Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben (30.1925, Band 2 (Nr. 27-52))

30. JAHRGANG

1925 / NR. 27

LIEBE AUF DEN LETZTEN BLICK

NOVELLE VON RICHARD ELCHINOER



„Es wird hingegangen - und damit basta!" sagte der Doktor
Piftorius, und stieß seine Gabel in die Gänsekeule, die vor ihm auf
dem Meißner Teller lag.

Dann war wieder Frieden im reichen Gemache, durchduftet von
den würzigen Ausströmungen einer sonntäglichen Tafel.

Florinde, ob sie gleich keinen offenen Widerspruch mehr versuchte,
war bereit, ein letztes Einwürflein zu wagen. Aber das Wort erstarb
ihr im Munde, wie der Vater jäh die Zinnkanne absetzte, aus der er
sich hätte nachschenken wollen.

„Weiß, wo es hinauswill mit dem Geseufze!" rief er mit einer
polternden Gemütlichkeit, die fast noch schrecklicher war als die Zorn-
entladung.

„Deine Mutter, Gott Hab' sie selig, meine wackere HauSehre, ist
auch so eine Zimperline gewesen. Aber damit muß die Jungfer mir
jetzt nicht kommen, wenn wir gut Freund bleiben sollen!"

„Ich gehorche!" sagte das Fräulein. Eine große Träne fiel in ihren
Teller.

„So iß endlich!" fuhr Pistorius milder fort. „Ein tüchtig Mahl
muß genommen sein vor solchem Schauspiel."

Florinde sah betroffen hoch.

Der Doktor war ganz zurückgegeben dem kauenden Behagen, das
Wohlsein schlürft schon aus dem nächsten Bisten, der noch unter dem
Messer liegt.

Wie die Grille, wenn die Gefahr vorüber scheint, von neuem an-
hebt, so wagte das Fräulein sich wieder hervor. „Er soll in der Tat
unschuldig sein!" sagte sie, ohne aufzusehen.

„Unschuldig oder nicht — er hat auf der Folter einbekannt, und
wird nun gerichtet nach dem Recht der Diebe. Zur absonderlichen Be-
lehrung, item auch Abschreckung einer verzärtelten Jugend. Zu meiner
Zeit war jede Hinrichtung ein Volksfest!"

Indem war ungemeldet eine hochgewachsene, unter der Schminke
etwas ältliche Dame hereingetreten. Auf Stöckelschuhen und geputzt
wie zur Oper.

„Nur immer gemächlich, Ew. Hochedelheit!" sagte sie, und gab
dem Doktor einen Klaps auf die glühende Wange.


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Bodenseelandschaft

W. Waentig

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