revue-Couplet
Als Vorwurf sich entsagen. -
Man soll im Britenlande nicht
— Sei 's auch mit lachendem Gesicht —
Die böse Wahrheit sagen.
Poeten, nehmt den Fall nicht krumm,
Ständ manchem ein satirieuin
Auch trefflich zu Gesichte.
Wenn auch ein Spottverö unterbleibt —
Die treffendsten Satiren schreibt
Am Ende die Geschichte. —
Richard Rieß