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30. JAHRGANG

1925 ✓ NR. 25

DIE FREUNDIN

VON E. PETSCH-KRAPP

Alexander Ginstermann hat sich eine Zigarette angefteckt. Kleine
feine Rauchwolken steigen auf und zerlösen sich mit leisem Duft.
Wie Frauenkleider, die an uns vorüberrauschen und den zarten Hauch
ihrer Parfüms wie eine Schleppe hinter sich herziehen. Irene Gin-
stermann hat sich neben ihren Mann gesetzt. Auch Irene Ginfter-
mann sieht nachdenklich den aufsteigenden weißen Rauchwolken nach.
„Wir wollen das Licht ausmachen und nur die Schreibtischlampe
brennen lasten," sagt Frau Ginstermann, „das ist so gemütlich!" Ich
muß eS ihm sagen, denkt sie, und so im Halbdunkel geht das viel
leichter. Herr Ginstermann sagt: „Du bist ja so weich heute abend,
so in Stimmung, hm? Und nett siehst du aus! Das ist dein hübsche-
stes Kleid!" Er beugt sich ein wenig zu ihr herüber und nimmt ihre
Hand. Die braune Seide ihres Kleides leuchtet matt wie die Schale
junger Kastanien. Feine Wellen von „Spanisch Leder" scheinen aus
diesem Kleid aufzusteigen. Sie sagt: „Du siehst heute auch so hübsch
aus! Im Smoking Hab ich dich nun einmal am liebsten. Heute mit-
tag in der Gesellschaft hast du am allerelegantesten ausgesehen."
Sie hat seinen Arm genommen und ihren Kopf daran gelegt. „Alle
Herren," denkt sie, „sollten eigentlich immer gut angezogen sein.
Immer im Gesellschaftsanzug, mit Lackschuhen und seidenen Strümp-

fen. Und mit irgendeinem leichten Parfüm. Nicht so süß. Vielleicht
„Heublumen". Dann würde man schließlich immer bei seinem eige-
nen Mann in einer kleinen Rauschstimmung sein. Ich muß es ihm
sagen," denkt sie.

An der roten Mahagoniuhr kriecht der Zeiger wie ein kleiner
goldleuchtender Käfer vorwärts. Die pfaublauen Ranken in dem
dicken weichen Teppich laufen wie verschwiegene LiebeSpfade. Das
Licht vom Schreibtisch her ist zart und scheu wie ein erster Kuß.

Irene sagt etwas zögernd und weich: „Erzähl mir doch noch ein-
mal von früher!" „Von früher?" „Na, von deiner — du weißt ja
— wie war das mit der Afta?" Er sagt: „Aber Liebling, nun hör
doch endlich mit dem Zeug auf! Daß es wieder Reibereien gibt! Der
alte Kram!" Sie streicht spielerisch über seine Hand und sagt etwas
eindringlicher: „Aber ich rede doch ganz ruhig mit dir darüber.
Weißt du, ich habe da — gerade eine Geschichte gelesen, wo dieses
Thema auch behandelt wird." Sie spielt etwas nervös mit seinen
Fingern. „So die Frage, weißt du, ob es sich da wirklich um Liebe
handelt, oder nur um einen Rausch, eine Stimmungssache. Aber mit
Liebe hat das doch gar nichts zu tun, nicht wahr! Ich halte das glatt
für eine reine Stimmungssache, nicht wahr!" „Natürlich, natür-



Sommerabend

Richard Knecht

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