Bei Kranzler
Disputen und Szenen Adolf GlaßbrennerS, eines UrberlinerS, ist
wie im BrennglaS Art und Leben der Stadt und ihres Menschen-
Baron von Knaller
schlages konzentriert. Sie sind allerechtestes Alt-Berlin, und in ihren
ergötzlichen Figuren verehrt der Berliner seine Ahnen.
DREI DROSCHKENKUTSCHER
VON ADOLF GLASSBRENNER
Kalbach: Du, Schweppke, da kommt Scheef mit seinem lah-
men Hektor anjeschlichen! Womit wird 'n uns der wieder den Kopp
verkeilen? Da, siehfte, gleich hat er die Karline bei 'n Wickel —
halb voll iS se man noch — ach! Der Kerrel hat en bessern Zug an
'n Leibe wie sein Hektor! — So! Det soll dir woll schmecken! Det
jloob ick!
Scheef (vom Bock steigend): Iu'n Morsen, semäßigte Fort-
schritter. Wie seht et Euch, wat wachste, 93?
Schweppke: Ich danke dir! ick befinde mir unter IVO.
Scheef: Un dir, Kalbach, seliebte 49?
Kalbach: Wie't so 'n Menschen sehen kann wie mir. Immer
duse! Ick bin erscht 35 un sehe schon in de fufzig. Wo kommst du
'n her?
Scheef: Ick war vor ’t Schönhauserne Dohr; da Hab' ick ne
Viertelstunde halten müssen, un da iS mir 'ne wichtise Erfindung
einsefallen, die mir vielleicht zum Millsoneer un Kammerzienrath
machen kann. Ick habe nämlich rauSsekriest, wie man de Sonnen-
strahlen defteliren un uf Flaschen ziehen kann.
Kalbach: Na, hör' mal! lüse man nich sleich wieder so kloobig
druf los!
Scheef: Ick sebe dir sleich 'ne Maulschelle, wenn de zweifelst!
die Jeschichte hat mir Mühe senuch sekost. Seit fufzehn Jahren Hab'
ick dran probiert un searbeet. So 'n Sonnenstrahl iS so tücksch, eh
'r sich destelieren läßt, det sloobfte sar nich.
Schweppke: Na, wozu nützen nu aber sonne destelirte Son-
nenstrahlen?
Scheef: Schaafskopp! Det ick dir nich Eene steche! Wozu se
nutzen? Demlack, vor den Winter nutzen se! Mit een viertel Quart
kannste 'ne sanze Stube inhitzen. Wenn 't recht kalt is, dann nimmfte
'ne Pulle voll, machst 'n Proppen uf un läßt so ville raus, bis
Allens warm iS.
Schweppke: Na höre, bange machen silt nich! Ick sloobe, det
waren woll flüssige Strahlen von die Sonne aus de Kröcher'sche
Deftelation.
Scheef: Du wirft sleich 'ne Maulschelle kriesen, wenn de
zweifelst. Ick bin nu eenmal en merkwürdiger Mensch, det beweist
schon mein Himmelszeichen. Ick bin unter 'n Steenbock seboren. Un
sleich, wie ick da war, könnt ick schon sprechen.
Kalbach: Wenn det wahr wäre, dann wußtefte doch, wenn de
zum ersten Mal selogen hätt'ft.
S ch e e f : Ick wer dir sleich! Als ick eben seboren war, strampelte
ick mit de Beene, drehte mir zu meiner Mutter um un sagte:
Wieso?
Kalbach: Wat hat 'n deine Mutter dadruf erwidert?
Scheef: Sie sagte zu mir, Junge, nu dreibe dir in de Welt
rum und drinke nich zu ville!
Schweppke: Een sehorsamet Kind biste ooch nich seworden.
Scheef: Erlaube mal erst, wat ick wieder dadruf seantwortet
habe. Ick sagte: Man kann sar nich zu ville drinken! Un druf drehte
ick mir wieder um un sagte: Amme, Schnaps!
