Karl Boehmer
Garne vale — Fleisch ade! seufzt Theodor Quast und wirft den
Rest eines Wurstzipfels in den Atelierofen. Wassili Petrowitsch
spricht den Nachruf: „sbogom — Gott mit ihm!" Acht paar Augen
blinzeln in die matte Glut. „Wie schreibt sich das," fragt Wassili.
„Faschingsdienstag," murmeln niedergeschlagen ein paar Stimmen,
„Faschingsdienstag ohne Alokohol!"
Diskret nimmt Theodor die leere Likörflasche vom Tisch.
„Kein Tee bitte," beugt Marietta vor und schneuzt die Lampe,
„wir wollen den Fasching nicht entheiligen."
Theodor, der Gastgeber, will niemanden verletzen: „Hat nicht
Klaubauf nebenan vielleicht...?"
„Doch," biegt Wassili die Frage um, „der große Dichter hat -
uns hinausgeworfen."
Entrüstete Erinnerung schwemmt den Damm der Resignation hin-
weg: „Er will, ha ha ha, arbeiten! Heute! Allein! Er braucht den
ganzen Alkohol für sich! Er muß in Stimmung kommen! Droht:
dem nächsten, der den Kopf zur Tür hereinfteckt, eine Flasche an
den Kopf zu schleudern! Der Egoist! Der Literat!"
Klaubauf ist tot. Und Theodor schüttelt wehmütig den
Kopf: Woher dann Alkohol?!
Da schnappt die Rattenfalle zu. Eine Ratte ist gefangen.
Da schnappt es in Theodors Kopf. Eine Idee ist
geboren.
Ganz Tatmensch springt er auf. „Wir sind ge-
rettet. Marietta, den roten Luftballon in der
Ecke! Frisch Gesellen, seid zur Hand. Wassili
greift zu Pinsel und Palette! Dort in der
Vase muß Blumendraht sein. Dies Tisch-
tuch brauch ich noch aus feinstem Seiden-
papier. Und nun höret, Freunde: Wir
verjagen Klaubauf, der jetzt sicher
schon beduselt ist, durch ein Ge-
spenst. Von Wassili in greulicher
Art bemalt, gibt der Ballon den
Kopf. Der Blumendraht wird
ein ätherisches Gerüst jenseits -
hauchbewegt vom Seidenpapier-
gewand umflossen. Dann blase
ich ihm Leben ein. Und diese
Ratte sei die Seele!"
Das Gespenst schwimmt wie
ein Ertrunkener in dem dämme-
rigen Licht und eine Feuerzange
bittet die Ratte um ihre Mit-
wirkung. Ein Faden knüpft das
Schicksal des Gespenstes an ihren
Schwanz. Teuflisch grinst der
Chor.
Jenseits der Treppe aber hinter
der nächsten Tür sitzt Klaubauf
und dichtet:
- Aus seinem Auge irr durchbricht
Die Mitternacht ein Flackerlicht.
Und zwischen seinen Wurzelfüßen
Hört man die Wetterhepe niesen.
Das Graun — — —
Ein Luftzug von der Tür stört
den schönen Fluß. Blitzschnell
nach einer Flasche greifend wen-
det sich der Dichter um. „Das
Graun - - -" hat er noch
auf der Zunge. Sein Haar
sträubt sich. Die Augen quellen „Brrr, ich
heraus. Ein Gespenst steht an der --Ebenhatmirder
Tür! Einen Moment wie feftgebannt. Dann rast es auf Klaubauf
zu. Gedunsen wie eine Wasserleiche. Ruckartig, völlig geräuschlos.
Die Tischdecke hinauf, zweimal um den Tisch herum. Wieder zu
Boden. Klaubauf stöhnt vor Entsetzen. Und mit einem Sprung ist
er aus der Tür, die Treppe hinunter. Mit der Flasche in der Hand.
„Pfui Teufel," frohlockte Wassili, „Kaviar" und läßt die Dose
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