Kalbach: Kinder, mir is etwas quabblich zu Muthe. Scheef,
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Disputen und Szenen Adolf GlaßbrennerS, eines UrberlinerS, ist
wie im BrennglaS Art und Leben der Stadt und ihres Menschen-
Baron von Knaller
schlages konzentriert. Sie sind allerechtestes Alt-Berlin, und in ihren
ergötzlichen Figuren verehrt der Berliner seine Ahnen.
DREI DROSCHKENKUTSCHER
VON ADOLF GLASSBRENNER
Kalbach: Du, Schweppke, da kommt Scheef mit seinem lah-
men Hektor anjeschlichen! Womit wird 'n uns der wieder den Kopp
verkeilen? Da, siehfte, gleich hat er die Karline bei 'n Wickel —
halb voll iS se man noch — ach! Der Kerrel hat en bessern Zug an
'n Leibe wie sein Hektor! — So! Det soll dir woll schmecken! Det
jloob ick!
Scheef (vom Bock steigend): Iu'n Morsen, semäßigte Fort-
schritter. Wie seht et Euch, wat wachste, 93?
Schweppke: Ich danke dir! ick befinde mir unter IVO.
Scheef: Un dir, Kalbach, seliebte 49?
Kalbach: Wie't so 'n Menschen sehen kann wie mir. Immer
duse! Ick bin erscht 35 un sehe schon in de fufzig. Wo kommst du
'n her?
Scheef: Ick war vor ’t Schönhauserne Dohr; da Hab' ick ne
Viertelstunde halten müssen, un da iS mir 'ne wichtise Erfindung
einsefallen, die mir vielleicht zum Millsoneer un Kammerzienrath
machen kann. Ick habe nämlich rauSsekriest, wie man de Sonnen-
strahlen defteliren un uf Flaschen ziehen kann.
Kalbach: Na, hör' mal! lüse man nich sleich wieder so kloobig
druf los!
Scheef: Ick sebe dir sleich 'ne Maulschelle, wenn de zweifelst!
die Jeschichte hat mir Mühe senuch sekost. Seit fufzehn Jahren Hab'
ick dran probiert un searbeet. So 'n Sonnenstrahl iS so tücksch, eh
'r sich destelieren läßt, det sloobfte sar nich.
Schweppke: Na, wozu nützen nu aber sonne destelirte Son-
nenstrahlen?
Scheef: Schaafskopp! Det ick dir nich Eene steche! Wozu se
nutzen? Demlack, vor den Winter nutzen se! Mit een viertel Quart
kannste 'ne sanze Stube inhitzen. Wenn 't recht kalt is, dann nimmfte
'ne Pulle voll, machst 'n Proppen uf un läßt so ville raus, bis
Allens warm iS.
Schweppke: Na höre, bange machen silt nich! Ick sloobe, det
waren woll flüssige Strahlen von die Sonne aus de Kröcher'sche
Deftelation.
Scheef: Du wirft sleich 'ne Maulschelle kriesen, wenn de
zweifelst. Ick bin nu eenmal en merkwürdiger Mensch, det beweist
schon mein Himmelszeichen. Ick bin unter 'n Steenbock seboren. Un
sleich, wie ick da war, könnt ick schon sprechen.
Kalbach: Wenn det wahr wäre, dann wußtefte doch, wenn de
zum ersten Mal selogen hätt'ft.
S ch e e f : Ick wer dir sleich! Als ick eben seboren war, strampelte
ick mit de Beene, drehte mir zu meiner Mutter um un sagte:
Wieso?
Kalbach: Wat hat 'n deine Mutter dadruf erwidert?
Scheef: Sie sagte zu mir, Junge, nu dreibe dir in de Welt
rum und drinke nich zu ville!
Schweppke: Een sehorsamet Kind biste ooch nich seworden.
Scheef: Erlaube mal erst, wat ick wieder dadruf seantwortet
habe. Ick sagte: Man kann sar nich zu ville drinken! Un druf drehte
ick mir wieder um un sagte: Amme, Schnaps!
Kalbach: Kinder, mir is etwas quabblich zu Muthe. Scheef,
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